Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Operative Alternativen zur Endoprothetik bei Gonarthrose

Autologe und matrixassoziierte autologe Chondrozytentransplantationen (ACT/MACT) sind 2-zeitige Operationsverfahren. Im Rahmen einer diagnostischen Arthroskopie werden meist 2 kleine Knorpel-Knochen-Zylinder aus einem nicht tragenden Gelenkanteil entnommen. Im Labor werden Chondrozyten isoliert und in vitro vermehrt. Bei der MACT werden diese Chondrozyten auf eine Kollagenmatrix aufgebracht, die in einem Zweiteingriff ca. 4 Wochen nach der Entnahme-OP über eine
Miniarthrotomie in den Defekt reimplantiert werden. Bei der ACT ohne Kollagenmatrix kann die Knorpelzellsuspension nach Defektpräparation auch arthroskopisch appliziert werden. Knorpelschäden bis zu einer Einzeldefektgröße von 10 cm2 können durch diese Methode behandelt werden. Die orientierende Altersgrenze des Verfahrens liegt beim ca. 55. Lebensjahr. Altersunabhängig dürfen im betroffenen Gelenk jedoch keine degenerativen Veränderungen > Grad 2 in der radiologischen Einteilung nach Kellgren und Lawrence bestehen [38] (Tab. 2). Höhergradige degenerative Gelenkveränderungen stellen eine Kontraindikation für dieses Verfahren dar.

Umstellungsosteotomien

Kniegelenknahe Osteotomien sind ein etabliertes Verfahren zur Behandlung von unikompartimentellen Gonarthrosen. Varusgonarthrosen können durch valgisierende; Valgusgonarthrosen durch varisierende Umstellungsosteotomien therapiert werden. Ziel der Operation ist der Gelenkerhalt durch Entlastung des geschädigten Kniegelenkkompartiments. Die Umstellungsosteotomien eignen sich insbesondere für junge aktive Patienten, für die eine endoprothetische Versorgung mittels Schlittenprothese aufgrund von Lockerung- und Abriebproblematik eher ungeeignet ist. Grundvoraussetzung für einen Therapieerfolg ist die richtige Indikationsstellung. Durch entlastende Orthesen kann im Rahmen eines sogenannten „Brace-Test“ der Therapieerfolg der Umstellungsosteotomie abgeschätzt werden.

Die präoperative Diagnostik umfasst neben der klinischen Untersuchung ein konventionelles Röntgen des Kniegelenks in 2 Ebenen, eine Ganzbeinstandaufnahme sowie ein MRT. Anhand der Ganzbeinstandaufnahme wird eine Analyse der mechanischen Tragachse durchgeführt. Außerdem werden der laterale distale Femurwinkel (LDFW) und der mediale proximale Tibiawinkel (MPTW) beurteilt (Normwert 87° ± 3°). So kann zwischen femoralen und tibialen Fehlstellungen differenziert werden. Die Korrektur erfolgt am Ort der Fehlstellung, bei Varusgonarthrose in der Regel tibial, bei Valgusgonarthrose in der Regel femoral. Kombinierte Fehlstellungen mit tibialer und femoraler Ursache sollten an beiden Lokalisationen durch eine Doppelosteotomie korrigiert werden [39]. Auch Fehlstellungen in der sagittalen Ebene (Tibiaslope) müssen in der präoperativen Planung berücksichtigt werden.

Die ursprünglich von Fujisawa propagierte Korrektur der mechanischen Tragachse durch den 62 % Punkt des von medial gemessenen Tibiakopfdurchmessers ist heute nicht mehr uneingeschränkt gültig. Vielmehr richtet sich das Ausmaß der Korrektur individuell nach dem Maß der arthrotischen Veränderungen im medialen Kompartiment. Mit zunehmender Arthrose verschiebt sich der Zielbereich von der Neutralposition nach lateral [40].

Das Alter der Patienten scheint keinen signifikanten Einfluss auf das postoperative Outcome nach HTO zu haben [41, 42]. Positive Prognosefaktoren für das Langzeitergebnis nach HTO sind: Tibial-bone-varus-Winkel > 3–5°, Kniegelenkbeweglichkeit > 100°, männliches Geschlecht und BMI < 30 [43].

Im Falle der Varusgonarthrose konnte gezeigt werden, dass die öffnende valgisierende hohe Tibiakopfosteotomie (HTO) bei richtiger Indikationsstellung zu einer Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung des betroffenen Kniegelenks führt [44] (Abb. 3). Harris et al. schlossen in einem Review 69 Studien mit 4557 Kniegelenken ein. Die Überlebensrate der HTO (Endpunkt: Konversion zur Teil- oder Vollprothese) betrug nach 10 Jahren etwa 85 % und nach 20 Jahren etwa 72 % [45]. Eine Rückkehr zum vorher durchgeführten Freizeitsport ist für viele Patienten möglich [46].

Bandinstabilitäten

Bandinstabilitäten können zu Meniskus- und Knorpelläsionen führen und somit maßgeblich zur Arthroseentstehung beitragen. Klinisch relevant ist insbesondere die Verletzung des vorderen Kreuzbands. Sowohl die konservative Therapie als auch die Kreuzbandrekonstruktion führt im Laufe der Zeit zur Entwicklung arthrotischer Veränderungen im betroffenen Kniegelenk. Diese müssen nicht immer klinisch symptomatisch sein. Die zunehmenden Scherkräfte bei VKB-Insuffizienz betreffen insbesondere das mediale Gelenkkompartiment [47, 48].

Im Falle einer klinisch relevanten Varusgonarthrose mit VKB-Insuffizienz ohne subjektives Instabilitätsgefühl kann eine isolierte HTO zu einem Therapieerfolg führen [49]. Falls neben dem Gelenkverschleiß zusätzlich ein Instabilitätsgefühl besteht, sollte die HTO mit einer VKB-Rekonstruktion kombiniert werden [50].

Bei der Varusgonarthrose mit chronischer HKB-Insuffizienz und posterolateraler Instabilität kann die medial öffnende HTO mit tibialer Slopeerhöhung zu einer Schmerzreduktion und Stabilitätsverbesserung führen [51]. Bei verbleibender subjektiver Instabilität sollte eine 2-zeitige Bandrekonstruktion erfolgen.

Interessenkonflikt:

Keine Interessenkonflikte

Literatur

1. Stöve J: Konservative Therapie der Arthrose. Orthopade. 2005; 34: 613–22

2. Fuchs J, Rabenberg M, Scheidt-Nave C: Prävalenz ausgewählter muskuloskelettaler Erkrankungen: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz. 2013; 56: 678–86

3. Blagojevic M, Jinks C, Jeffery A, Jordan KP: Risk factors for onset of osteoarthritis of the knee in older adults: a systematic review and meta-analysis. Osteoarthr Cartil. 2010; 18: 24–33

4. Felson T, Lawrence R, Dieppe P, Hirsch R, Helmick C, Jordan J: NIH Conference Osteoarthritis: New Insights AND I TS. Ann Intern Med 2000; 133: 637–9

5. Muthuri SG, Hui M, Doherty M, Zhang W: What if we prevent obesity? Risk reduction in knee osteoarthritis estimated through a meta-analysis of observational studies. Arthritis Care Res. 2011; 63: 982–90

6. Cicuttini F, Wluka A, Wang Y, Stuckey S: The determinants of change in patella cartilage volume in osteoarthritic knees. J Rheumatol. 2002; 29: 2615–9

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