Übersichtsarbeiten - OUP 12/2013

Primär- und Verlaufsdiagnostik bei Frakturen im Wachstumsalter

Der Kindertraumatologe darf sich darüber im Klaren sein, das ein akuter Behandlungsbedarf nicht vorliegt, wenn er Schwierigkeiten mit der Beurteilung einer akuten Fraktur hat, deren Typ und Dislokationsausmaß er nicht eindeutig identifizieren kann.

In diesem Falle ist es absolut angemessen, der Schmerzbehandlung in Form der Ruhigstellung Vorrang zu geben, die gleichzeitig auch die adäquate Therapie für die vermutete oder tatsächlich vorhandene Fraktur darstellt. Die weitere Klärung kann dann im Intervall durch einen Methodenwechsel erfolgen. Dieser kann schon in der Hinzuziehung eines kindertraumatologisch erfahreneren Kollegen bestehen, dem die vorhandenen Röntgenbilder zur schlussendlichen Diagnosestellung und Therapieplanung vielleicht ausreichen. Außerdem kann gezielt ein anderes bildgebendes Verfahren zur Anwendung kommen, je nach Fragestellung der Ultraschall, eine Computertomografie oder eine Kernspintomografie. Nur in speziellen Einzelfällen, so z.B. der primär undislozierten Kondylus-Radialis-Fraktur des distalen Humerus, ist eine kurzfristige röntgenologische Kontrolluntersuchung nach 4–5 Tagen zum Ausschluss einer sekundären Dislokation indiziert.

Die Ultraschalluntersuchung des Bewegungsapparates nimmt zweifelsfrei rapide an Bedeutung für die kindertraumatologische Diagnostik zu (Abb. 3). Die Wertigkeit für die Identifikation einer Fraktur ist inzwischen für etliche Körperregionen an Hand signifikanter Studienergebnisse belegt [6, 7]. Für bestimmte Konstellationen bei undislozierten Frakturen ergibt sich sogar eine Überlegenheit der Sonografie gegenüber dem konventionellen Röntgen [8]. Defizite gibt es noch bei der Bestimmung von Dislokationsgraden und -winkeln [9], deren Vermessung jedoch ständig weiter entwickelt wird [10]. Perfekt dagegen erscheint der Ultraschall schon jetzt in vielen Fällen zur Verlaufsbeobachtung mit der Fragestellung der Kallusformation und Konsolidierung geeignet.

CT und MRT finden in der Kinder- und Jugendtraumatologie im Wesentlichen postprimär ihre Anwendung. Eine Kernspintomografie in der Diagnostik der akuten Verletzungsfolgen führt bei einem Teil der Patienten zu einer Änderung der Frakturklassifikation, zur Detektion zusätzlicher Frakturen [11, 12], insbesondere des sog. Bone bruise (Knochenödem) als Ausdruck einer Knochenstauchung und zur Darstellung der Verletzung ligamentärer Strukturen [13, 14]. Diese Zusatzuntersuchungen führen aber weder zu einer Änderung des Therapieregimes [15], noch lassen sie Rückschluss auf die Prognose einer Verletzung bezüglich zu erwartender Wachstumsstörungen oder Funktionseinschränkungen zu [16].

Indiziert ist dagegen die Magnetresonanztomografie immer dann, wenn weniger eine knöcherne Verletzung als ein Gelenkbinnentrauma als führende Verletzung vermutet wird. Beispiele hierfür sind die Verletzungen der Menisken und des Kreuzbandapparats am Kniegelenk, die Folgen einer der seltenen Schulterluxationen im Kindes- und Adoleszentenalter oder die traumatische Osteochondrosis dissecans.

Verlaufsdiagnostik und
Kontrollen

Während die Diagnosefindung in der Notfallsituation und postprimär vorwiegend bildgebend erfolgt – wenn Anamnese und klinisches Bild für das Vorliegen einer knöchernen Verletzung sprechen – werden Kontroll- und Verlaufsuntersuchungen im Wesentlichen klinisch im Rahmen der körperlichen Untersuchung durchgeführt [4]. Einen Überblick dazu gibt Tabelle 1.

