Übersichtsarbeiten - OUP 02/2017

Prävention und Therapie von Muskelverletzungen
Stand der EvidenzCurrent state of evidence

Cibulka et al. [11] konnten keinen positiven Effekt der Manipulation von Ileo-Sakralgelenken bzgl. Maximalkraft Knieextension zeigen.

Dry Needling

Dry Needling ist ein spezieller Akupunkturstil, bei dem eine Akupunkturnadel in einen myofaszialen Triggerpunkt gestochen wird (Abb. 1). Dies führt zum Hervorrufen einer „Twitch Response“ (unfreiwilliger Rückenmarkreflex, bei dem die Muskelfasern des „taut band“ kontrahieren). Dry Needling ist als effektive Art beschrieben, Triggerpunkte zu eliminieren [10] und zeigte in einer Meta-Analyse [24] einen spezifischen Effekt bzgl. Schmerzreduktion beim myofaszialen Schmerzsyndrom (direkt nach sowie 4 Wochen nach Behandlung).

In einer experimentellen Studie an 30 hochklassigen Fußballern [21] zeigte sich im Vergleich zu Kontrollgruppen eine signifikante Verbesserung des Risikofaktors für Muskelverletzungen, „Dehnfähigkeit“ und Maximalkraft (jeweils direkt und 4 Wochen nach Behandlung).

Eiskammer

Laut einer kürzlich erschienenen kleinen Meta-Analyse [12, 13] (4 RCT, n = 64) gibt es derzeit nur unzureichende Hinweise für einen spezifischen Effekt von Kältekammerexposition (< –100 °C; 2–4 Minuten Dauer) bzgl. subjektiver muskulärer Müdigkeit und Regeneration.

Exzentrisches Krafttraining

Goode et al. [17] zeigten in einer kürzlich erschienenen Meta-Analyse, dass exzentrisches Krafttraining („Nordic Hamstring Exercise“, Abb. 2) bei guter Compliance Verletzungen an der ischiokruralen Muskulatur vorzubeugen scheint. Eine erst danach publizierte randomisierte kontrollierte Studie an 579 Amateurfußballern aus den Niederlanden bestätigte diese Aussage [47]. 25-mal exzentrisches Krafttraining der ischiokruralen Muskulatur innerhalb von 13 Wochen führte im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Intervention zu einem signifikant erniedrigtem Auftreten von Muskelverletzungen; es bestand allerdings kein Unterschied hinsichtlich Verletzungsschwere. Trotz der wachsenden Evidenz für eine spezifische präventive Wirksamkeit des exzentrischen Krafttrainings in Bezug auf Muskelverletzungen ist der Einsatz im Profifußball überraschend gering [3].

Kältebad

Im Vergleich zu passiver Regeneration führt laut Meta-Analyse von Bieuzen et al. [7] ein Kältebad (< 15 °C) innerhalb einer Stunde nach Belastung zu erniedrigtem Muskelkatergefühl, Serum-Creatininkinase- und erhöhten Maximalkraft- sowie Sprungkraftwerten. Im Vergleich zu Kompression weisen Sportler nach entsprechender Kältebadtherapie nach der Belastung erniedrigte Creatininkinasewerte im Serum auf. Die Effekte von Kältebad und Stretching sind vergleichbar. Interessanterweise unterscheiden sich die Effekte von 6 min, 12 min und 18 min Kältebad nicht signifikant voneinander.

Kinesiotaping

Morris et al. [31] untersuchten den Effekt von Kinesiotape bei muskuloskelettalen Beschwerden in einer systematischen Übersichtsarbeit (8 RCTs, n = 253): Es zeigte sich eine moderate Evidenz für keine Überlegenheit im Vergleich mit Placebo oder klassischem Tape bzw. Bandage.

Kompressionstherapie

Eine Meta-Analyse[16] (32 RCTs, n = 494) untersuchte den Effekt von Kompressionssocken bei Läufern: Während der Einfluss hinsichtlich Gesamtleistungsfähigkeit nur marginal war, reduzierte sich das Muskelkatergefühl durch Tragen von Kompressionssocken deutlich. Moderate Effekte zeigten sich hinsichtlich Erschöpfungsgefühl, Laufökonomie, Serum-Laktatwerte, Maximalkraft, Körpertemperatur und Markern für muskulären Schaden bzw. Entzündung.

