Übersichtsarbeiten - OUP 03/2023

Radiofrequenztherapie bei zervikalen Facettengelenkschmerzen
Diagnostik und Therapie chronischer Nackenschmerzen

Möglich sind Injektionen in die Facettengelenke (intraartikulär), zur Diagnostik wird von den Leitlinien allerdings ein Medial Branch Block empfohlen [24]. Der Medial Branch entspricht dem Ramus medialis, der aus den Rami posteriores der Spinalnerven C4 bis C8 entspringt und mit einem auf- und einem absteigenden Ast die Nackenmuskulatur und die Facettengelenke innerviert. Aus dem Ramus posterior des Spinalnerven C3 entspringt nicht nur ein Medial Branch, sondern auch ein Ast, der das Facettengelenk Hw2/3 innerviert und als „Third Occipital Nerve“ (TON) Richtung Hinterkopf zieht. Bei einer diagnostischen Testblockade müssen, um ein Gelenk zu testen, die beiden versorgenden Medial Branches mit Lokalanästhesie blockiert werden (für das Facettengelenk Hw5/6 also die Medial Branches C5 und C6, (Abb. 2)). Beim Gelenk Hw2/3 muss der TON adressiert werden [25].

Für die Testblockaden wird ausschließlich Lokalanästhesie verwendet. Teilweise wird empfohlen, 2 Testblockaden mit unterschiedlich lang wirksamen Lokalanästhetika durchzuführen, die nur dann als positiv zu werten sind, wenn die Dauer der Schmerzreduktion übereinstimmend mit der Wirkdauer des Medikamentes ist. Aktuelle Studien zeigen aber, dass der Unterschied in der Wirkdauer von z.B. Lidocain und Carbostesin klinisch nicht signifikant ist [26]. Wichtig ist, ein möglichst kleines Volumen (? 0,5 ml oder sogar ? 0,3 ml) zu verwenden, damit der Block spezifisch ist [27]. Kontrastmittel ist wichtig, um die Verteilung des Medikamentes zu zeigen [28].

Da das Lokalanästhetikum die Schmerzweiterleitung unterbricht, ist mit einer Schmerzreduktion zu rechnen, wenn das passende Facettengelenk ausgetestet wurde. Unklar ist, wie viel Schmerzreduktion notwendig ist, damit der Medial Branch Block als positiv gewertet werden kann. Strenge Kriterien (80 % oder sogar 100 % Schmerzreduktion) führen zu besseren Ergebnissen der nachfolgenden Therapie, da die Zahl der falsch-positiven Ergebnisse geringer ist. Lediglich 50 % Schmerzreduktion ermöglicht mehr Patientinnen und Patienten den Zugang zu einer Therapie („maximize access to care“), nimmt aber schlechtere Ergebnisse in Kauf. Die Empfehlungen der Leitlinien variieren zwischen 50 % und 100 % Schmerzreduktion nach einem Medial Branch Block als Schwellenwert [24, 29].

Werden Testblockaden mit 2 verschieden lang wirksamen Lokalanästhetika durchgeführt, so nennt man das vergleichende Medial Branch Blocks. Von kontrollierten Testblockaden wird gesprochen, wenn nach dem positiven ersten Medial Branch Block ein zweiter Block unter den gleichen Bedingungen durchgeführt wird. Ziel von 2 positiven Medial Branch Blocks ist es, falsch-positive Antworten zu vermeiden. Die Häufigkeit von falsch-positiven Ergebnissen nach nur 1 Testblock beträgt zwischen 36 und 55 % [8, 30–32]. In der Literatur wird kontrovers diskutiert, ob 1 Medial Branch Block ausreicht, oder ob 2 vergleichende oder kontrollierte Blocks notwendig sind.

