Übersichtsarbeiten - OUP 05/2020

Nicht spezifischer Rückenschmerz oder spezifische Subgruppenbildung?
Diskussion einer Modellbildung

In den ANOA-Kliniken werden in der Regel die stationäre multimodale Schmerztherapie (OPS 8–918) und die multimodale Komplexbehandlung des Bewegungssystems (OPS 8–977) durchgeführt. Die Mehrzahl der heute bestehenden ANOA-Kliniken hat sich erst auf Grundlage der aus der konzeptuellen Vorarbeit resultierenden OPS-Ziffern, insbesondere der 8–977 etabliert. Es ist davon auszugehen, dass trotz der entstehenden Behandlungskosten, eine langfristige Kostenreduktion durch Verhinderung von chronischen Erkrankungen bzw. durch die Unterbrechung des Chronifizierungsprozesses resultiert. Die Unterscheidung zwischen den OPS-Ziffern 8–918 und 8–977 liegt in der spezifischen Befundlage eines jeden individuellen Patienten.

Fazit

Chronischer Rückenschmerz bleibt ein medizinisches und ökonomisches Problem. Die aktuelle Herangehensweise und Unterteilung der Schmerzen in spezifische und nicht spezifische Rückenschmerzen hat nicht zu einer Verbesserung der Versorgung von Patienten oder der wissenschaftlichen Datenlage geführt. Vielmehr scheinen wir uns immer tiefer in eine Sackgasse zu begeben.

Alternative Modelle und Herangehensweisen sind notwendig, um Wege aus dieser Misere zu finden. Eine Klassifikation von Rückenschmerzen unter Einbeziehung von pathomorphologischen, funktionellen, psychosozialen und neurophysiologischen Aspekten der Entwicklung und Chronifizierung von Rückenschmerzen ist plausibel, die Operationalisierung jedoch schwierig.

Die Betrachtung des Bewegungssystems als funktionelles System bietet die Grundlage für ein wirklich bio-psycho-soziales Krankheitsverständnis. Erst das Verständnis des Bewegungssystems als nicht statisches System sowie dessen Interaktionen im Gesamtsystem Mensch mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedigung lässt viele Störungen besser verstehen. Die Funktion und die Störungen der Funktion wurden in den bisherigen Krankheitsmodellen nur unzureichend berücksichtigt, sind aber möglicherweise der Schlüssel zum besseren Verständnis.

Vorbilder für die Entwicklung von Subgruppen spezifischer Therapie sind z.B. die Rheumatologie und Hämatologie. Erst durch die Klassifizierung von Krankheitsentitäten war es möglich, spezifische und letztlich erfolgreiche Behandlungsstrategien zu entwickeln.

Um dies für den Rückenschmerz zu realisieren, ist es notwendig, eine reliable und valide Befunderhebung als Grundlage für eine entsprechende Klassifikation zu entwickeln.

Für die tertiäre Versorgung ist die multimodale Komplexbehandlung nach dem ANOA-System eine Subgruppen basierte Therapieform, die nachhaltige Effekte zeigt.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Kay Niemier

Westmecklenburg Klinikum
Helene von Bülow

Krankenhaus Hagenow

Parkstraße 12

19230 Hagenow

kay.niemier@wmk-hvb.de

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