Übersichtsarbeiten - OUP 03/2020

Operative Therapie von Patella-Frakturen

Kai Fehske

Zusammenfassung:
Frakturen der Patella sind eine seltene Entität, deren Versorgung relativ komplex sein kann.
Zur Bestimmung der exakten Frakturmorphologie und zur Operationsplanung ist eine
Computertomographie empfehlenswert. Frakturen mit einer Dislokation über 2 mm sowie
Mehrfragmentfrakturen, offene Frakturen oder osteochondrale Frakturen sollten operativ
behandelt werden. Zur operativen Versorgung stehen mehrere Osteosyntheseverfahren zur
Auswahl. Die klassische Zuggurtung ist nach wie vor am meisten genutzt, wenn auch moderne winkelstabile Plattensysteme bessere biomechanische Ergebnisse zeigen konnten.
Für Querfrakturen eignet sich bei guter Knochenqualität die kanülierte Schraubenosteosynthese, die mit einer Zuggurtung kombinierbar ist. Trotz einer zufriedenstellenden Reposition sind die Langzeitergebnisse, bezogen auf die Patientenzufriedenheit, als mittelmäßig einzustufen.

Schlüsselwörter:
Patella, Patellafraktur, Osteosyntheseformen, Zuggurtung, winkelstabile Plattenosteosynthese

Zitierweise:
Fehske K: Operative Therapie von Patella-Frakturen. OUP 2020; 9: 172–177
DOI 10.3238/oup.2019.0172–0177

Summary: Only 1 % of all fractures happen to the patella. The treatment of patella fractures can be very
complex and difficult. For the exact fracture mapping and the ideal preoperative planning a CT-scan should be obtained. Fractures with a dislocation of more than 2 mm, multifragment fractures, open fractures or osteochondral fractures should be treated operatively. There are different types of osteosynthesis to choose from. The traditional tension wire osteosynthesis is the most popular, even though modern locking plates turned out to be biomechanically superior. Transverse fractures of the patella can be treated with cannulated screws in combination with tension band wiring. Despite good reduction and reposition of the fracture many patients show persistent complaints in the long-term subjective postoperative outcome.

Keywords: patella, patellarfractur, locking plate, tension wire-banding

Citation: Fehske K: Surgical treatment of patellafractures. OUP 2020; 9: 172–177
DOI 10.3238/oup.2019.0172–0177

Kai Fehske: Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand-, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Würzburg

Einleitung

Die Patella ist das größte Sesambein des menschlichen Körpers und hat als Hypomochlion einen elementaren Bestandteil des Extensionsmechanismus zwischen Quadrizepssehne und Patellarsehne. Die Kraft des Quadrizeps wird über die Patella auf den Unterschenkel übertragen und ermöglicht somit die Extension im Kniegelenk. Die Kraft des Quadrizeps ist ohne die Patella wesentlich geringer. Es besteht ein hoher Anpressdruck retropatellar und die Kniescheibe muss Zugkräfte neutralisieren. Die Kombination aus Kompressions- und Zugkräften hat relevanten Einfluss auf die Verletzungsmechanismen, die Behandlungsmöglichkeiten und die klinischen Resultate [26].

Bei gestörter Gelenkkonfiguration kommt es zu dauerhaften Beschwerden im Rahmen der Interaktion zwischen den Extensoren des Oberschenkels mit dem distalen Femur und dem Unterschenkel.

Nur etwa 1 % aller Frakturen betreffen die Patella [2]. In der Mehrzahl sind Männer zwischen 20 und 50 Jahren betroffen [18], die zu 78,3 % einen Verkehrsunfall und zu 13,7 % einen Arbeitsunfall erleiden. Knapp 12 % der Frakturen werden im häuslichen Umfeld registriert [30]. In den letzten Jahren verzeichnen periprothetische Patellafrakturen einen Zuwachs. Die Inzidenz nach endoprothetischer Versorgung des Kniegelenkes liegt bei ca. 2,5 % [8]. Bei Heranwachsenden kann es vereinzelt nach Rekonstruktion des patello-femoralen Ligamentes (MPFL) zu Implantat-assoziierten Frakturen kommen [1].

Verletzungsmechanismus

Die meisten Patellafrakturen entstehen aufgrund eines direkten Traumas durch Sturz oder auch durch ein Anpralltrauma z.B. im Rahmen einer Amaturenbrettverletzung (sog. Dash-board-Injury) auf das gebeugte Kniegelenk. Die klassische Ursache für ein indirektes Trauma ist ein Stolpersturz, der versucht wird, durch eine maximale Aktivierung der Quadrizepsmuskulatur abzubremsen. Je nach Ausmaß der Kraft und der Geschwindigkeit kann es hierbei zu einem Riss der Sehne (Patellar- oder Quadrizepssehne) oder zu einer indirekten Fraktur kommen. Indirekte Frakturen sind typischerweise Querfrakturen.

Diagnostik

Die Diagnostik beginnt mit der Erhebung der Anamnese und des Unfallmechanismus. Im Rahmen der klinischen Untersuchung fällt neben den offensichtlichen Frakturzeichen wie Krepitation meistens auch die Unfähigkeit, das gestreckte Bein anzuheben auf. Bei direktem Anprall kann es zu einem deutlichen Hämatom bis hin zu einer offenen Fraktur kommen.

Die Bildgebung beinhaltet zuallererst ein konventionelles Röntgenbild, zumindest in zwei Ebenen. Bringt dieses den Frakturnachweis, ist zur operativen Planung die Computertomographie dringend empfehlenswert. Lazaro und Kollegen konnten in ihrer Arbeit 2013 zeigen, dass 88 % der Patellafrakturen eine Beteiligung des distalen Pols zeigten, welche nur in 44 % der Fälle nativ-radiologisch erfasst wurde. Die Computertomographie führte in 49 % zu einer Änderung des (operativen) Behandlungsplans [12]. Zur erfolgreichen Adressierung der Frakturmorphologie und auch zur Wahl der optimalen Implantatauswahl ist die Computertomographie somit unumgänglich.

Es können Patella Querfrakturen, Längsfrakturen, mehrfragmentäre Frakturen und osteochondrale Frakturen unterschieden werden. Die Einteilung erfolgt nach der AO-Klassifikation, nach Rogge, Ostern und Gossé, sowie nach Speck und Regazzoni. An dieser Stelle soll nicht weiter auf die Klassifikation eingegangen werden.

Indikation zur operativen Versorgung

Das primäre Behandlungsziel ist die stufenlose Wiederherstellung der Gelenkfläche und die Rekonstruktion des Streckapparates. Es herrscht weitestgehend Konsens darüber, dass Frakturen mit einer Dislokation oder Gelenkstufe von über 2 mm operativ behandelt werden sollten. Darüber hinaus besteht die Indikation zur Operation bei offenen Frakturen, osteochondralen Frakturen oder Frakturen mit aufgehobener Streckfähigkeit im Kniegelenk [24].

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