Therapie

Wurde die Diagnose eines Facettengelenkschmerzes gesichert, so kommt als spezifische Therapie eine Verödung der Facettengelenke in Frage. Hierdurch wird längerfristig die Schmerzweiterleitung unterbrochen, die Schmerzursache wird nicht beseitigt. Bei der monopolaren Radiofrequenz-Denervation wird von einem Generator ein hochfrequentes Wechselstromfeld zwischen der auf der Haut applizierten Neutralelektrode und der nicht-isolierten Spitze der Radiofrequenz-Kanüle erzeugt. Das elektrische Feld führt zu einem Oszillieren der benachbarten Moleküle, wodurch Wärme entsteht. Durch den Größenunterschied zwischen Neutralelektrode und Sondenspitze entsteht nur parallel zur Sondenspitze Hitze, welche gemessen und durch den Generator kontrolliert wird.

Wichtig ist, dass die Sondenspitze parallel am Medial Branch platziert wird. Daher muss die Denervation unter Kontrolle eines bildgebenden Verfahrens durchgeführt werden. Standardmäßig wird Durchleuchtung (C-Bogen) verwendet. Zunehmend kommt auch die Verwendung von Ultraschall in Frage, einzelne Studien haben am Kadaver [33] und an der Patientin/am Patienten [34, 35] Ergebnisse präsentiert. Oft muss eine Hauteinstichstelle entfernt von der Zielposition am Gelenk gewählt werden, was für eine Ultraschall-Anwendung von Nachteil sein kann.

E ine lang anhaltende Schmerzreduktion wird erreicht, wenn auch eine lange Strecke des Medial Branch denerviert wird [36], weshalb die Größe und die Form der Läsion entscheidend sind. Eine höhere Temperatur, eine dickere Sonde, eine längere Dauer der Denervation und die Art der Sonde beeinflussen die Größe der Läsion. Klinisch konnte an der Lendenwirbelsäule gezeigt werden, dass mit 90 °C bessere Ergebnisse erzielt werden als mit 80 °C [37]. Ebenso ist eine dickere Sonde (16 G) von Vorteil, an der Halswirbelsäule aber oft für den Patienten unangenehm, sodass auch dünnere Sonden (18 G) Verwendung finden. Um die Läsion zu vergrößern, wurden Sonden auch technisch weiterentwickelt, z.B. durch andere Formen bzw. mehrere Elektrodenarme oder auch durch Kühlung der Sondenspitze. Um eine lange Strecke des Medial Branch zu veröden, ist es zudem wichtig, dass die Sonde parallel zum Nerven liegt. Da der Medial Branch in einer Kurve um den Pedikel herum verläuft, sind entweder 2 Zugänge sagittal und schräg notwendig, oder es sollte mit einer gebogenen Nadel gearbeitet werden (Abb. 3). Die Abbildung 4 zeigt ein Durchleuchtungsbild mit korrekter Sondenposition.

Ergebnisse

Es existieren 4 randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs), die eine Radiofrequenzdenervation an der Halswirbelsäule mit einer Sham-Prozedur verglichen haben. Die Studien haben alle nur geringe Patientinnen-/Patientenzahlen und sind sehr heterogen. Lord et al. [38] haben 24 Patientinnen und Patienten mit Schleudertrauma untersucht. Einschlusskriterium waren Placebo-kontrollierte Medial Branch Blocks. Nach 27 Wochen waren signifikant mehr Patientinnen und Patienten nach Denervation schmerzfrei (7 versus 1). Wallis et al. [39] fanden in ihrer Studie ebenfalls signifikant bessere Ergebnisse für die Denervationsgruppe bei 24 untersuchten Patientinnen und Patienten, von denen aber nur 17 ausgewertet werden konnten. Stovner et al. [40] haben den Erfolg einer Radiofrequenz-Denervation bei zervikogenem Kopfschmerz untersucht. Van Eerd et al. [41] haben einen alternativen, lateralen Zugang zur Halswirbelsäule gewählt und damit kein besseres Ergebnis als in der Sham-Gruppe erreicht.

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