Eine weitere Meta-Analyse (12 RCTs, n = 205) von Hill et al. untersuchte den Effekt von Kompressionstherapie nach Belastung bei Freizeitsportlern: Sowohl Muskelkater, Maximalkraft, Kraftausdauer und Creatinkinase zeigten sich durch Kompression im Vergleich zu Kontrollen ohne Therapie erniedrigt.

Neuromuskuläre elektrische
Stimulation

Malone et al. evaluierten in ihrer Meta-Analyse [28] (13 RCTs, n = 189) die regenerativen Effekte von niedrigintensiver neuromuskulärer elektrischer Stimulation innerhalb durchschnittlich 30 Minuten nach Belastung hinsichtlich Parameter von Regeneration. Es zeigten sich Hinweise für eine Erniedrigung des Gefühls von Muskelmüdigkeit. Im Vergleich zu aktiver und passiver Regeneration zeigte sich jedoch keine Besserung.

Therapeutische Methoden

Sofortmaßnahmen

Die Sofortmaßnahmen Schonung, Entlastung, Kühlung, Kompressionsverband und Hochlagerung sind in der Akutbehandlung bei Muskelverletzungen weitläufig Behandlungsstandard. Trotzdem existieren hierzu derzeit keine hochwertigen kontrollierten klinischen Studien. Aufgrund der pathophysiologischen Vorgänge initial nach Auftreten von Muskelverletzungen – mit frischer Einblutung und Entzündungsformation – erscheinen sie analog zur Behandlung von akuten Traumen anderer Weichteile empfehlenswert.

Dehnen

Malliaropoulos et al. [27] verglichen bei 80 griechischen Sportlern mit Verletzungen der ischiokruralen Muskulatur statisches Dehnen über 30 Sekunden 4-mal pro Tag versus 1-mal pro Tag ab dem 3. Tag nach Verletzung. Häufigeres Dehnen führte zu schnellerer vollständig kräftiger Kniestreckung und einer kürzeren Rehabilitationszeit bis zur sportlichen Tätigkeit.

Exzentrisches Krafttraining

Askling et al. [2] verglichen die Effekte von exzentrischem Krafttraining (L-Protokoll) plus Physiotherapie mit konzentrischem Krafttraining (C-Protokoll) plus Physiotherapie in der Rehabilitation von Muskelverletzungen bei Leichtathleten. Die Zeit bis zur Rückkehr zum Sport zeigte sich in der Gruppe mit exzentrischem Krafttraining verringert, bzgl. Wiederverletzungsrisiko zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen.

Hämodialysiertes Kälberblut

Experimentelle Daten zeigen eine mögliche Erhöhung der mitochondrialen Sauerstoffkapazität im humanen Skelettmuskel durch Exposition mit hochkonzentriertem hämodialysiertem Kälberblut (Actovegin) [46]. Bei intravenöser Gabe zeigte sich in einer kleinen experimentellen Studie kein leistungssteigernder Effekt [25]. Eine randomisierte kontrollierte Mini-Studie (n = 8) zeigte im Vergleich zu keiner Intervention eine verkürzte Rückkehr zum Sport nach Actovegin-Infiltrationen bei akuten Muskelverletzungen [26]. Größere hochwertige klinische Studien fehlen.

Manuelle Behandlungstechniken/Massage

Laut den Meta-Analysen von Mason et al. [29] sowie Sherry et al. [43] gibt es derzeit zur Therapie von muskulären Verletzungen mittels physiotherapeutischen Techniken keine validen wissenschaftlichen Daten. Zu den verschiedenen physiotherapeutischen Techniken gibt es nur wenige randomisierte kontrollierten Studien, die wiederum hinsichtlich Fallzahl und Kontrolle sehr limitiert und somit nicht aussagekräftig sind.

NSAIDs (Meclofenamat
und Diclofenac)

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