Übersichtsarbeiten - OUP 01/2019

Operative Frakturbehandlung bei Kindern unter 3 Jahren

Ohne Zweifel ist die Frakturbehandlung bei Kindern jünger als 3 Jahre auch im Zeitalter vermehrter Osteosynthesen nach wie vor die Domäne der konservativen Therapie. In der Literatur findet man nur wenige Artikel, die sich mit Frakturen bei Kindern unter 3 Jahren befassen; diese sind jedoch epidemiologischer Natur [3, 20].

In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie sind die Indikationen für eine operative Therapie für einzelne Frakturen spezifisch festgelegt, jedoch wird auch hier, abgesehen von den Femurschaftfrakturen, keine Altersangabe gemacht, sondern der Fokus liegt altersunabhängig auf dem Ausmaß der Dislokation und der Instabilität [6].

Bei den suprakondylären Humerusfrakturen liegt der Toleranzbereich bei Kindern unter 6 Jahren bei Abweichungen von 20° Antekurvation und 10° Valgus [16, 17]. Das ohnehin geringe Korrekturpotenzial ist nach der Einschulung zu vernachlässigen. Die operative Therapie ist bei Frakturen Typ III und Typ IV altersunabhängig klar indiziert [13]; Ausnahmen stellen lediglich geburtstraumatische Frakturen dar. Die bei uns operativ versorgten Frakturen waren allesamt Typ-III- oder Typ-IV-Frakturen. In einer retrospektiven Betrachtung aus Hongkong über einen Zeitraum von 10 Jahren (1985–1995) waren suprakondyläre Humerusfrakturen die häufigsten in der Gruppe der 0–3-Jährigen (26,7 %), die Rate an operativen Behandlungen war im Studienzeitraum auf 40 % angestiegen [3].

Undislozierte Kondylusfrakturen werden altersübergreifend konservativ behandelt [2], bei dislozierten Kondylus-radialis-Frakturen als intraartikuläre Salter-Harris-IV-Frakturen ist die operative Therapie ebenfalls unabhängig vom Alter indiziert. Sie erfolgt mittels 2–3 divergierender K-Drähte oder durch eine metaphysäre, kanülierte Spongiosazugschraube [9, 18]. Bei Kondylusfrakturen im Kleinkindalter ist zu beachten, dass die zentrale Dislokation im chondralen Bereich liegt und daher in dieser Altersgruppe im Röntgenbild nicht beurteilbar ist [11]. Das MR kann zwar die Knorpelverletzung exakt darstellen [12], ist aber zu aufwendig (Sedierung/Narkose), sodass wir auf Basis einer gipsfreien Kontrollaufnahme nach 4–5 Tagen entscheiden. Wir stellten 3-mal eine primäre Operationsindikation bei einer Dislokation von > 3 mm, bei 2 weiteren Kindern zeigte sich nach initial konservativer Therapie in der radiologischen Kontrolle nach 5 Tagen eine Dislokation von 4 mm, sodass die sekundäre Operation erfolgte [21].

Am Unterarmschaft existiert keine einheitliche Empfehlung hinsichtlich tolerabler Achsabweichung in Abhängigkeit vom Alter. Achsenfehler ab 15° führen jedoch altersunabhängig zu Einschränkungen in der Pro-/Supination [4, 28]. Somit lässt sich hieraus auch altersunabhängig die OP-Indikation ableiten. Auf Basis dieser Feststellung hat die Quote operativer Therapien bei Unterarmfrakturen im Kindesalter grundsätzlich zugenommen [25]. Die operative Therapie erfolgt dann auch bei Kleinkindern bevorzugt mit einer elastisch-stabilen intramedullären Nagelung (ESIN) und einer Nagelstärke von 1,5–2,0 mm, auch wenn Zionts et al. die Methode bei Kindern unter 10 Jahren kritisch sehen und ein konservatives Vorgehen bevorzugen [29]. Die Indikation besteht auch bei Monteggia-Frakturen, wenn konservativ die Radiusluxation nicht mit absoluter Sicherheit reponiert und retiniert werden kann [6]. Die bei uns primär operativ versorgten Frakturen zeigten alle eine Dislokation von mehr als 25°. Fünf Frakturen wurden initial konservativ versorgt, waren aber bei der radiologischen Kontrolle nach 7 Tagen mehr als 25° disloziert, sodass die Indikation zur Operation sekundär gestellt wurde.

Die Behandlung der Femurfrakturen erfolgt leitliniengemäß ab dem
ß3. Lebensjahr operativ mittels elastisch-stabiler intramedullärer Nagelung (ESIN-Osteosynthese) [6]. Vor dem 3. Lebensjahr ist die Behandlung in der Regel konservativ unter Anlage eines Beckenbeingipses oder einer Overhead-Extension. Obwohl für Frech-Dörfler et al. [8] der Beckenbeingips im Vorschulalter in Bezug auf die Langzeitergebnisse (Fehlstellung und Beinlängendifferenz) nach wie vor eine sehr gute Therapiemöglichkeit darstellt, zeigt sich in Deutschland, dass bei unter 3-Jährigen das operative Verfahren mittels ESIN bereits routinemäßig verwendet wird [27]. Von 375 Frakturen wurden 50 % mittels ESIN therapiert, 24 % mittels Overhead-Extension, und 23 % erhielten einen Beckenbeingips. Für die konservative Therapie sprechen die recht kurze Behandlungsdauer, die Vermeidung von Narkosen und die guten Langzeitergebnisse. Die Nachteile liegen in der schwierigen Hygiene des Kindes im Beckenbeingips, in der möglichen Nervenschädigung des Nervus peronäus durch den Faszienzug bei der Overhead-Extension und im längeren Krankenhausaufenthalt (2–3 Wochen). Vorteile des operativen Verfahrens sind die einfachere Pflege, die schnellere Mobilisation, der kürzere Krankenhausaufenthalt, der einfachere Transport im Auto und die schnellere Rückkehr in die Kinderbetreuung [10, 22], zudem als spezieller Gesichtspunkt das einfachere Management beim polytraumatisierten Kind. Eine mögliche Wachstumsstimulation durch die fugennahen Eintrittsstellen ist ebenso zu bedenken wie Instabilitäten der ESIN durch den weiten Markraum. Offen bleibt die Frage, ob der Benefit für die kleinen Kinder den Aufwand im Einzelfall rechtfertigt.

Operationen am Oberarm (subkapital und Schaft) und am Unterschenkel erfolgen im Rahmen von Einzelfallentscheidungen und können kaum einer prinzipiellen Evaluation unterzogen werden. Die Chancen zum Remodelling und die möglichen Funktionsstörungen können hier bei der individuellen Entscheidung als Leitinformation verwertet werden [1, 7, 15, 19, 23]. Sonderindikationen bestehen bei Polytraumen, Reihen-Verletzungen oder neurovaskulären Verletzungen.

Bei den Fingerverletzungen ist die Adaptation der knöchernen Endgliedverletzung im Rahmen subtotaler Amputationen erforderlich, wenn die Weichteiladaptation nicht zu einer ausreichenden Fixation führt [1]. Dislozierte subkapitale Frakturen, die fern der basalen Fugen liegen, müssen aus funktionellen Gründen auch unabhängig vom Alter der Patienten reponiert und ggf. fixiert werden [19].

Fazit

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