Übersichtsarbeiten - OUP 04/2017

Prothesenerhalt bei periprothetischer Hüftgelenkinfektion

Zu den häufigsten Erregern einer PPI zählen koagulasenegative Staphylokokken (30–43 %), Staphylococcus aureus (12–23 %), Infektionen mit mehreren Erregern (10–20 %), gramnegativen Bakterien (10–17 %), Streptokokken (9–10 %), Enterokokken (3–7 %), Anaerobiern (2–4 %) und Pilzen wie Candida (1–3 %), jedoch geling in bis zu 30 % der Fälle die Kultivierung von Erregern nicht, da eine Antibiotikatherapie vor der Probenentnahme oder die Wahl der Diagnosemethode das Ergebnis beeinflussen kann [4]. Die Identifikation sog. DTT-Erreger (difficult-to-treat) ist deshalb von Bedeutung, da keine biofilmaktiven systemischen Antibiotika für deren Behandlung verfügbar sind und deshalb ein verändertes Behandlungskonzept benötigt wird. DTT-Erreger sind Pilze, Enterokokken, Rifampicin-resistente Staphylokokken und Chinolon-resistente gramnegative Bakterien. Rifampicin-sensible Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA) können mit entsprechender Kombinationstherapie mit z.B. Vancomycin gut behandelt werden und zählen deshalb nicht zu den DTT-Erregern.

Definition Protheseninfekt

Verschiedene Gesellschaften haben Kriterien zur Definition des PPI erarbeitet und veröffentlicht [20].

Verbreitet ist jene der Musculoskeletal Infection Society (MSIS), die mit leichten Anpassungen überaus brauchbar und sinnvoll ist:

Eine PPI liegt vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

2 positive Kulturen mit gleichen pathogenen Erregern aus Synovialflüssigkeit, Gewebeproben, Sonikationsflüssigkeit (bei Prothesenerhalt nicht möglich) ODER

Vorliegen einer mit dem Gelenk kommunizierenden Fistel ODER

intraartikulärer Nachweis von Pus (außer Pseudopus bei Metall-Metall-Gleitpaarung)

3 der folgenden sog. Minor-Kriterien vorliegen:

erhöhtes C-reaktives Protein CRP UND Blutsenkungsgeschwindigkeit BSG

erhöhte Zahl Leukozyten im Gelenk-Aspirat ODER positiver Leukozyten-Esterase Teststreifen (außer bei rheumatischer Grunderkrankung)

erhöhter prozentualer Anteil polymorpher neutrophiler Granulozyten im Gelenk-Aspirat [24] (außer bei rheumatischer Grunderkrankung)

Nachweis einer periprothetischen Membran vom infektiösen Typ (II) oder Mischtyp (III) im histologischen Präparat [10, 16] (bei Prothesenerhalt unmöglich)

EINE positive Kultur eines Erregers.

Diagnostik

Eine ausführliche Anamnese (Zahnstatus, Urinstatus, Immunsuppression) mit klinischer (und radiologischer) Untersuchung gibt oftmals bereits entscheidende Hinweise zur Diagnose des PPI. Treten innerhalb der ersten Jahre nach Primärimplantation der Hüftprothese Schmerzen auf, muss bis zum Beweis des Gegenteils eine Infektion angenommen werden [22]. Bei Frühinfekten kann meist erhöhtes CRP (hohe Sensitivität, geringe Spezifität) und BSG (durchschnittliche Spezifität und Sensitivität) nachgewiesen werden, im Falle des chronischen Infekts ist dies jedoch viel seltener und die beiden Parameter deshalb diagnostisch wenig bedeutsam [4, 17, 26].

