Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Patientenzufriedenheit und -adhärenz im Integrierten Versorgungsmodell Osteoporose Nordrhein
Ergebnisse einer Stichprobenbefragung

Christopher Niedhart1, Melanie May2, Henning Tilmes2, Christoph Eichhorn3

Zusammenfassung: Im Rahmen eines Integrierten Versorgungs-Modells bei Osteoporose sollten Krankheitslast und Adhärenz der Patienten mittels eines hierfür entwickelten Fragebogens eruiert werden. 424 Patienten wurden befragt, der Rücklauf betrug 53,3 %. Das Alter lag im Median bei 75 Jahren, die Osteoporose war im Schnitt seit 8,9 Jahren bekannt, seit 6,7 therapiert. Der aktuelle Gesundheitszustand wurde als mittelmäßig bis sehr schlecht angegeben. Im Gegensatz zu den Ergebnissen anderer Studien fühlten sich 87,2 % über das Krankheitsbild und die Therapie adäquat informiert, 57,1 % konnten unter der bisherigen Therapie ihren Alltag wieder besser bewältigen als zuvor.

Damit ist nachgewiesen, dass das Programm in der Lage ist, die Patientenadhärenz zu fördern und einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten hat.

Schlüsselwörter: Osteoporose, Integrierte Versorgung,
Patientenadhärenz

Zitierweise
Niedhart C, May M, Tilmes H, Eichhorn C. Patientenzufriedenheit und -adhärenz im Integrierten Versorgungsmodell Osteoporose Nordrhein. Ergebnisse einer Stichprobenbefragung.
OUP 2015; 11: 000–000 DOI 10.3238/oup.2015.0000–0000

Summary: In the context of an integrated healthcare model for osteoporosis, disease burden and patient adherence were evaluated using a specifically developed questionnaire. 424 patients were asked; the response rate was 53.3 %. Median age of patients was 75 years; osteoporosis was known since 8.9 years and treated since 6.7 years, averaged. The actual health status was described as mediocre to very bad. In contrast to other study results, 87.2 % felt adequately informed about disease and treatment options, 57.1 % were able to cope their daily lives better than before.

We showed, that an integrated healthcare model for osteoporosis can improve patient adherence and quality of live.

Keywords: osteoporosis, integrated health care, patient
adherence

Citation
Niedhart C, May M, Tilmes H, Eichhorn C. Qualitiy of life and patients adherence in integrated healthcare model for osteoporosis.
Results of a questionnaire
OUP 2015; 11: 000–000 DOI 10.3238/oup.2015.0000–0000

Osteoporose ist eine chronische Erkrankung, die bei Vorliegen von Frakturen in der Regel eine deutliche Reduktion der Lebensqualität mit sich bringt.

Eine deutliche Unterversorgung der Osteoporose in Deutschland ist bekannt. Seit dem Jahr 2005 existiert in Nordrhein ein Integriertes Versorgungsmodell zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose. Im Rahmen dieses Versorgungsmodells konnte wiederholt nachgewiesen werden, dass insbesondere durch die Verbesserung der Patienten-Adhärenz die Rate an osteoporosespezifischen Frakturen vermindert werden kann [1, 2].

Adhärenz bezeichnet das Ausmaß, zu dem das Verhalten einer Person hinsichtlich Medikamenteneinnahme, Diätbefolgung und/oder Lebensstiländerungen mit den vereinbarten Empfehlungen eines medizinischen Behandlers übereinstimmt [3]. Im Unterschied zur Compliance werden Patienten im Adhärenzkonzept als aktive Partner betrachtet, deren Zustimmung zu den ärztlichen Empfehlungen nötig ist [4].

Es ist bekannt, dass im Rahmen einer Osteoporose die Lebensqualität und Zufriedenheit der betroffenen Patienten reduziert ist [5, 6].

Im Rahmen des Integrierten Versorgungsmodelles Osteoporose Nordrhein wurde (gem. § 284 Abs. 1 Nr. 13 in Verbindung mit § 140 a ff. SGB V) ein Fragebogen entwickelt, der Auskunft geben sollte über den allgemeinen Zustand der betroffenen Patienten, ihre Krankheitslast, ihre Adhärenz sowie die subjektiven Eindrücke der Patienten über das Versorgungsmodell. Zur Überprüfung des Fragebogens wurde dieser nach einer internen Evaluation auf Verständlichkeit zunächst an einem kleineren Kollektiv der Region Aachen überprüft. Die Ergebnisse sind im Folgenden dargestellt.