Die erste Kontrollindikation im Verlauf einer Frakturbehandlung ist die Konsolidierung der Fraktur. Die Konsolidierungskontrolle wird nach 4–6 Wochen durchgeführt und stellt in vielen Fällen gleichzeitig das Ende der Gipsruhigstellung dar, bzw. fällt mit der Planung der zeitnahen Metallentfernung zusammen.

Soll nach konservativer Frakturbehandlung die Konsolidierung einer Fraktur überprüft werden, so kann dies in der überwiegenden Zahl der Fälle klinisch geschehen. Nach Gipsabnahme wird dabei der Frakturkallus vorsichtig palpiert, nachdem zuvor das Einverständnis des Patienten eingeholt wurde. Lässt sich hier keine Druckschmerzhaftigkeit auslösen, darf von einer ausreichenden Konsolidierung ausgegangen werden. Eine röntgenologische Darstellung ist dann nicht notwendig. Zweifelnde Begleitpersonen können gut mit einer Ultraschalldarstellung der Kalluswolke beruhigt werden [2]. Im Falle einer operativen Versorgung und der unmittelbar nach der Konsolidierung geplanten Metallentfernung darf jedoch nicht auf die radiologische Dokumentation des aktuellen Befunds verzichtet werden, da nach Metallimplantation eine Heilungsverzögerung nicht selbstverständlich ausgeschlossen werden kann [17]. Weitere, seltenere Indikationen zur radiologischen Kontrolle der Konsolidierung gibt es bei den wenigen bekannten komplikationsträchtigen Frakturen im Wachstumsalter. Exemplarisch seien hier die konservativ behandelte Kondylus-Radialis-Fraktur mit der Gefahr der sekundären Dislokation und Pseud-arthrosenbildung und der metaphysäre Biegungsbruch der proximalen Tibia mit der Gefahr des progredienten, posttraumatischen Genu valgum genannt. In der überwiegenden Mehrzahl der kindertraumatologischen Frakturen insbesondere an Hand, Fuß, proximalem Oberarm und distalem Unterarm kann aber auf ein Konsolidierungsröntgenbild verzichtet werden.

Es kann nur davor gewarnt werden, gleichzeitig neben der dann fälligen klinischen Konsolidierungskontrolle unmittelbar nach Gipsabnahme eine erste Funktionsprüfung durchzuführen. Die erste Bewegung eines zumal verletzten Gelenks nach 3- oder 4-wöchiger Gipsruhigstellung verursacht Schmerzen. Dieser Schmerz deutet jedoch keinesfalls auf eine unzureichende Frakturheilung oder gar ein persistierendes intraartikuläres Problem hin, sondern ist vielmehr normaler Ausdruck der lang andauernden Ruhigstellung. Äußert das Kind aber erst einmal Schmerzen oder weint gar, ist eine Differenzierung nicht mehr durchführbar und vor allem die Begleitpersonen sind völlig verunsichert und verlangen nach weiterer Diagnostik. Eine erste Funktionskontrolle eines Gelenks sollte nicht vor Ablauf von 2–3 Wochen nach der Gipsabnahme durchgeführt werden.

Zu diesem Zeitpunkt ist es dann sehr wichtig zu formulieren, welcher Bewegungsumfang beispielsweise eines Ellbogengelenkes denn erwartet werden darf, um einer Enttäuschung bei z.B. noch nicht vollständiger Streckung oder Beugung vorzubeugen. Wenn der Fortschritt der Bewegungsfähigkeit bildgebend dokumentiert werden soll, so ist eine systematische fotografische Dokumentation zu empfehlen [4] (Abb. 4). Eine Röntgenkontrolle aufgrund eines ausbleibenden Bewegungsumfangs nach Gelenkverletzung und Ruhigstellung ist erst dann indiziert, wenn im zeitlichen Verlauf nicht das zu erwartende Bewegungsausmaß erreicht wird. Analoge Überlegungen gelten natürlich auch für die Belastungsaufnahme und -steigerung an der unteren Extremität.

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