Übersichtsarbeiten - OUP 04/2017

Prothesenerhalt bei periprothetischer Hüftgelenkinfektion

Arnold J. Suda1, Oliver E. Bischel2

Zusammenfassung: Manche Befundkonstellationen lassen den Therapieversuch des Implantaterhalts bei periprothetischen Hüftgelenkinfekt zu. Voraussetzungen hierfür sind eine korrekte Erregerdiagnostik, ein evidenzbasiertes Therapiekonzept mit resistenzgerechter Antibiotikatherapie und chirurgischen Maßnahmen wie Spülung, Debridement, Wechsel der mobilen Teile oder Instillationstherapie.

Schlüsselwörter: Hüftendoprothese, Implantaterhalt,
periprothetische Infektion

Zitierweise
Suda AJ, Bischel OE: Prothesenerhalt bei periprothetischer
Hüftgelenkinfektion.
OUP 2017; 4: 208–213 DOI 10.3238/oup.2017.0208–0213

Summary: There are some indications for implant-preserving therapy in periprosthetic hip joint infection. Correct diagnostics of the pathogen, evidence based therapy concept with adequate antibiotic therapy and surgical procedures as irrigation and debridement, exchange of all mobile parts or instillation therapy are mandatory.

Keywords: hip arthroplasty, implant preservation, prosthetic joint infection

Citation
Suda AJ, Bischel OE: Implant-preservation in prosthetic hip joint infection. OUP 2017; 4: 208–213 DOI 10.3238/oup.2017.0208–0213

Die Implantation einer Hüfttotalendoprothese ist eine der erfolgreichsten Operationen und wurde sogar bereits als „operation of the century“ bezeichnet [12]. In Deutschland werden pro Jahr um die 210.000 primäre Hüfttotalendoprothesen implantiert. Die periprothetische Infektion PPI ist eine gefürchtete und für die Patientin oder den Patienten (im Folgenden geschlechtsunabhängig: „Patient“) aber auch den Operateur belastende und schwierige Komplikation (Abb. 1 und 2 ). Bei PPI-Raten nach Hüfttotalendoprothese von bis zu 1 % in Deutschland ist die rasche und effiziente Diagnose und Behandlung des periprothetischen Infekts von medizinischer, aber auch von wirtschaftlicher Bedeutung, da die Therapie der infizierten Hüftprothese langwierig und damit teuer ist. Auch wird die Behandlung dieser Komplikation, wenn sie in zeitlichem Zusammenhang zur Erstimplantation auftritt, vom DRG-System nicht in kostendeckendem Maße vergütet. Somit ist die Behandlung von Patienten mit Hüfttotalendoprotheseninfektion oftmals Zentren vorbehalten, die sich auf die Behandlung von Implantatinfekten spezialisiert haben.

In Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Auftretens der Infektion (Früh- oder Spät-Infekt) sowie von individuellen, patientenbezogenen Faktoren (Allgemeinzustand, Begleiterkrankungen, Anspruch) muss mit dem Patienten oder seinen Angehörigen ein Behandlungskonzept erarbeitet werden, dass Patient und Operateur gleichsam vertreten und diesem zustimmen können.

Ist ein strukturiertes Diagnose- und Behandlungskonzept vorhanden, kann oftmals auch diese gefürchtete Komplikation gut behandelt werden und für den Patienten letztlich ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht werden [28]. Der sogenannte Gold-Standard bei Infektion der Hüfttotalendoprothese ist grundsätzlich der Prothesenwechsel. Gegenstand dieses Artikels jedoch ist der Prothesenerhalt bei Hüftprotheseninfektion, der bei gewissen Indikationen und bei korrektem, therapeutischem Vorgehen durchaus seine Berechtigung hat.