Material und Methoden

Der verwendete Fragebogen ist in Abbildung 1 dargestellt. Im Februar 2014 wurde der Fragebogen allen in der Region Aachen eingeschriebenen Patientinnen und Patienten postalisch zugestellt und um Beantwortung der Fragen sowie Rücksendung gebeten. Ein Freiumschlag lag bei. Die Auswertung des Fragebogens erfolgte durch die AOK Rheinland/Hamburg (RH). Eine Validierung des Fragebogens erfolgte vorab intern durch die AOK RH. Fehlende Angaben, „missings“, wurden gesondert ausgewertet.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 424 Fragebögen versandt. 226 Bögen wurden zurückgeschickt, was einer Rücklaufquote von 53,3 % entspricht.

90,7 % der Teilnehmer waren weiblich, das Alter betrug im Median 75 Jahre (49–98 Jahre). Die Osteoporose war im Durchschnitt seit 8,9 Jahren bekannt (1–51 Jahre), eine Therapie der Osteoporose wurde seit durchschnittlich 6,7 Jahren durchgeführt (1–51 Jahre).

Der aktuelle Gesundheitszustand wurde von den Befragten als eher mittelmäßig bis sehr schlecht angegeben (Abb. 2). Der Mittelwert entsprechend dem deutschen Schulnotensystem betrug 3,9.

Die Diagnosestellung erfolgte zu 91,6 % durch einen Facharzt für Orthopädie, zu 3,1 % durch den Hausarzt, durch 4,9 % durch andere Ärzte, insbesondere Rheumatologie (0,4 % keine Angabe).

Ziel der Integrierten Versorgung Osteoporose ist neben der verbesserten Versorgungssituation der Patienten eine Reduktion der Krankenhauseinweisungen aufgrund von Fragilitäts-assoziierten Frakturen. Im Rahmen des Fragebogens sollte überprüft werden, ob die Vermeidung eines Krankenhausaufenthalts auch im Sinne des Patienten liegt. Aus diesem Grunde wurde nach symptomatischen Wirbelkörperfrakturen im letzten Jahr gefragt. 35 Patienten (15,5 %) gaben an, im letzten Jahr einen Wirbelbruch erlitten zu haben. Keiner der Patienten wurde zur stationären Behandlung eingewiesen. 25 Patienten gaben an, mit der ambulanten Therapie zufrieden zu sein, 5 Patienten hätten lieber eine stationäre Behandlung gehabt, 5 Patienten machten keine Angaben.

Zur Verbesserung des Krankheitsverständnisses ist eine adäquate Aufklärung des Patienten über Krankheit und Folgen notwendig. Insbesondere bei Gabe oraler Bisphosphonate ist die Art der Medikamenteneinnahme von entscheidender Bedeutung. Eine adäquate Aufklärung der teilnehmenden Patienten ist Bestandteil der integrierten Versorgung. 87,2 % gaben an, von ihrem behandelnden Osteologen über das Krankheitsbild Osteoporose und die notwendigen Therapiemaßnahmen informiert worden zu sein. 92,0 % gaben an, dass Ihnen die Art der Medikamenteneinnahme erklärt wurde. Die Aushändigung eines persönlichen Osteoporose Passes erfolgte bei 59,3 %.

85,8 % der Befragten gaben an, mit der Behandlung durch den behandelnden Arzt zufrieden zu sein.

15,9 % der Befragten antworteten, die Einnahme der Osteoporosemedikamente schon einmal vergessen zu haben. Die Optimierung der Medikamenteneinnahme mittels persönlichem Gespräch oder Recall-Maßnahmen sind Bestandteil des IV-Vertrags. Von den betroffenen Befragten gaben 86,1 % an, von ihrem behandelnden Arzt an die regelmäßige Einnahme erinnert worden zu sein.

57,1 % der Befragten gaben an, unter der bisherigen Therapie ihren Alltag wieder besser bewältigen zu können. Die Frage, ob sie von der Behandlung im Rahmen des Versorgungsangebots profitiert hätten, wurde von 66,4 % mit Ja beantwortet, 72,6 % würden die Behandlung im Rahmen des Versorgungsangebots weiter empfehlen. Gleichzeitig würden 92,9 % die AOK RH als Krankenkasse weiter empfehlen. Die Internetseite www.kompetenznetzwerk-osteoporose.de war nur 11,1 % bekannt.

