Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016
Pathologische Deformitäten der Kleinzehen und Korrekturmöglichkeiten
Im Falle einer Krallenzehe, die als Epiphänomen einer neurologischen Grunderkrankung wie z.B. der Friedreichschen Heredoataxie auftritt, kann im Falle einer noch nicht kontrakten Deformität zur Korrektur eine plantare Beugesehnenanheftung am Grundglied (Tenodese), wie von Görres 1921 beschrieben [4], zur Anwendung kommen.
Malletzehe
Zur operativen Korrektur der Malletzehe oder Endgliedhammerzehe empfiehlt sich eine Resektionsarthroplastik in Analogie zur Operation der fixierten Mittelgliedhammerzehe. Allein weichteilige Verfahren haben sich hier nicht bewährt. Das Operationsergebnis sollte durch eine temporäre Kirschner-Draht-Fixation für 3 Wochen gesichert werden.
Curly Toe
Als Ursache einer Curly Toe wird eine Kontraktur der langen Zehenbeugersehne gesehen. Sollte eine Korrektur im Kindesalter infolge Entwicklung von Druckstellen erforderlich werden, so kann eine Tenotomie der langen Beugesehne vorgenommen werden.
Bei ausgeprägteren Befunden insbesondere im Erwachsenenalter ist ein Beugesehnentransfer in der obig beschriebenen Technik indiziert.
Digitus quintus varus
Bei alleiniger Malposition der Kleinzehe ohne Beteiligung des Zehengrundgelenks unter Ausbildung einer Pseudexostose kann die Fehlstellung durch einen Sehnentransfer rebalanciert werden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen einem Digitus quintus varus subductus sowie einer Superductusfehlstellung.
Im Falle der ersteren ist ein Transfer der langen Beugesehne nach fußrückenwärts vorteilhaft. Die Superductusfehlstellung kann durch eine Versetzung der langen Strecksehne, die auf dem Fußrücken durchtrennt und dann um das Grundglied geschlungen wird, korrigiert werden [9, 11, 12, 15].
Bunionette
Findet sich im Röntgenbild ein vergrößerter Winkel zwischen 4. und 5. Metatarsale, so kommt es am Fuß zur Ausbildung eines Kleinzehenballens, auch Schneiderballen oder Bunionette genannt. Hier sind knöcherne Korrektureingriffe am 5. Metatarsale, meist analog zur Chevron-Osteotomie am MTP I, zur dauerhaften Korrektur erforderlich [16].
Nachbehandlung
Fußchirurgische Operationen werden heutzutage vielfach unter tageschirurgischen Bedingungen durchgeführt. Bereits beim Aufklärungsgespräch empfiehlt sich dringend, auf die postoperativen Verhaltensmaßregeln einzugehen und dies auch schriftlich zu dokumentieren.
Zur Sicherung der Operation sollte je nach Ausmaß ein Vorfußentlastungsschuh oder Verbandsschuh bis zur gesicherten knöchernen Konsolidation getragen werden, bei alleinigen Weichteileingriffen für etwa 4–5 Wochen.
Eine Thrombembolieprophylaxe durch Gabe niedermolekularer Heparininjektionen bis zur gesicherten Teilmobilisation, d.h. mindestens 20 kg Teilbelastung des operierten Fußes unter Einsatz der „Muskelpumpe“ der Wadenmuskulatur, muss gewährleistet sein. Vor allem bei ambulanter Vorgehensweise ist der Patient zur Hochlagerung des operierten Fußes unmittelbar postoperativ zur Vermeidung einer übermäßigen Schwellung anzuhalten.
