Übersichtsarbeiten - OUP 12/2013
Osteosyntheseverfahren in der Kinder- und Jugendtraumatologie
Mögliche Indikationen zur Schraubenosteosynthese sind epiphysäre und metaphysäre Frakturen aller Lokalisationen wie z.B.:
- Frakturen des Condylus radialis,
- Übergangsfrakturen der distalen Tibia.
Komplikationen
Bei der Versorgung von Frakturen im Wachstumsalter mittels Schraubenosteosynthese sind grundsätzlich alle Formen von Komplikationen denkbar. Durch das meist minimalinvasive Einbringen der Schrauben ist das Risiko einer Nerven-, Gefäß- und/oder Sehnenverletzung nicht klein. Untersuchungsergebnisse hierüber sind in der internationalen Literatur jedoch nur vereinzelt zu finden.
Die meisten publizierten Komplikationen hängen direkt mit der Verletzung selbst zusammen. Bei der Übergangsfraktur der distalen Tibia z.B. sind Wachstumsstörungen unwahrscheinlich, da die Wachstumsfuge bereits teilverschlossen ist und somit erst diese Frakturform ermöglicht [2]. Veröffentlichungen über die Entstehung einer posttraumatischen Arthrose nach nicht anatomischer Reposition und inadäquater Schraubenosteosynthese bei Übergangsfrakturen finden sich nicht. Eine der häufigsten Komplikationen nach Fraktur des Condylus radialis sind die Varusdeformität sowie die Entstehung einer Pseudarthrose. Durch die Kompressionsschraubenosteosynthese kann das Risiko der Entstehung eines varischen Mehrwachstums nahezu vermieden werden [3, 29].
Lateraler Femurnagel für
Jugendliche
Seit kurzem ist ein Nagelsystem auf dem Markt, das speziell für Patienten entwickelt wurde, die für die Frakturbehandlung des Femurs mittels ESIN zu groß und/oder zu schwer sind. Der laterale Femurnagel für Jugendliche (adolescent lateral femoral nail [ALFN])wirkt als eine Art innere Schiene, die Mikrobewegungen der Fragmente zulässt und so die Kallusbildung fördert. Postoperativ ist die Fraktur voll belastbar [29].
Mögliche Indikationen des ALFN sind:
- Frakturen und Pseudarthrosen des Femurschafts,
- subtrochantäre Femurfrakturen,
- pathologische Frakturen des Femurs.
Komplikationen
Die Frakturenversorgung im Wachstumsalter mittels ALFN stellt ein recht neues Verfahren dar, so dass sich in der internationalen Literatur nur wenige Erfahrungsberichte und keinerlei Langzeitergebnisse finden. Erste Zahlen zeigen jedoch ein gutes und vielversprechendes Outcome. Die bisher beobachtete postoperative Infektionsrate lag bei 2,5 % [8].
Fazit
Zur Behandlung kindlicher Frakturen stehen eine Vielzahl verschiedener minimalinvasiver Verfahren zur Verfügung. Hierbei sind die Kirschner-Draht-Stabilisierung, die elastisch stabile intramedulläre Nagelung (ESIN), die Fixateur-externe-, die Schraubenosteosynthese und der laterale Femurnagel für Jugendliche zu nennen. Bei der Wahl des Osteosyntheseverfahrens spielen weitere Faktoren eine wesentliche Rolle, die die Grundlage einer adäquaten Therapieplanung bilden. Hier fließen das Alter, die Größe und das Gewicht des Patienten sowie die Frakturart und -lokalisation mit ein. Konservative und operative Vorgehensweisen konkurrieren nicht, sondern ergänzen sich. Um nicht schicksalhafte Komplikationen zu vermeiden, muss der behandelnde Arzt sämtliche konservative wie auch operative Verfahren beherrschen. All dies ist Voraussetzung einer erfolgreichen und kindgerechten Behandlung, die dem Patienten eine schmerzfreie und zügige Heilung und somit eine schnellstmögliche Rückkehr zu den Aktivitäten des täglichen Lebens ermöglicht.
Interessenkonflikt: Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Christian H. Illian
Klinik für Unfallchirurgie und
Orthopädie,
Bethanien Krankenhaus für die
Grafschaft Moers,
Bethanienstraße 21
47441 Moers
christian.illian@bethanienmoers.de
Literatur
1. Boyden EM, Peterson HA. Partial premature closure of the distal radial physis associated with Kirschner wire fixation. Orthopedics. 1991; 14: 585–588
2. Crawford AH. Triplane and Tillaux fractures: is a 2 mm residual gap acceptable? J Pediatr Orthop. 2012: 32 Suppl 1: 69–73
3. Hasler C, von Laer L. Screw osteosynthesis in dislocated fractures of the radial condyle of the humerus in the growth period. A prospective long-term study. Unfallchirurg 1998; 101: 280–286
4. Ho CA, Skaggs DL, Tang CW, Kay RM. Use of flexible intramedullary nails in pediatric femur fractures. J Pediatr Orthop 2006; 26: 497–504
5. Illian CH, Veigel B, Rixen D. Versorgungsmöglichkeiten kindlicher Frakturen: Welche Verfahren stehen zur Verfügung? Trauma Berufskrankh 2012; 14: 232–238
6. Jester A, Fluegel A, Germann G, Oestrich K. Ulnarisläsion nach Osteosynthese der supracondylären Humerusfraktur im Kindesalter. Unfallchirurg 2006; 109: 1090–1093
7. Jubel A, Andermahr J, Prokop A, Bergmann H, Isneberg J, Rehm KE. Pitfalls und Komplikationen der elastisch stabilen intramedullären Nagelung (ESIN) von Femurfrakturen im Kindesalter. Unfallchirurg 2004; 107: 744–749
8. Keeler KA, Dart B, Luhmann SJ, Schoenecker PL, Ortman MR, Dobbs MB, Gordon JE. Antegrade intramedullary nailing of pediatric femoral fractures using an interlocking pediatric femoral nail and a lateral trochanteric entry point. J Pediatr Orthop 2009; 29: 345–351
9. Kraus R, Wessel L. The treatment of upper limb fractures in children and adolescents. Dtsch Arztebl Int 2010; 107: 903–910
10. Laurer H, Sander A, Wutzler S, Walcher F, Marzi I. Therapieprinzipien distaler Unterarmfrakturen im Kindesalter. Chirurg 2009; 80: 1042–1052
11. Lieber J, Sommerfeldt DW. Diametaphyseal forearm fracture in childhood. Pitfalls and recommendations for
treatment. Unfallchirurg 2011; 114: 292–299
12. Ligier JN, Métaizeau JP, Prévot J, Lascombes P. Elastic stable intramedullary pinning of long bone shaft fractures
in children. Z Kinderchir 1985; 40: 209–212
13. Marzi I. Kindertraumatologie, Darmstadt: Steinkopf, 2006
14. Mayr J. Behandlung von Frakturen des distalen Radius im Wachstumsalter. Eur. Surg. 2002; 34: 184: 28–33