Originalarbeiten - OUP 03/2013

Osteoporose – Diagnostik und Therapie

Die Diagnose der Osteoporose basiert auf einer Zusammenschau von Anamnese, klinischem Befund, Laborda-
ten, der Knochenmineraldichtemessung und konventionellen Röntgenuntersuchungen der Wirbelsäule. Ein abschätzbares 10-Jahres-Frakturrisiko von > 20 % ist eine zwingende Indikation für eine Osteoporose-Basisdiagnostik (s. Tab. 1) [11]. Ziel ist die Bestimmung des individuellen Osteoporoserisikos als Grundlage des differenzierten therapeutischen Vorgehens.

Anamnese und klinischer Befund

Die Anamneseerhebung dient der Erfassung des Osteoporoserisikos und der differenzialdiagnostischen Abgrenzung von primären und sekundären Osteoporosen. Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren, die unabhängig voneinander das Risiko erhöhen, an einer Osteoporose zu erkranken (s. Tab. 2). Von Bedeutung ist auch die Erfassung des Sturzrisikos [12]. Der klinische Befund kann bei Patienten ohne bereits eingetretene Wirbelkörperfrakturen unauffällig sein. In Abhängigkeit vom Ausmaß und der Lokalisation der Frakturen entwickeln sich u.a BWS-Kyphose, reduzierter Rippenbogen-/Beckenkammabstand, vorgewölbtes Abdomen und Tannenbaumfalten der Rumpfhaut.

Laboruntersuchungen

Die idiopathische Osteoporose weist keine von der Norm abweichenden Laborwerte in Blut und Urin auf (Ausnahme kann eine Verminderung des Vitamin-D-Spiegels sein). Die in Tabelle 3 zusammengefassten Untersuchungen dienen der Abgrenzung sekundärer Osteoporosen und anderer Osteopathien und sind im Rahmen der Erstdiagnostik zwingend erforderlich.

Darüber hinaus existieren eine Reihe von Knochenumbaumarkern zur Bestimmung des Ausmaßes des Knochenab- und -anbaus. Erhöhte Knochenabbaumarker haben sich bei beiden Geschlechtern als unabhängiger Risikofaktor für Frakturen erwiesen, ihre Bestimmung ist derzeit aber noch nicht standardisiert, sodass eine routinemäßige Untersuchung nicht empfohlen werden kann. Zur Abschätzung des Effekts einer Therapie und der Compliance sind die Knochenumbaumarker gut geeignet.

Knochenmineraldichtemessung

Die Osteodensitometrie mittels DXA-Methode wird als Standardverfahren empfohlen und stellt die Grundlage der radiologischen WHO-Klassifizierung dar [13]. Die Messung erfolgt an der LWS (LWK I–IV) und am proximalen Femur. Zur Beurteilung des Frakturrisikos wird der jeweils niedrigste T-Score (Abweichung des Messwerts von einer knochengesunden Vergleichspopulation) herangezogen. Degenerative LWS-Veränderungen, Skoliosen, Verkalkungen der Aorta abdominalis und die Messung frakturierter Wirbelkörper führt zu falsch hohen Mineraldichtemesswerten. Dies muss bei der Beurteilung berücksichtigt werden.

Röntgenuntersuchungen
der BWS und LWS

Die Röntgenuntersuchungen zielen auf die Erfassung des Ausmaßes von Wirbelkörperdeformierungen und -frakturen [14] sowie deren Differenzialdiagnose. Zur Beurteilung des Mineralisations-
grades sind konventionelle Röntgenaufnahmen nicht geeignet, da eine Demineralisation erst bei einem Verlust der Knochenmasse von 30–40 % sichtbar wird. Radiologische Zeichen einer erheblichen Demineralisation sind die Rarefizierung der quer verlaufenden Trabekel mit Hervortreten der Vertikaltrabekel sowie eine generelle Transparenzerhöhung der Wirbelkörper (Rahmenwirbel).

