Übersichtsarbeiten - OUP 09/2019

Osteotomien bei patellofemoraler Dysbalance

Die Versetzung des Patellarsehnenansatzes mit knöchernen Span (Tuberositas-Osteomie) stellt die „kleinste Form“ der Osteotomie bei patellofemoraler Dysbalance dar. Die zugrunde liegende Pathologie ist hier eine zu lateral laufende Patella aufgrund einer Erhöhung des TTTG-Abstands (Tuberositas-tibiae-Trochlea-Groove-Abstand). In den letzten Jahrzehnten sind hier verschiedenste OP-Techniken beschrieben worden. Die meisten Techniken beschreiben eine Medialisierung der Tuberositas. Schlechte Ergebnisse werden nach Überkorrekturen berichtet, diese führen zu einer Erhöhung des medialen Anpressdrucks im Patellofemoralgelenk.

Die Technik der Ventralisation der Tuberositas zur Entlastung des femoropatellaren Anpressdrucks hat sich nicht durchgesetzt.

Ein systematisches Review aus dem Jahr 2016 [9] identifiziert 38 Studien mit 1182 Knien mit Tuberositas-Osteotomien in verschiedenen Techniken. Alle berichten von klinisch guten Ergebnissen.

Eine Sonderform stellt die Tuberositas-Distalisierung bei Patella alta dar. Aufgrund der zu hoch stehenden Patella fährt diese bei Flexion erst spät in die sichere femorale Führungsrinne. Zum einen führt dies zur Instabilität, zum anderen zu Knorpelschäden meist vor allem am Apex der Patella. Therapie der Wahl ist hier eine Tuberositas-Osteotomie mit nachfolgender Distalisierung (Abb. 1). Diese sollte bei maximal 8 mm liegen, höhere Distanzen führen dann zu Erhöhung des patellofemoralen Anpressdrucks und hiermit zu schlechteren Ergebnissen. Die Studienlage hierzu ist spärlich. 2 Fallserien hierzu mit 26 [5] bzw. 12 [12] Eingriffen wurden publiziert. Eine signifikante Schmerzreduktion und eine Erhöhung der Stabilität werden berichtet. Die Osteosynthese kann meist mit 2 Schrauben durchgeführt werden, einige Operateure bevorzugen Plattenosteosynthesen. Die Nachbehandlung erlaubt die Vollbelastung in Streckstellung mit Orthesenversorgung mit stufenweiser Freigabe der passiven Beweglichkeit des Kniegelenks auf einer CPM-Schiene.

Trochleaplastik

Die Trochleadysplasie stellt sicherlich die schwerwiegendste Deformität des Patellofemoralgelenks dar. Sehr oft führt sie zu permanenten Patellaluxationen, hochgradigen Knorpelschäden in jungen Jahren mit nachfolgend arthrotisch schwer veränderten Gelenken oft schon im 4. Lebensjahrzehnt (Abb. 2).

Die Therapie der Wahl ist die Trochleaplastik. Die erste Beschreibung von Henri Dejour aus dem Jahr 1990 ging dann auch mit der Klassifikation der Tochterdysplasie einher. In unserem Haus wird die Trochleaplastik in der Technik nach Bereiter ausgeführt [10]. Hierbei wird die osteochondrale Oberfläche der Trochlea mit Meißeln abpräpariert, nachfolgend erfolgt die v-förmige Osteotomie der Laufrinne. Die osteochondrale Lamelle wird danach mit Ankersystemen sowie resorbierbaren Vicrylfäden auf die neue Laufrinne gepresst (Abb. 3). Fast immer muss aufgrund der chronischen Instabilität die Trochleaplastik mit einer MPFL-Plastik kombiniert werden. Die Nachbehandlung erlaubt die Vollbelastung in Streckstellung mit Orthesenversorgung mit stufenweiser Freigabe der aktiven und passiven Beweglichkeit des Kniegelenks.

Die Ergebnisse sind in verschiedenen teilweise langjährigen Nachuntersuchungen publiziert [11, 14]. Es wird durchaus über eine hohe Anzahl von Arthrosen im Verlauf berichtet. Dennoch gilt hier zu bedenken, dass ohne operative Therapie diese Kniegelenke sehr oft schon in einem Alter von unter 40 Jahren mit einem femoropatellaren Teilersatz versorgt werden müssen.

