Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Operative Alternativen zur Endoprothetik bei Gonarthrose

Philipp Appelmann

Zusammenfassung:

Die operative Therapie der Gonarthrose erfolgt stadienabhängig und patientenspezifisch.
Bei Versagen der konservativen Gonarthrosetherapie können arthroskopische oder offene
gelenkerhaltende Eingriffe indiziert sein.

Die korrekte Therapie präarthrotischer Zustände kann das Auftreten einer Arthrose im besten Fall verhindern. Bei beginnender Gonarthrose kann die fortschreitende Gelenkdestruktion durch
geeignete Interventionen oft verlangsamt werden. Auch unikompartimentelle manifeste Arthrosen können beispielsweise durch Achskorrekturen in symptomarme Zustände zurückgeführt werden. Die fortgeschrittene Arthrose des älteren Patienten bleibt eine Domäne der Endoprothetik.
Der endoprothetische Gelenkersatz sollte erst nach konservativer Therapie und Abwägung aller gelenkerhaltenden Alternativen indiziert werden.

Der Beitrag gibt eine Übersicht über die gängigen gelenkerhaltenden operativen Verfahren bei Gonarthrose. Die richtige Indikationsstellung ist maßgeblich für den Therapieerfolg verantwortlich.

Schlüsselwörter:
Knie, Gonarthrose, degenerative Meniskusläsion, Knorpeldefekt, Knorpelersatzverfahren, Umstellungsosteotomie

Zitierweise:

Appelmann P: Operative Alternativen zur Endoprothetik bei Gonarthrose. OUP 2019; 8: 144–150

DOI 10.3238/oup.2019.0144–0150

The surgical treatment of knee osteoarthritis is patient-specific and depends on the stage of joint disease. If conservative treatment fails, arthroscopic or open joint preserving operations may be considered.

The correct treatment of pre-arthrotic conditions has the potential to prevent the occurrence of osteoarthritis.
In case of incipient knee osteoarthritis, progressive joint destruction can often be slowed down by appropriate surgical interventions. Unicompartmental osteoarthrit is of the knee can be treated successfully with a high tibial osteotomy, for example. The advanced osteoarthritis of elderly patients remains a domain of total knee arthroplasty. Endoprosthetic joint replacement should only be indicated after conservative treatment and consideration of all joint-preserving alternatives.

The following article provides an overview of the common joint-preserving surgical procedures in patients with osteoarthritis of the knee. A correct and thorough indication is crucial for the success of the therapy.

Keywords: knee, knee osteoarthritis, degenerative meniscal tear, cartilage defect, cartilage replacement procedure, high tibial osteotomy

Citation: Appelmann P: Surgical alternatives to knee arthroplasty for osteoarthritis of the knee.
OUP 2019; 8: 144–150. DOI 10.3238/oup.2019.0144–0150

Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsmedizin Mainz

Einleitung

Arthrose ist ein Resultat des Ungleichgewichts der physikochemischen
Eigenschaften und der mechanischen Belastung des Knorpels [1]. Gelenkverschleiß verursacht Schmerz, körperliche Funktionseinschränkung und einen Verlust an Lebensqualität. An degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparats leiden meist ältere Patienten. Das Kniegelenk ist mit über 50 % das am häufigsten von Arthrose betroffene Gelenk [2].

Als nicht beeinflussbare Risikofaktoren für das Auftreten einer Arthrose gelten zunehmendes Alter, weibliches Geschlecht und genetische Veranlagung [3, 4]. Insbesondere bei jüngeren Patienten spielen erworbene Ursachen wie Traumata und Übergewicht oder Fehlbelastung durch Deformitäten eine Rolle [5].

Die Gonarthrose kann uni-, bi- und trikompartimentell vorliegen. Es konnte eine Korrelation zwischen Knorpeldegeneration im medialen und lateralen tibiofemoralen Gelenk nachgewiesen werden. Jedoch scheint kein engerer Zusammenhang zwischen tibiofemoraler und patellofemoraler Arthrose zu bestehen [6–8].

Die endoprothetische Versorgung der fortgeschrittenen Gonarthrose kann Schmerzen reduzieren, die Gelenkfunktion verbessern und die Lebensqualität erhöhen. Dennoch sind ca. 20 % der Patienten nach knieendoprothetischer Versorgung unzufrieden. Patienten unter 55 Jahren haben 3,5 Jahre nach Implantation einer Kniegelenkendoprothese eine 5-fach höhere Revisionsrate als Patienten über 75 Jahre [9].

Insbesondere jüngere Patienten leiden aufgrund hoher beruflicher Belastung oder stetig steigendem Freizeitanspruch schon in den Anfangsstadien der Gonarthrose unter erheblichen Beschwerden. Knorpelverlust, subchondrale Knochenödeme und Meniskusdegenerationen sind häufig anzutreffende Veränderungen.

Eine genaue Analyse der schmerzauslösenden Faktoren ist vor der Durchführung operativer Maßnahmen unerlässlich. Insbesondere im Anfangsstadium der Arthrose und bei unikompartimentellem Gelenkbefall können gelenkerhaltende operative Maßnahmen zu einer Verbesserung der klinischen Symptomatik und idealerweise zu einer verlangsamten Progression der Gonarthrose führen. Nur unter Kenntnis der zur Verfügung stehenden Therapieoptionen ist eine individuelle Therapieentscheidung möglich.

Arthroskopische Lavage/ Debridement

In Zeiten der Kernspintomografie ist die Arthroskopie als invasive diagnostische Maßnahme heute nur noch Ausnahmefällen vorbehalten. Wenn Kriterien zur endoprothetischen Versorgung noch nicht vorliegen und die konservative Therapie keine zufriedenstellende Ergebnisse liefert, werden oft arthroskopische Eingriffe indiziert.

Ziel der arthroskopischen Gelenklavage ist die Durchbrechung der Entzündungskaskade durch Reduktion proinflammatorischer Mediatoren (Detritus) [10]. Im Rahmen des Gelenkdebridement werden zusätzlich aufgeraute Knorpeloberflächen geglättet, instabile Meniskusanteile reseziert sowie freie Gelenkkörper entfernt.

Moseley et al. verglichen in einer randomisiert kontrollierten Studie 180 Patienten mit Gonarthrose, die entweder einer arthroskopischen Lavage, einem arthroskopischen Debridement oder einer Placebo-OP zugeführt wurden. Über einen Beobachtungszeitraum von 2 Jahren konnte weder in der Lavage- noch in der Debridementgruppe eine Schmerz- oder Funktionsverbesserung im Vergleich zur Placebogruppe festgestellt werden [11].

Das Ausspülen von Synovialflüssigkeit kann potenziell auch einen negativen Effekt auf den Knorpelstoffwechsel haben. Die Injektion von Hyaluronsäurepräparaten im Anschluss an einen arthroskopischen Eingriff zeigte in mehreren Studien einen Benefit bezüglich postoperativem Schmerz und Gelenkfunktion [12–14]

Die alleinige arthroskopische
Gelenklavage bzw. ein ungezieltes

arthroskopisches Debridement bei symptomatischer Gonarthrose ist somit nicht mehr indiziert.

Meniskusteilresektion

Degenerative Meniskusläsionen sind häufig und nehmen mit steigendem Alter zu. Risikofaktoren für die Entstehung degenerativer Meniskusläsionen sind Alter (> 60 Jahre), Geschlecht (männlich) und beruflich kniende Tätigkeiten [15]. Die Prävalenz von Meniskusläsionen beträgt bei Männern im Alter von 50–59 Jahren 30 % und bei Frauen 19 % [16].

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