Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Radiuskopffraktur – wann operativ und wie?

Nicht dislozierte Radiuskopffrakturen weisen i.d.R. keine Begleitverletzungen auf [5]. Dislozierte, instabile oder mehrfragmentäre Radiuskopffrakturen sind häufig mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vergesellschaftet [39]. Hervorzuheben ist neben der „Terrible-triad“-Verletzung, eine Kombination aus Ruptur des medialen Seitenbandapparats, Abrissfraktur des Processus coronoideus und Fraktur des Radiusköpfchens als Zeichen eines stattgehabten Luxationsmechanismus [31], die Essex-Lopresti-Verletzung mit Ruptur der Membrana interossea und konsekutiver Subluxation der Elle im distalen Radioulnargelenk [9].

Therapie

Ziel der Therapie muss neben der freien Beweglichkeit der beteiligten Gelenke die Rekonstruktion der Gelenkkongruenz und Wiederherstellung des radialen Pfeilers als Stabilisator sein [25]. Die Therapie der Radiuskopffraktur umfasst sowohl den konservativen als auch den operativen Therapieansatz. Die Wahl der Therapie richtet sich nach der Frakturmorphologie und nach den Begleitverletzungen. Wird die operative Therapie in Erwägung gezogen, müssen allgemeine Operationsrisiken und spezifische Risiken wie iatrogene Verletzungen der Bandstrukturen, mechanische Behinderungen durch eingebrachtes Osteosynthesematerial und die Ausbildung postoperativer Ossifikationen abgewogen werden. Als Hilfe für die Therapieentscheidung zwischen konservativer oder operativer Behandlung dient der aufgeführte Algorithmus (Abb. 3).

Konservative Therapie

Die konservative Therapie ist die Behandlung der Wahl bei nicht dislozierten bzw. gering (< 2 mm) dislozierten und weniger als 30 % der Gelenkfläche messenden Mason-Typ-I-Frakturen des Radiuskopfs (Abb. 4). Die frühfunktionelle Therapie umfasst eine kurzfristige Ruhigstellung des betroffenen Ellenbogengelenks für 7–10 Tage in einer Oberarmschiene. Schmerzabhängig kann nachfolgend die Bewegung freigegeben werden. Zu vermeiden sind stützende Bewegungen für insgesamt 6 Wochen nach Unfall. Bei anhaltender Beschwerdesymptomatik und verzögerter Wiederherstellung der Funktion müssen Begleitverletzungen in Betracht gezogen und die Diagnostik erweitert werden. Zum Ausschluss einer ligamentären oder cartilaginären Verletzung sollte hier frühzeitig eine Kernspintomografie des betroffenen Gelenks durchgeführt werden. In Abhängigkeit von den kernspintomografisch erhobenen Befunden und der Persistenz der Beschwerden ist eine Arthroskopie des Ellenbogengelenks abzuwägen. Im Rahmen der Arthroskopie können Knorpelschäden adressiert oder freie Gelenkkörper entfernt werden. Weiterhin lässt sich arthroskopisch eine posterolaterale Instabilität als Zeichen eines stattgehabten Luxationsmechanismus diagnostizieren [6]. Mason-Typ-I-Frakturen mit frakturbedingtem Blockadephänomen sollten der operativen Therapie zugeführt werden [13, 14, 16, 34]. Hier ist meist eine geborstene Knorpelschuppe Grund für die Blockade und muss entsprechend der Größe reseziert oder mittels Minischrauben oder Smartnails fixiert werden.

Operative Therapie

Dislozierte und mehrteilige Mason-Typ-II- und Mason-Typ-III-Frakturen werden in der Regel der operativen Therapie zugeführt. Ziel der Operation ist die anatomische Rekonstruktion der radialen Gelenkfläche (Abb. 5). Bei der Exploration der Fraktur sollte das Periost geschont werden, um eine suffiziente Blutversorgung des Kopfs zu garantieren. Zur Reposition imprimierter Fragmente bieten sich K-Drähte oder kleine Meisel an. Je nach Frakturmorphologie können Minischrauben (1,5–2,5 mm) für die Osteosynthese benutzt werden (Abb. 5).

