Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Orthesenversorgung des Rumpfs bei Osteoporose

Lumbalorthesen

Zur Behandlung der Osteoporose im Lumbalbereich werden klassischerweise Orthesen verwendet, die als Lumbosacrale Orthesen gearbeitet sind und den Sacralbereich mit fassen (LSO). Klassischerweise behandelt man hiermit Frakturen im mittleren und unteren Anteil der Lendenwirbelsäule. Rein elastische Orthesen sind hier nicht indiziert, die Orthesen werden entweder mit Kreuz-Lenden-Pelotte oder in der Technik der Überbrückungsorthese nach Hohmann bzw. als starres Korsett gefertigt. Dabei ist dem Orthopädietechniker die Frakturhöhe mitzuteilen, damit dieser die Kreuz-Lenden-Pelotte genügend hoch überbrückend in die Orthese einbezieht. Derartige Orthesen werden entweder konfektioniert oder individuell angepasst mit Bauchhebezügen angefertigt. Diese Orthesen haben einen deutlich positiven Effekt auf die Schmerzsituation, einen Abstützeffekt, aber keinen aufrichtenden Effekt, da die Thoraxfassung fehlt.

Starre Thoraco-Lumbo-Sacral-

Orthesen

Frakturen im thoracolumbalen Übergangsbereich treten besonders häufig auf und sind für den Patienten oft sehr schmerzhaft. Hier bieten sich als Versorgung Thoraco-Lumbo-Sacral-Orthesen an. Abhängig von der Höhe der Fraktur können hier auch noch hochgezogene Kreuz-Stützmieder mit hoher Überbrückungspelotte, besser aber hochgezogene Überbrückungsmieder nach Hohmann als starre Orthesen verwendet werden (Abb. 2)

Bei höher gelegenen Frakturen oder der Notwendigkeit zur stärkeren Aufrichtung ist ein Rahmen-Stützkorsett ggf. indiziert. Dieses immobilisiert deutlich stärker (Abb. 3). Die früher übliche Version in der rein starren Ausführung hatte das Problem, dass die supraclaviculären Pelotten doch erheblich Druckprobleme verursachten, daher wird heute meist ein lumbales Stützmieder mit Überbrückungspelotte und Schulterschlaufen angefertigt.

Hyperextensionsorthese in

Rahmenbauweise

Bei Kompressionsfrakturen im thoraco-lumbalen Übergangsbereich, auch im Bereich der Brustwirbelsäule, können auch leichte Orthese, wie das 3-Punkt-Korsett nach Vogt und Bähler (Abb. 4) oder in der 4-Punkt-Abstützung (Abb. 3) hergestellt werden. Sie zeichnen sich durch leichte Bauweise aus, es besteht keine Atemeinschränkung, allerdings ist auf den richtigen Sitz der Pelotten am Sternum und an der Symphyse zu achten, da sich diese leicht verschieben.

Flexible Rückenorthesen

Seit Ende der 90er Jahre wurden zunehmend flexible Rückenorthesen für die Osteoporosebehandlung eingesetzt. Sie bestehen im Prinzip aus einem langen Stabsystem, das über die gesamte Dornfortsatzreihe von C7 bis S1 in einen Orthesenkörper (normale Ausführung oder auch als Body gearbeitet, Abb. 5 und 6) eingearbeitet und anpassbar ist. Die Pelotte ist je nach Materialien (Aluminium, Karbon) schwingungsfähig, durch ein Gurtsystem mit Klettverschlüssen wird sie am Körper fixiert. Sie beinhaltet eine Bauchzuggurtung über eine abdominalen Pelotte, einen Fixierungsgurt im thoracolumbalen Übergang und Schulterzügel, die individuell eingestellt werden können. Es handelt sich dabei vom Prinzip her nicht um einen starren Geradhalter, sondern um ein System, das über die Schultergurte als Mahnbandage wirkt und zu einer permanenten „Aufrichtung“ des Achsorgans anhält (sog. Bio-Feedback-Prinzip). Durch die Orthese kommt es somit nachweisbar über einen längeren Zeitraum des Tragens zu einer Kräftigung auch der Rückenstreckmuskulatur und zu einer Haltungsaufrichtung (Abb. 5).

Zu dieser Orthese liegt eine randomisierte, prospektive und kontrollierte klinische Studie vor, die den Nachweis der Wirksamkeit erbracht hat. Das Tragen dieser neu entwickelten Rückenorthese über 6 Monate führte zu einer Zunahme der Rückenmuskelkraft um 73 %, der Bauchmuskelkraft um 56 % und zu einer Abnahme des Kyphosewinkels um 11°. Die positiven Ergebnisse der ersten Studie, die kleinere methodische Schwächen hatte, wurden durch Studien aus dem Jahre 2014 [6] repliziert, sodass sich die Evidenzlage weiter verbesserte.

Fazit

In der Therapie von Wirbelfrakturen bei Osteoporose hat sich in den letzten Jahren ein deutlicher Wandel ergeben, insbesondere die flexiblen und schwingungsfähigen Osteoporoseorthesen haben eine deutliche Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten geschaffen. Sie werden klassischerweise von den Patienten gut akzeptiert, insbesondere wenn man ihnen den Trainingseffekt auch entsprechend erklärt. Bei schwereren Schmerzzuständen bleibt allerdings immer noch ein Platz für die starren Orthesen, da diese durch ihre höhere Bewegungseinschränkung die Schmerzsituation deutlicher beeinflussen. Sie sind in aller Regel nur für eine passagere kürzerfristige Nutzung zu wählen. Bei diesen Orthesen ist insbesondere auf die korrekte Abstützung, die korrekte Wahl der Stützpelotten (die Frakturen überbrückend!) und eine genügende Atemfreiheit zu achten.

Beachtet man die oben genannten Kriterien, so spielen Orthesenversorgungen in der Behandlung der Osteoporose weiterhin eine wichtige und sehr positive Rolle und können den Patienten einen hohen Benefit bieten.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Bernhard Greitemann

RehaKlinikum Bad Rothenfelde,
Klinik Münsterland

Auf der Stöwwe 11

49214 Bad Rothenfelde

greitemann@klinik-muensterland.de

Literatur

1. Fassbender WJ, Scheidt-Nave C, Pfeilschifter J. Evidence-based clinical practice guidelines for diagnostic and treatment of osteoporosis. DMW 2003; 25: 1615–1616

2. Schlaich C, Minne HW, Bruckner T et al. Reduced pulomonary function in patients with spinal osteoporotic fractures. Osteoporos Int 1998; 8: 261–267

3. Begerow B, Pfeifer M, Pospeschill M et al. Time since vertebral fracture: an important variable concerning quality of life in patients with postmenopausal osteoporosis. Osteoporos Int 1999; 10: 26–34

4. Feurer E, Chapurlat R, Emerging drugs for osteporosis. Expert Opin Emerg Drugs 2014; 19: 385–395

5. Baumgartner R, Greitemann B. Grundkurs Technische Orthopädie, 3. Auflage, Stuttgart: Thieme-Verlag,

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