Gelenkpunktat

Die Aspiration der Gelenkflüssigkeit unter sterilen Bedingungen (idealerweise nach 14-tägiger Antibiotikapause) und unter Bildwandlerkontrolle ist ein notwendiges Standardverfahren zur Diagnostik des PPI. Folgende diagnostischen Verfahren können mit dem Punktat erfolgen:

Beimpfen einer Blutkulturflasche (2 ml in pädiatrische Flasche (zu favorisieren) oder mindestens 8 ml in je eine aerobe und anaerobe Flasche) mit nachfolgender 14-tägiger Bebrütung [21]

Zytologische Analyse im EDTA-Röhrchen (Infekt: Leukozytenzahl > 4200/ ?l, prozentualer Anteil neutrophiler Granulozyten > 80 %) [24]

Biomarker-Schnelltest mit Nachweis von Alpha-Defensin (positiver Test als Hinweis auf das Vorliegen einer PPI ohne Detektion des Erregers) [5, 7]

Multiplex Polymerase-Chain-Reaction PCR zum Erregernachweis mit Antibiogramm [9, 23]

Auf die Durchführung einer Abstrich-Probe soll verzichtet werden.

Die Sinnhaftigkeit des Schnelltests für den Nachweis des Biomarkers Alpha-Defensin wird aktuell kritisch diskutiert, da er als Entscheidungshilfe für Infekt/kein Infekt dienen soll, oft allerdings falsch-positive Ergebnisse liefert, die dann als Grundlage für die Implantatentfernung dienen.

Die relativ neue Methode der PPI-Diagnostik mittels PCR aus Synovialflüssigkeit bietet grundsätzlich die Möglichkeit der raschen Erreger- und Antibiogrammbestimmung, hier jedoch sind falsch-negative Ergebnisse bei z.B. zuvor erfolgter Antibiotikatherapie möglich.

Gewebeprobe
(bei Revisions-Operation)

Lässt sich keine Gelenkflüssigkeit aspirieren oder wurde wegen Wundheilungsstörung die Indikation zur Revisionsoperation gestellt, ist die Entnahme von 3–5 Gewebeproben von repräsentativen Stellen (Neokapsel, Pfanne, Gewebe unter dem Inlay ...) das Mittel der Wahl und der Aspiration noch dazu diagnostisch überlegen [3, 6].

Radiologische Diagnostik

Sind beim Frühinfekt in der Regel keinerlei Lockerungszeichen zu erwarten, kann dies beim chronischen Infekt oder beim Spätinfekt sehr wohl der Fall sein. Das Röntgenbild (Beckenübersicht tief und betroffene Hüfte axial mit Referenzkugel) liefert im Vergleich mit den unmittelbar postoperativ angefertigten Aufnahmen Hinweise auf Lockerung des Implantats oder Lysen des Knochens. In diesem Fall wäre ein Implantaterhalt nicht sinnvoll.

Das MRT spielt aufgrund der Artefakte und fehlenden Differenzierung zwischen septischer und aseptischer Lockerung eine untergeordnete Rolle in der Diagnostik des PPI.

Auch die Szintigrafie (3-Phasen-Skelettszintigrafie oder Leukozyten-Szintigrafie) zeigt vor allem Umbauvorgänge im Knochen, die auch bei normalem Verlauf unspezifisch um eine Hüftprothese auftreten können, weshalb diese Untersuchung zur PPI-Diagnostik nicht herangezogen werden sollte. Das gleiche gilt für die Fluorodeoxyglukose (FDG) Positronen-Emissions-Tomografie (PET-CT).

Implantat-erhaltende
Therapie

Beim Frühinfekt, beim akuten Spätinfekt und unter besonderen Umständen wie bei schlechtem Allgemeinzustand des Patienten, der eine Wechseloperation nicht zulässt, das Vorhandensein von Megaimplantaten (z.B. proximaler Femurersatz, Tumorprothesen, Revisionspfannen) oder bei Ablehnung einer weiteren Operation kann der Versuch der Implantat-erhaltenden Therapie indiziert sein (Abb. 4). Verschiedene Therapieoptionen stehen (alleine oder in Kombination) zur Verfügung:

Antibiotikatherapie

Idealerweise ist die Antibiotikatherapie gemeinsam mit der chirurgischen Revision die Therapie der Wahl zur Behandlung des PPI mit dem Ziel des Implantat-Erhalts.

Entscheidend für die Behandlung des Biofilms auf der Implantatoberfläche ist die Wahl wirksamer Antibiotika in einer Dosis, die den Biofilm hemmt oder ganz eradiziert [8, 11].

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