Varisationsosteotomie

Die zugrunde liegende Pathologie ist das Genu valgum. Dies führt zu einer Verlagerung der Tragachse nach lateral, hiermit zu einer Lateralisation der Patella mit nachfolgender Instabilität, Schmerz und Knorpelschädigungen. Die Therapie der Wahl ist eine Korrektur der Frontalachse. Meist (jedoch keinesfalls immer) ist die Valgusdeformität femoral angesiedelt. Der Autor bevorzugt aufgrund der höheren Stabilität und der besseren Knochenheilung in die von medial zuklappende biplanare suprakondyläre Varisationsosteotomie [8] ( Abb. 4). Die Osteosynthese kann mittels winkelstabiler Platte oder auch mit einer Klingenplatte ausgeführt werden. Publikationen zur Therapie der lateralen Gonarthrose durch Varisationsosteotomien finden sich häufig. Die Therapie der patellofemoralen Dysbalance bei Genua valga mittels Varisationsosteotomie wird jedoch in der Literatur deutlich seltener beschrieben. Hinterwimmer et al. [7] zeigen die Operationstechnik 2012 in einer Publikation im Unfallchirurgen, auch kombiniert mit Torsionsosteotomien.

2018 publizierten wir eine Kohorte von 16 Patienten mit patellofemoraler Dysbalance aufgrund von Genua valga [2]. 11 Patienten zeigten präoperativ rezidivierende Patellaluxationen. Bei einem präoperativen Valgus von durchschnittlich 5,7° (4–10°) wurde die Therapie mit varisierenden Osteotomien (alle femoral) durchgeführt. In der Nachuntersuchung nach 43 Monaten zeigten sich eine signifikante Reduktion des Schmerzes, eine Verbesserung der klinischen Scores und keine Reluxation. Die Nachbehandlung beinhaltete eine 4-wöchige Teilbelastung mit 20 kg ohne Limitierung der Bewegung mit nachfolgender Aufbelastung innerhalb von 2 Wochen.

Torsionsosteotomie

Die wohl am häufigsten nicht diagnostizierte Deformität als Ursache der patellofemoralen Dysbalance ist die Torsionsdeformität. Hierbei führt die erhöhte femorale Innentorsion bzw. tibiale Außentorsion zur einer Lateralisationstendenz der Patella, nachfolgend zu Instabilität und Schmerz.

Bei klinischen Auffälligkeiten ( Abb. 5) wird die Diagnostik um ein Torsionswinkel CT bzw. MRT ergänzt. Die Torsionsosteotomie stellt dann die Therapie der zugrunde liegenden Pathologie dar. Cook beschrieb das Phänomen 1990 und nannte das klinische Erscheinungsbild „Inwardly pointing knee“ [1]. Sowohl die femoralen Außentorsions-Osteotomien [3] (Abb. 6 ) als auch die tibialen Innentorsionsosteotomien [4] zeigen in den Nachuntersuchungen eine signifikante Schmerzreduktion, deutliche Verbesserungen der klinischen Scores sowie keine Reluxation. Die operative Therapie besteht aus einer Torsionskorrektur. Die vorher ausgemessenen Torsionen werden mittels Schanzschrauben visualisiert, die Osteotomie wird – anders als bei den gängigen Korrekturen der Frontalachse – im 90°-Winkel zur mechanischen Achse durchgeführt. Eine kniegelenknahe tibiale Innentorsionskorrektur bringt immer das Risiko einer Peronäus-Schädigung oder eines Kompartmentsyndroms mit sich. Vorsichtiges Weichteilmanagement intraoperativ und Kompartmentüberwachung postoperativ sind hier angezeigt. In einigen Fällen sind sowohl die femorale Innen- als auch die tibiale Außentorsionsdeformitäten nachzuweisen. Die Therapie der Wahl muss dann in einer bifokalen Torsionsosteotomie bestehen ( Abb. 7 ). Die Nachbehandlung beinhaltet analog zur Korrektur in der Frontalebene eine 4-wöchige Teilbelastung mit 20 kg ohne Limitierung der Bewegung mit nachfolgend Aufbelastung innerhalb von 2 Wochen.

Zusammenfassung

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