Übersichtsarbeiten - OUP 12/2013

Osteosyntheseverfahren in der Kinder- und Jugendtraumatologie

C. Illian1, B. Veigel2, C. Chylarecki1

Zusammenfassung: Die Behandlung von Frakturen im Wachstumsalter gehört zu den alltäglichen Aufgaben eines jeden (Unfall-)Chirurgen und Orthopäden. Nichtsdestotrotz stellt die Versorgung eine Herausforderung dar, da spezifische Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich sind. Dass Frakturen bei Kindern immer heilen, ist ein Trugschluss. Entscheidend ist zunächst nicht die Wahl des Osteosyntheseverfahrens, sondern ob eine Fraktur konservativ oder operativ versorgt werden kann. Hierbei konkurrieren beide Verfahren nicht, sondern ergänzen sich viel mehr. Faktoren, die das Behandlungsregime beeinflussen, sind Alter, Gewicht und Größe des Patienten sowie die Art und die Lokalisation der Fraktur. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass durch die Entwicklung sicherer, minimalinvasiver Techniken bei der operativen Versorgung kindlicher Frakturen mittlerweile ein stärkeres Gewicht zugesprochen wird. Hierdurch werden sowohl Heilverlauf als auch Krankenhausaufenthalt häufig deutlich verkürzt. Obwohl die Durchführung der einzelnen Verfahren gut zu erlernen ist, ergeben sich nicht selten Komplikationen, die vermeidbar wären.

Im folgenden Artikel werden die Grundlagen der kindgerechten Behandlung dargelegt, die Voraussetzung für ein
optimales Behandlungsergebnis sind.

Schlüsselwörter: Osteosyntheseverfahren bei Kindern, Fixateur externe, ESIN, K-Draht, Schraubenosteosynthese, lateraler
Femurnagel für Jugendliche, konservatives Behandlungsregime

 

Zitierweise

Illian C, Veigel B, Chylarecki C: Osteosyntheseverfahren in der
Kinder- und Jugendtraumatologie.
OUP 2013; 12: 578–583. DOI 10.3238/oup.2013.0578–0583

Abstract: The treatment of fractures in children is part of every (trauma-)surgeon’s and orthopaedist’s daily work. Nevertheless, many physicians are facing a huge challenge in the therapy when treating children, since they are lacking the necessary experience and knowledge. It is a common misconception to believe that fractures in children always heal. Only after an initial decision as to whether the fracture is treated conservatively or operatively the choice of an appropriate osteosynthesis technique is possible. Various factors such as the age, weight and size of the patient as well as the fracture morphology and location have to be taken into consideration. In recent years, the operative treatment of fractures in children has become more common, as a result of the development of modern, minimally invasive osteosynthesis techniques. In many cases this has reduced the duration of recovery and of hospitalisation for many patients. Even though it is well possible to acquire the skills required for carrying out osteosynthesis, avoidable complications are not uncommon.

This article describes the basics of child-oriented treatment, essential for an optimal outcome.

Keywords: osteosynthesis in children, external fixation, ESIN, Kirschner-wiring, screw osteosynthesis, adolescent lateral femoral nail, conservative treatment

 

Citation

Illian C, Veigel B, Chylarecki C: Osteosynthesis in children and adolescents. OUP 2013; 12: 578–583. DOI 10.3238/oup.2013.0578–0583

Einleitung

Die Frakturbehandlung im Wachstumsalter unterscheidet sich aufgrund der noch offenen Wachstumsfugen erheblich von der Erwachsener. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Die Aussage, dass Frakturen bei Kindern und Jugendlichen immer heilen, ist ein Trugschluss.

In den letzten Jahren wurde der operativen Versorgung kindlicher Frakturen ein stärkeres Gewicht zugesprochen. Dieser Trend beruht u.a. auf der Entwicklung sicherer, minimalinvasiver Techniken, die es ermöglichen, den Heilverlauf und Krankenhausaufenthalt zum Teil deutlich zu verkürzen. Während früher Femurfrakturen über mehrere Wochen in Extensionslage behandelt wurden, können heute Kinder, die diese Verletzung erlitten haben, nach operativer Stabilisierung das Krankenhaus meist schon nach wenigen Tagen verlassen. Unannehmlichkeiten z.B. bei der pflegerischen Versorgung eines Beckenbeingipses, psychische Belastungen, die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer sekundären Dislokation im Gips sowie der Wunsch vieler Eltern, ein perfektes Ergebnis für Ihr Kind zu erreichen, erhöhen die Tendenz zu einem eher operativen Behandlungsregime [21, 18].

Die Frakturversorgung von Kinder und Jugendlichen stellt für viele Ärzte stellt eine Herausforderung bei der täglichen Arbeit dar, da spezielle Kenntnisse erforderlich sind, die nicht selten fehlen [28].

Wunsch der meisten Kinder und Jugendlichen ist es, mit geringstmöglichen Schmerzen und Aufwand eine zeitnahe Heilung und somit eine schnellstmögliche Rückkehr zu den Aktivitäten des täglichen Lebens zu erfahren [9].

Behandlungsregime

Es gibt diverse zu berücksichtigende Faktoren, die entscheidend sind, ob ein konservatives oder ein operatives Vorgehen eingeschlagen wird [5, 13, 14, 23, 29, 30]. Hierzu gehören:

  • das Patientenalter,
  • das Gewicht und die Größe des Patienten,
  • die Art der Fraktur,
  • die Frakturlokalisation,
  • die Rahmenbedingungen.

Das Patientenalter

Das biologische Patientenalter und somit die Fugenreife ist einer der wichtigsten Aspekte bei der Planung zur Versorgung kindlicher Frakturen. Die Therapie eines Kindes im Kindergartenalter etwa unterscheidet sich komplett von der eines z.B. 12- bis 14-Jährigen, da gleichzeitig mit dem Älterwerden das Korrekturpotenzial des Knochens abnimmt. Ebenfalls besteht ein Zusammenhang zwischen dem Patientenalter und ob eine Fraktur eine stimulative oder hemmende Wachstumsstörung verursacht.

Während meist eine 3–4-wöchige Gipsbehandlung bei Kindern bis zum 10. Lebensjahr ausreicht, verlängert sich die Dauer bei über 10-Jährigen auf 5–6 Wochen [21, 29].

Das Gewicht und die Größe des Patienten

In der Literatur findet sich eine Vielzahl an Untersuchungen, die gezeigt haben, dass das Gewicht und die Größe des Patienten einen direkten Einfluss auf das Behandlungsoutcome kindlicher Frakturen haben. So zeigte eine Multicenterstudie, welche die Behandlung kindlicher Femurfrakturen untersuchte, die mittels intramedullärer Nagelung versorgt wurden, ein 5-mal schlechteres Endergebnis bei schweren Kindern mit einem Körpergewicht über 49 kg, im Vergleich zu leichteren Kindern[17]. Heutzutage sind 12–14-jährige Jugendliche nicht selten so groß und so schwer wie Erwachsene, sodass sich die operativen Vorgehensweisen beider Altersgruppen häufig ähneln und auch angepasst werden müssen.

Die Art der Fraktur

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