Originalarbeiten - OUP 03/2013

Osteoporose – Diagnostik und Therapie

A. Roth1, G. Lehmann2, G. Wolf2

Zusammenfassung : Die Osteoporose als systemische Skeletterkrankung mit erhöhter Frakturgefährdung weist eine hohe und mit zunehmender Lebenserwartung ansteigende Tendenz auf. Unbehandelt führt sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität und verursacht hohe Kosten. Durch Anamnese, klinische und apparative Diagnostik mittels DEXA und Röntgen wird das individuelle Frakturrisiko ermittelt und, davon ausgehend, die Indikation zur medikamentösen Therapie gestellt. Laborchemische Untersuchungen dienen vor allem der Differenzialdiagnostik. Die medikamentöse Basistherapie erfolgt mittels Vitamin D und Calcium. Bei der spezifischen medikamentösen Therapie sind die Bisphosphonate die Therapie der ersten Wahl. Daneben stehen dazu auch wirksame osteoanabole Medikamente und der RANK-Ligand-Antikörper Denosumab zu Verfügung. Parallel erfolgen physikalische Therapie und ggf. eine Schmerztherapie, welche durch Hilfsmittel ergänzt werden. Nach operativen Eingriffen bei Frakturen des proximalen Femurs und der Wirbelsäule sollte immer die Notwendigkeit einer adäquaten medikamentösen Therapie geprüft werden.

Schlüsselwörter: Osteoporose, Diagnostik, Therapie

Abstract: Osteoporosis as a systemic skeletal disease with increased fracture risk has a high and increasing tendency, not at least as a result of an increasing life expectancy. Untreated it leads to a significant deterioration in quality of life and high costs. The individual fracture risk is determined by history, clinical diagnosis, bone mineral density measurements and x-ray and leads to the decision for the indication for drug therapy. Laboratory tests are mainly used for differential diagnosis. The basic drug therapy is carried out using vitamin D and calcium. For specific drug therapy, bisphosphonates are therapy of the first choice. Furthermore there are also effective osteoanabolic drugs and the RANK Ligand antibody Denosumab available. Parallel done physical therapy and possibly a pain therapy can be supplemented by auxiliary means. After surgery of fractures of the proximal femur or spine the need for adequate drug therapy should always be examined.

Keywords: osteoporosis, diagnosis, treatment

Definition

Die Osteoporose ist ein weltweites Gesundheitsproblem und wird von der WHO als eine der 10 wichtigsten Volkserkrankungen anerkannt. Sie ist nach der NIH Consensus Development Panel on Osteoporosis Prevention [1] definiert als „eine systemische Skeletterkrankung, die durch niedrige Knochenmasse und verschlechterte Mikroarchitektur des Knochengewebes mit der Folge einer erhöhten Frakturgefährdung“ charakterisiert ist (s. Abb. 1).

Von der primären Osteoporose abzugrenzen sind die sekundären Erkrankungsformen, die sich im Rahmen
chronischer Grunderkrankungen (Niereninsuffizienz, chronisch-entzündliche Darm-, Lungen- und Gelenkerkrankungen, Malignome) und/oder durch medikamentöse Therapie (Glukokortikoide, Immunsuppressiva) entwickeln.

Epidemiologie

Die Erkrankung weist eine hohe und mit zunehmender Lebenserwartung ansteigende Tendenz auf, führt unbehandelt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität der Betroffenen und verursacht hohe Kosten, die vor allem bei der Behandlung der Komplikationen entstehen. Allein für die Behandlung von hüftgelenknahen Frakturen werden in Deutschland derzeit jährlich mehrere Milliarden Euro ausgegeben [2]. Die exakte Erfassung der finanziellen Belastung der Gesellschaft ist derzeit nicht möglich, da kein Frakturregister geführt wird und Versorgungsdaten aus der Pflege nicht erfasst werden.

Die Osteoporose gehört zu den häufigsten Erkrankungen des höheren Lebensalters. Die Häufigkeit einer Osteoporose in der Bevölkerung, ihre Prävalenz auf der Grundlage der WHO-Definition einer erniedrigten Knochendichtemessung (T-Wert < –2,5) liegt bei postmenopausalen Frauen bei etwa 7 % im Alter von 55 Jahren und steigt auf 19 % im Alter von 80 Jahren an (OPUS-Studie) [3]. In der europäischen Studie zur Häufigkeit der vertebralen Osteoporose (EVOS) wurde auf röntgenmorphometrischer Basis eine nahezu gleich hohe Prävalenz deutlicher Wirbelkörperhöhenminderungen bei Frauen und Männern im Alter von 50–79 Jahren beobachtet (10 % in der deutschen Studienpopulation; 12 % im europäischen Gesamtdurchschnitt). In der deutschen EVOS-Studienpopulation berichteten insgesamt 10 % der Männer und 19 % der Frauen über „Osteoporose-verdächtige“ periphere Frakturereignisse (periphere Frakturen jenseits des 50. Lebensjahres ohne größeres Trauma) [4]. In einer aktuellen Studie (BEST = Bone Evaluation Study) auf der Basis von Krankenkassendaten aus den Jahren 2006–2009 ergibt sich eine Prävalenz von 6,3 Millionen Osteoporosekranken in Deutschland bei einer Inzidenz von 885.000 Neuerkrankungen pro Jahr [2].

Die Inzidenz Osteoporose-assoziierter Wirbelfrakturen steigt mit zunehmendem Alter exponentiell an, bei Frauen von 5,8 bei den 50- bis 54-Jährigen bis auf 29,3 pro 1.000 Patientenjahre bei den 75- bis 79-jährigen Frauen und bei den Männern von 3,3 auf 13,6 pro 1.000 Patientenjahre. Das entspricht einer jährlichen Inzidenz morphometrisch nachweisbarer Wirbelkörperbrüche bei 50- bis 79-jährigen Frauen von etwa einem Prozent, bei den Männern im gleichen Alter 0,6 %. Auch die Inzidenz von peripheren Frakturen ohne Hochenergietrauma steigt mit dem Alter exponentiell an. Bei den häufig aus der Kombination Osteoporose und Sturz resultierenden peripheren Frakturen liegt die jährliche Inzidenz in Deutschland bei 50- bis 79-jährigen Frauen bei 1,9 % und 0,7 % bei den Männern [5, 6, 7].

Die Wahrscheinlichkeit, eine oder mehrere Wirbelkörpersinterungen im Leben zu erleiden, beträgt bei einer Frau derzeit ca. 30 %. Der Anteil der Osteoporose an diesen Frakturen ist hoch. Für die Schenkelhalsfraktur beträgt die Wahrscheinlichkeit ca. 15 %. Im zeitlichen Zusammenhang mit Frakturen infolge einer Osteoporose (periphere und Wirbelkörperfrakturen) ist eine erhöhte Sterblichkeit der betroffenen Patienten bekannt. Der Mortalitätsanstieg ist im ersten Jahr nach der Fraktur am höchsten. Ursachen sind u.a. die Immobilisation und die sich daraus ergebenden Folgeerkrankungen, was vor allem für ältere Menschen von Bedeutung ist [8, 9, 10].

Diagnostik

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