Ätiologie

Bekannte Risikofaktoren für die Entwicklung einer Hüftprotheseninfektion sind Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis, Gerinnungsstörungen oder chronische Anämie, ebenso jedoch eine vorbestehende Immunsuppression, Adipositas, Infektionen an anderen Körperstellen wie z.B. im Kieferbereich oder Voroperationen am Hüftgelenk [1, 21]. Die Operation selbst ist jedoch meistens Ausgangspunkt der nachfolgenden Infektion, findet doch dabei die Kontamination statt und manifestiert sich in den nachfolgenden Wochen bis Jahren. Besonders Infektionsquellen der Haut wie beim diabetischen Fußsyndrom, Harnwegsinfektionen, Atemweg-Infekte oder Zahn- und Kieferinfektionen stellen bedeutsame Risikofaktoren für die hämatogene Streuung der Infektion an die Hüftprothese dar [15]. Bei einer manifesten Infektion mit nachweisbarer Bakteriämie kann das Risiko einer PPI bis zu 34 % betragen [19]. Wechseloperationen haben ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko, weshalb im Vorfeld immer ein korrekter Infekt-Ausschluss erfolgen muss. Bei diesen Eingriffen müssen auch immer mehrfach mikrobiologische und histopathologische Proben entnommen werden, um im Falle einer Frühinfektion der Revisions-Prothese einen bereits vorhandenen Erreger umgehend und zielgerichtet therapieren zu können (Abb. 3).

Einteilung

Es werden 3 verschiedene Arten des PPI in Abhängigkeit ihres zeitlichen Auftretens unterschieden:

Der Frühinfekt

Tritt typischerweise in den ersten 3 Monaten nach Implantation der Hüftprothese auf. Ursächlich dafür ist meistens die intraoperative Keimbesiedelung des Implantats. Bei akuten Zeichen einer Infektion wie Fieber, Schmerzen, Rötung, Wundsekretion und Schwellung finden sich als häufigste Erreger Staphylokokkus aureus, Streptokokken, Enterobakterien und gramnegative Erreger.

Der chronische
(„Low-grade-“) Infekt

In der Nomenklatur oftmals verpönt, ist mit Low-grade-Infekt nicht eine geringe Ausprägung der Infektion gemeint sondern vielmehr die schwierig zu deutende Klinik, die eine Unterscheidung zum aseptischen Implantatversagen nicht immer einfach macht. Auch die chronischen PPI sind durch Kontaminationen des Implantats während der Primärimplantation versursacht, treten jedoch deutlich später als der Frühinfekt in Erscheinung (ab 3 bis 24 Monaten). Oftmals sind „nur“ Schmerzen oder eine dezente Saumbildung im Röntgenbild Hinweise auf eine Infektion. Meist verursachen niedrigvirulente Bakterien wie koagulase-negative Staphylokokken (Staphylokokkus epidermidis) oder Proprionibacterium acnes solche chronischen Infektionen. Ein Implantaterhalt kann hier nur in besonderen Fällen sinnvoll sein.

Der Spätinfekt

Tritt die Protheseninfektion Jahre nach der Primärimplantation auf, ist die Ursache meist in einer hämatogenen Streuung durch einen anderen Infektionsort des Körpers zu finden. Auch hier muss die Indikation zum Implantaterhalt überaus kritisch gesehen werden.

Das entscheidende Kriterium bei der Wahl der Therapie ist die Ausbildung des bakteriellen Biofilms. Bei Infektionen mit unreifem Biofilm (akute PPI innerhalb der ersten 4 Wochen nach Primärimplantation oder hämatogene PPI mit Symptomdauer von maximal 3 Wochen) kann der Implantaterhalt die erste Therapieoption darstellen.

Bei chronischem Infekt oder PPI ab 4 Wochen nach Primärimplantation sowie persistierende PPI mit bereits gereiftem Biofilm ist grundsätzlich die Implantatentfernung indiziert, da die Erfolgsaussichten für einen Implantaterhalt in Kombination mit der Antibiotikabehandlung als gering einzustufen sind.

Keimspektrum

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