Diskussion

International liegt eine Reihe von Veröffentlichungen zur Lebensqualität von an Osteoporose Erkrankten vor [5]. Vor allem Frakturen führen zu einer Reduktion der Lebensqualität [6]. Sowohl körperliche Übungsprogramme als auch eine adäquate soziale Integration führen bei Patientinnen mit Osteoporose zu einer Verbesserung der Lebensqualität [7]. Informationen zur Lebensqualität von an Osteoporose erkrankten Patientinnen und Patienten in Deutschland sind spärlich. Eine Promotion am Institut für Allgemeinmedizin der Charité in Berlin aus dem Jahre 2009 konnte zeigen, dass Patientinnen und Patienten mit Osteoporose ihren Gesundheitszustand überwiegend negativ einschätzen [8].

Mit dem dargestellten Fragebogen sollten prinzipiell 2 Fragenkomplexe beantwortet werden: Zum einen sollten Daten gewonnen werden über den allgemeinen Gesundheitszustand der Patienten und die persönliche Wahrnehmung des Integrierten Versorgungsmodells durch die teilnehmenden Patienten. Zum anderen sollte überprüft werden, inwieweit Leistungen, deren Erbringung im Rahmen des IV-Modells vorgesehen sind, entweder nicht erbracht oder vom Patienten nicht wahrgenommen werden. Um beide Bereiche zu erfassen, wurde auf die Verwendung bereits vorhandener Fragebögen (SF 36, EQ-5D, Qualeffo 41, OPAQ) zur Evaluation der Lebensqualität verzichtet und stattdessen ein eigenständiger Fragebogen entwickelt.

Eine Rücklaufquote von 53,3 % ist im Rahmen einer Patientenbefragung mehr als erfreulich. Die Analyse des Fragebogens zeigte, dass die Befragten überwiegend mit dem Modell der Integrierten Versorgung Osteoporose und ihrer Behandlung zufrieden sind. Erfreulich ist die hohe Zahl derer, die eine ausreichende Information über das Krankheitsbild und notwendige Therapiemaßnahmen angaben. Der hier erreichte Wert von 87,2 % liegt deutlich über dem in der Arbeit von Cramer [8] ermittelten Wert von 66 %. In der gleichen Arbeit wurden die Patienten über die Zufriedenheit mit dem behandelnden Arzt befragt, die meisten Patienten gaben hier eine mittelmäßige Zufriedenheit (50 von 100 möglichen Punkten) an. In unserer Befragung waren fast 86 % der Befragten mit der Behandlung durch Ihren Arzt zufrieden. Über 90 % der Befragten gaben an, dass ihnen die Art der Medikamenteneinnahme erklärt worden sei. Dies ist ein entscheidender Punkt in der Verbesserung der Patientenadhärenz. Die rund 86 % der Befragten, die schon einmal die regelmäßige Einnahme ihrer Osteoporosemedikamente vergessen hatten, gaben zudem an, vom behandelnden Arzt an die regelmäßige Einnahme ihrer Medikamente erinnert worden zu sein. Schulungsbedarf der teilnehmenden Ärzte besteht eindeutig bei der Überprüfung des Sturzrisikos. Die Überprüfung des Sturzrisikos ist nach Leitlinien DVO [9] bei jedem betroffenen Patienten vorgesehen. Hier gab nur 1/4 der Befragten an, dass ein Sturztest durchgeführt worden sei. Zur Verbesserung der Überprüfung des Sturzrisikos im Rahmen der Integrierten Versorgung wurde mittlerweile ein zusätzliches Modul zur Durchführung des Sturztests entwickelt.