Knochenbiopsie

Die Knochenbiopsie ist kein Bestandteil der Primärdiagnostik der Osteoporose. Anwendung findet sie lediglich noch bei komplizierten Verläufen oder widersprüchlichen Befunden. Sie dient vor allem zur differenzialdiagnostischen Abklärung sekundärer Osteoporosen und metabolischer Osteopathien (z.B. renale Osteodystrophie, M. Paget, fibröse Dysplasie, Mastozytose, Lymphom). In der unentkalkt verarbeiteten Beckenkamm-Biopsie sind Knochenmark und strukturelle Parameter (Kortikalis- und Trabekeldicke, Osteoklasten, Osteoblasten, Howshipsche Lakunen, Osteoidsäume) sowie – bei vor dem Eingriff erfolgter Gabe von OTC – dynamische Parameter zu erfassen (Mineralisationsaktivität, Mineralappositionsrate, Knochenformationsrate) [15].

Prophylaxe

Eine generelle Prophylaxe der Osteoporose und damit assoziierter Frakturen mit spezifischen Medikamenten gibt es nicht. Die allgemeinen Maßnahmen zur Osteoporose- und Frakturprophylaxe sind daher stets kontinuierlich anzuwenden. Prinzipiell gilt, dass körperliche Belastung einen anabolen Effekt auf den Knochenstoffwechsel zur Folge hat. Dies kann die Knochenmasse erhalten oder sogar zu einem Anstieg der Knochenmasse führen. Immobilisation führt hingegen zu einem Verlust an Knochenmasse. Allgemeine Maßnahmen zur Osteoporose- und Frakturprophylaxe beinhalten die Schulung der Koordination, das Training der Muskelkraft und die Vermeidung von Stürzen. Bezüglich Ernährung und Lebensstil ist u.a. calciumreiche Kost, eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D und die Vermeidung von Untergewicht erforderlich. Außerdem sollte geprüft werden, inwiefern osteoporosefördernde Medikamente eingenommen werden: sedierend bzw. orthostatisch wirkende Medikamente, orale Glukokortikoide, TSH < 0,3 mU/l unter L-Thyroxin-Therapie (Ausnahme Schilddrüsen-Karzinom) und Multimedikation: > 4 Medikamente [12].

Therapie

Indikationen zur Therapie

Während früher der Schwellenwert für eine spezielle osteologische Therapie bei einem T-Score von –2,5 SD lag, hat sich nach Berücksichtigung aktueller Untersuchungen zur (In-)Effektivität einer prophylaktischen Therapie dieser Wert zu höheren T-Scores hin verschoben. Risikofaktoren mit einem hohen Osteoporosepotenzial (z.B. bestehende Wirbelkörper- oder periphere Fraktur, Femurfraktur bei einem Elternteil, Vorliegen einer peripheren Fraktur) modifizieren diesen Grenzscore (s. Tab. 4).

Basis für eine Therapieentscheidung ist ein hohes aktuelles Frakturrisiko und ein hohes absolutes Risiko (im Vergleich zur Normalpopulation mehr als 30 % erhöht), innerhalb der nächsten 10 Jahre eine Wirbelkörper- oder Hüftfraktur zu erleiden.

Entscheidend für die Effektivität einer medikamentösen Therapie ist die Sicherung einer regel- und vorschriftsmäßigen Einnahme, die Verhinderung eines Calcium- und/oder Vitamin-D-Mangels sowie die körperliche Aktivität des Patienten. Während die erforderliche Calciumdosis von 1–1,2 g/d über eine bewusst gestaltete Nahrungszufuhr zu realisieren ist, ist die Aufnahme von Vitamin D aus der Nahrung oder die Anregung der Synthese durch UV-Lichteinwirkung auf die Haut unsicher und in vielen Fällen ineffizient. Hier ist eine orale Supplementation erforderlich, wobei die Höhe der Initialdosis vom Serumspiegel abhängig ist. Der anzustrebende Vitamin-D-Spiegel (25-OH-Vitamin D) im Serum liegt bei 30 ng/ml bzw. 75 nmol/l. Ein fraktursenkender Effekt für hüftgelenknahe Frakturen (um ca. 30 %) durch die alleinige Gabe von Calcium und Vitamin D konnte für Bewohner von Altenheimen gezeigt werden [16].

Medikamentöse Therapie

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