Unabhängig vom Osteosyntheseverfahren ist bei der internen Osteosynthese die „safe zone“ zu beachten, um eine freie Umwendbewegung zu garantieren [16]. Sie beschreibt den Bereich des Radiuskopfs, der bei der Umwendung nicht mit der proximalen Ulna artikuliert. Außerhalb dieser Zone müssen die Osteosyntheseschrauben unter Knorpelniveau versenkt werden. Weiterhin ist darauf zu achten, dass die Schrauben die Gegenseite nicht überragen und zu einer Irritation im Bereich des proximalen radioulnaren Gelenks führen [40]. Bei der Versorgung von Trümmer- und Luxationsfrakturen ist ebenso die Wiederherstellung der Anatomie durch die Rekonstruktion des Radiuskopfs der Radiuskopfresektion oder Prothesenimplantation vorzuziehen. Bei komplexeren Frakturen mit Dissoziation des Kopfs vom Radiushals stehen neben der reinen Schraubenosteosynthese anatomisch präformierte winkelstabile Plattensysteme zur Verfügung (Abb. 6). Diese erlauben eine Fixation des Radiuskopfs gegen den Schaft. Ist eine Rekonstruktion des Radiuskopfs in situ aufgrund der Frakturmorphologie nicht möglich, kann die On-table-Rekonstruktion des Radiuskopfs mit nachfolgender Replantation durchgeführt werden [4]. Entsprechend der unterbrochenen Blutversorgung handelt es sich hierbei um eine Bioprothese (Abb. 7).

Die Indikation für eine Radiuskopfprothese ist gegeben, wenn eine Rekonstruktion der Fraktur nicht möglich oder die Osteosynthese nicht stabil genug ist. Die Indikation für die Resektion des Radiuskopfs wird nur in seltenen Fällen in Kombination mit stabiler Seitenbandführung und ausbleibender longitudinaler radioulnarer Translation gestellt. In der Regel wird die Radiuskopfresektion bei Patienten mit geringer Anforderung an das betroffene Ellengelenk, bei Infektsituationen oder gescheiterten Rekonstruktionsversuchen durchgeführt. Durch die Resektion des Radiuskopfs kann eine vorbestehende Instabilität noch verstärkt werden. Somit ist nach Resektion des Radiuskopfs eine gründliche Stabilitätsprüfung des Unterarms erforderlich. Dies beinhaltet die röntgengestützte Überprüfung der Varus-/Valgusstabilität und der longitudinalen radioulnaren Translation [40]. Bei vorhandener Instabilität besteht die Indikation zum prothetischen Ersatz. Zur Verfügung stehen monopolare, bipolare oder modulare Prothesensysteme [42]. Um die Größe der Prothese abschätzen zu können, bietet es sich an, den frakturierten Radiuskopf ,on table’ zu rekonstruieren. Anhand des rekonstruierten Kopfs lassen sich Durchmesser und Höhe ausmessen. Sowohl ein Under- als auch ein Over-Stuffing der Prothese können Arthrose, Schmerz und Instabilität verursachen [2, 22]. Im optimalen Fall endet die Radiuskopfprothese 1–2 mm distal der knöchernen Nase des Processus coronoideus (Abb. 8) [7]. Im Falle einer Mason-Typ-IV-Fraktur steht neben der Radiuskopffraktur die Stabilität des Ellenbogengelenks im Vordergrund. Eine Fraktur des Processus coronoideus ist Zeichen eines stattgehabten Luxationsmechanismus. Ab einer Fragmentgröße von 50 % ist eine Rekonstruktion indiziert (Abb. 9) [32].

Chirurgischer Zugang

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5