66,4 % antworteten, von der Behandlung im Rahmen der Integrierten Versorgung profitiert zu haben, 72,6 % würden die Behandlung im Rahmen der Integrierten Versorgung weiterempfehlen. Dies sind zunächst gute Werte. Auffällig ist jedoch die deutlich bessere Bewertung der AOK RH als Krankenkasse, die von rund 93 % der Befragten weiter empfohlen würde. Dieser sehr hohe Wert der Zufriedenheit der Versicherten mit Ihrer Krankenkasse scheint auf eine langjährige Bindung zur Krankenkasse hinzuweisen. Unter Umständen kann die integrierte Versorgung Osteoporose hier in den nächsten 10 Jahren ähnliche Werte erreichen. Eine Verzerrung hinsichtlich einer zu positiven Beantwortung der Versicherten aufgrund der Befürchtung, nachteilig bei der Leistungsgewährung berücksichtigt zu werden, wird aufgrund der pseudonymisierten Befragung, ohne Namensangabe, ausgeschlossen.

Auffällig ist, dass nur knapp 11 % der Befragten die Internetseite www.kompetenznetzwerk-osteoporose.de kennen. Diese Internetseite dient zum einen den teilnehmenden Ärzten zur Dokumentation der Fälle, zum anderen sind hier auch Informationen für Patienten abrufbar. Der niedrige Wert dürfte zum einen durch die geringe Internetaffinität der befragten Altersgruppe bedingt sein, zum anderen ist das Angebot an Informationen über Osteoporose im Internet reichlich.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Gesundheitszustand der befragten Osteoporosepatienten im Durchschnitt nur ausreichend ist. Nach subjektiver Einschätzung der befragten Patienten haben Sie von der im Rahmen der Integrierten Versorgung Osteoporose durchgeführten Therapie profitiert und mehr als die Hälfte der Patienten gab an, ihren Alltag unter der bisherigen Therapie wieder besser bewältigen zu können. Damit ist nachgewiesen, dass durch eine Integrierte Versorgung zur Therapie der Osteoporose nicht nur stationäre Aufenthalte aufgrund Fragilitäts-assoziierter Frakturen verringert werden können, sondern das Programm auch in der Lage ist, die Patientenadhärenz zu fördern und einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten hat.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Christopher Niedhart

Liecker Str. 23

52525 Heinsberg

cniedhart@gmx.de

Literatur

1. Eichhorn E, Münscher C, Bartz-Bazanella P, Niedhart C. Intensivierte multimodale Therapie senkt die Zahl von Krankenhauseinweisungen aufgrund osteoporoseassoziierter Frakturen signifikant. Osteologie 2011; 20: 143–148

2. Niedhart C, Preising A, Eichhorn C. Signifikante Reduktion von Krankenhauseinweisungen aufgrund Osteoporose-assoziierter Frakturen durch eine intensivierte multimodale Therapie. Ergebnisse der Integrierten Versorgung Osteoporose Nordrhein. Z Orthop Unfall 2013; 151: 20–24

3. World Health Organization 2003. Adherence to long-term therapy: Evidence for action. Abgerufen am 14.2.2015

4. Seehausen M, Hänel P. Arzt-Patienten-Kommunikation: Adhärenz im Praxisalltag effektiv fördern. Dt. Ärzteblatt 2011; 108: A-2276

5. Lips P, van Schoor NM. Quality of life in patients with osteoporosis. Osteoporos Int. 2005; 16: 447–55

6. Hallberg I, Rosenqvist AM, Kartous L, Löfman O, Wahlström O, Toss G. Health-related quality of life after osteoporotic fractures. Osteoporos Int. 2004; 15: 834–41

7. Huang CY, Liao LC, Tong KM et al. Mediating effects on health-related quality of life in adults with osteoporosis: a structural equation modeling. Osteoporos Int. 2014; Dec 5. [Epub ahead of print] DOI 10.1007/s00198–014– 2963–3

8. Cramer M. Zufriedenheit von Patienten mit Osteoporose –Eine Analyse der medizinischen Versorgung unter Berücksichtigung sozioökonomischer Aspekte und Erfassung beeinflussender Prädiktoren auf die Zufriedenheit bei Mitgliedern des Bundesselbsthilfeverbandes für Osteoporose. Promotion Universitätsmedizin Berlin, 2009

9. Dachverband Osteologie: DVO-Leitlinie 2014 zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Männern ab dem 60. Lebensjahr und bei postmenopausalen Frauen. www.dv-osteologie.org. Abgerufen am 14.2.2015

Fussnoten

1 Osteologisches Schwerpunktzentrum Heinsberg

2 AOK Rheinland/Hamburg

3 Osteologisches Schwerpunktzentrum Aachen

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