Fazit für die Praxis
Die Fußchirurgie verfügt heutzutage auch bei Kleinzehendeformitäten über ein differenziertes Spektrum operativer Eingriffe, mit denen jede Fehlstellung stadiengerecht korrigiert werden kann. Besonderes Augenmerk wird hierbei, wie auch bei Korrektureingriffen an der Großzehe, auf funktionelle Gesichtspunkte gelegt. Begonnen werden muss der Korrektureingriff immer am „Angelpunkt“ der Deformität, beispielsweise bei der Korrektur der Krallenzehe am Zehengrundgelenk.
Wann immer möglich, sollte bei flexiblen Deformitäten ein weichteiliger Eingriff in Erwägung gezogen werden. Insbesondere resezierende Operationen der Grundgliedbasis oder des Metatarsaleköpfchens sind bei degenerativen Zehenfehlstellungen als obsolet anzusehen, da sie zu irreversiblen Störungen der Biomechanik des Fußes führen. Sie haben ihren Platz zum Teil bei der Korrektur der rheumatischen Vorfußdeformität.
Auf der anderen Seite ist die Beachtung der Indikationsgrenzen erforderlich, um Misserfolge zu vermeiden, die nicht selten einen operativen Zweiteingriff erforderlich machen.
Interessenkonflikt: Keine angegeben
Korrespondenzadresse
Dr. med. Heino Arnold
Orthopädisches Zentrum Fichtelgebirge
Zentrum für Fußchirurgie Hochfranken
95111 Rehau, Bahnhofstraße 10–12
95615 Marktredwitz, Jean-Paul-Straße 10–12
orthopaedie_rehau@t-online.de
Literatur
1. Arnold H, Kundert HP,Trnka HJ, Waizy H, Walther M: Klassifikation der Kleinzehendeformitäten sowie der Fehlstellungen am fünften Strahl – Ergebnisse der Kleinzehenkonsensuskonferenz auf der 21. Jahrestagung der D.A.F. eV. Fuß und Sprunggelenk, in press, online 20 April 2016
2. Arnold H: Kleinzehendeformitäten. Orthopäde 2005; 34: 758–766
3. Hohmann G: Der Hallux valgus und die übrigen Zehenverkrümmungen. Ergeb. Chir. Orthop. 1925; 18: 308–376
4. Breitenfelder J, Rütt A: Zehendeformitäten. in Witt AN, Rettig H, Schlegel KF (Hrsg.): Orthopädie in Praxis und Klinik, Band VII, Stuttgart: Thieme Verlag 1985: 3.123–3.149
5. Fuhrmann RA, Roth A: Kleinzehendeformitäten: Kondylenresektion an Grund- und Mittelphalanx. in Wülker N, Stephens M, Crachiollo III Andrea, (Hrsg.) Operationsatlas Fuß und Sprunggelenk, Stuttgart: Enke-Verlag, Stuttgart: 77–83
6. Hipp E.G, Plötzl W, Thiemel G: Orthopädie und Traumatologie, Stuttgart: Thieme Verlag, 2003: 800–802
7. Mann RA, Coughlin MJ: Lesser toe deformities. In: Jahss MH et. al.: Disorders of the Foot, 2nd ed. Philadelphia: WB Saunders, 1990,
8. Fallot LM, Buckholz J: An analysis of the tailor’s bunion byradiographic and anatomical display. J Am Podiatr Surg 1980; 70: 597–603
9. Harris NJ, Smith TWD: Digitus quintus varus: Weichteileingriffe. in Wülker N, Stephens M, Crachiollo III Andrea (Hrsg.): Operationsatlas Fuß und Sprunggelenk, Stuttgart: Enke-Verlag 1998: 101–105
10. Rammelt S, Amlang M, Zwipp H: Standardröntgendiagnostik an Fuß und Sprunggelenk. Fuß und Sprunggelenk (2010; 8: 80–86
11. Girdlestone GR: Physiotherapy for hand and foot. J Chartered Soc Physiotherapy 1947; 32: 167
12. Taylor RG: The treatment of claw toes by multiple transfer of flexor into extensor tendons. J Bone Joint Surg 1951; 33B: 539–542