Übersichtsarbeiten - OUP 05/2015

Orthopädietechnische Hilfsmittel im Rahmen der symptomatischen Gonarthrosetherapie

Bandagen und Orthesen können ebenfalls als begleitende Maßnahmen im Rahmen der Arthrosetherapie eingesetzt werden. Ziel von elastischen Bandagen ist eine Verbesserung der Propriozeption (Sensomotorik) und einer daraus resultierende muskuläre Stabilisierung des Gelenks. Gonarthrose-Orthesen haben das Ziel, über eine „äußere Schienung“ eine mechanische Entlastung des betroffenen Gelenkkompartiments zu ermöglichen. Studien haben hier einen positiven Effekt solcher Entlastungs-Orthesen hinsichtlich der Stabilität und der Funktionalität aufgezeigt. Ein Problem solcher Entlastungs-Orthesen ist häufig die Compliance der Patienten, sodass sich hier eine enge Kooperation mit einem Sanitätshaus als sinnvoll erwiesen hat, um festzustellen, ob der Patient

  • 1. in der Lage ist, eine solche Orthese eigenständig anzulegen und
  • 2. gewillt ist, die Orthese regelmäßig zu tragen.

Neben den Fähigkeiten des Patienten spielt auch die Anpassung der Orthese, insbesondere bei adipösen Patienten, eine entscheidende Rolle [14]. Eine wesentliche Änderung bei der Entwicklung der neuen Generation von Entlastungs-Orthesen ist die Änderung der Auflage-/Druckpunkte. Gerade der Druckpunkt älterer Orthesen am medialen Gelenkkompartiment war hier ein Kritikpunkt, der von den neuen Entlastungs-Orthesen adäquat adressiert wird. Auch das Gewicht und die Materialstärke der Orthesen konnten deutlich reduziert werden, sodass sich die Compliance der Orthesen deutlich verbessert hat.

Die Betrachtung von Entlastungs-Orthesen, ebenfalls bei den Patienten mit instrumentierter Knie-Endoprothese, zeigt je nach eingesetzter Orthese eine Reduktion der Kraft (die durch das adressierte mediale Gelenkkompartiment beim Gehen läuft) in einer Spanne von 8–30 %. Die Ergebnisse sind dabei unter anderem abhängig von: Orthesentyp, valgisierender Korrektur und Beinachse. Zu beachten ist jedoch, dass Orthesen mit einer stark valgisierenden Komponente (8°) von den Patienten nicht auf längere Zeit toleriert werden und somit zur symptomatischen Therapie der Gonarthrose allenfalls bedingt geeignet sind [15]. Es gilt daher einen „Kompromiss“ zwischen der Entlastung durch eine Unloader-Orthese und der Patientencompliance zu finden. Denn nur, wenn die Orthese getragen wird, hilft diese dem Patienten. Klinische Studien zeigen bei der Versorgung von Gonarthrosepatienten mit entlastenden Orthesen eine signifikante Reduktion der Schmerzen im adressierten Gelenkkompartiment, die im Vergleich zu einer Einlagenversorgung oder einer Neoprenbandage signifikant stärker ausgeprägt war [16, 17]. In einer weiteren Arbeit konnte bei Gonarthrosepatienten, die mit einer entlastenden Orthese versorgt wurden, kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Schmerzen, Gelenkfunktion und Lebensqualität nachgewiesen werden im Vergleich zu Gonarthrosepatienten, die mit Arthroseschulung, Schmerzmitteln und physikalischer Therapie behandelt wurden. Bei der Betrachtung der Gehstrecke wurde jedoch ein signifikanter Unterschied zu Gunsten der Orthesengruppe über den Untersuchungszeitrum von 12 Monaten beobachtet [18]. Die klinische Verbesserung der Gonarthroseschmerzen und der Gelenkfunktion geht dabei nicht regelmäßig mit einer Zunahme des adressierten Gelenkspalts einher [19].

Eine wesentliche Voraussetzung für den Behandlungserfolg ist die Compliance der Patienten, die wiederum vom Tragekomfort und der erfahrenen Schmerzreduktion abhängt. Sofern eine gute Patientencompliance besteht, kann durch den Einsatz von Unloader-Orthesen eine signifikante Schmerzreduktion, Verbesserung der Gelenkfunktion und der Lebensqualität erreicht werden [20].

Fazit

Bei gegebener Patientencompliance stellen die orthopädietechnischen Optionen Einlagenversorgung, Schuhaußenraderhöhung und die Versorgung mit Unloader-Orthesen gute Möglichkeiten zur symptomatischen Therapie der Varus-/Valgusgonarthrose dar. Die Vielzahl der Studien zeigt einen positiven Effekt der dargestellten Maßnahmen vor allem bei einer vorliegenden Varusgonarthrose. Biomechanische Untersuchungen an Patienten mit einer instrumentierten Knie-Endoprothese zeigten bei der Einlagenversorgung und Schuhaußenranderhöhung eine Entlastung des adressierten Gelenkkompartiment von 3–5 %, die in vielen Fällen schon zu einer Beschwerdelinderung führte. Entlastende Orthesen zeigen eine zum Teil deutlich höhere Reduktion der Kraft, die durch das adressierte Gelenkkompartiment läuft, als Einlagen und Schuhaußenranderhöhungen. Eingebettet in ein Arthrosemanagementkonzept stellen die orthopädietechnischen Optionen somit eine valide, leitliniengerechte Behandlungsoption dar, die zur einer Minderung der Gonarthroseschmerzen und Verbesserung der Gelenkfunktion beitragen können.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internationalen Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Stefan Middeldorf

Schön Klinik Bad Staffelstein

Orthopädische Klinik

Am Kurpark 11

96231 Bad Staffelstein

smiddeldorf@schoen-kliniken.de

Literatur

1. Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2013, Heft 54

2. Bitton R. The economic burden of osteoarthritis. Am J Manag Care 2009; 15 (8 Suppl.): 230–235

3. Nigg B, Herzog W. Biomechanics of the Musculo-Skeletal System. West Sussex, England: John Wiley & Sons, 2007

4. Sharma L, Hurwitz DE, Thonar EJ et al. Knee adduction moment, serum hyaluronan level, and disease severity in medial tibiofemoral osteoarthritis. Arthritis Rheum 1998; 41: 1233–1240

5. Bennell KL, Bowles KA, Wang Y et al. Higher dynamic medial knee load predicts greater cartilage loss over 12 months in medial knee osteoarthritis. Ann Rheum Dis 2011; 70: 1770–1774

6. Andriacchi TP, Mündermann A, Smith RL et al. A framework for the in vivo pathomechanics of osteoarthritis at the knee. Ann Biomed Eng 2004; 32: 447–457

7. McAlindon TE, Bannuru RR, Sullivan MC et al. OARSI guidelines for the non-surgical management of knee osteoarthritis, Osteoarthritis Cartilage 2014; 22: 363–88

8. http://www.nice.org.uk/guidance/cg 177/chapter/1-recommendations#/ non-pharmacological-management-2- NICE guidelines knee Osteoarthritis 2014

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