Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Radiuskopffraktur – wann operativ und wie?

Sofern keine Kontraindikation vorliegt, stellt der laterale Zugang den Standardzugang bei isolierten Radiuskopffrakturen dar. Der Patient liegt auf dem Rücken. Der betroffene Arm wird frei beweglich auf einen Armtisch ausgelagert. Der Hautschnitt beginnt ca. 2 cm oberhalb des gut zu tastenden Epicondylus humeri radialis und verläuft über den Radiuskopf bis ca. 5 cm distal des Ellenbogengelenks in Richtung der dorsalen Ulnakante. Nach dem Hautschnitt wird die Faszie längs gespalten und zwischen Musculus extensor carpi ulnaris und Musculus anconeus auf die Gelenkkapsel präpariert. Die Gelenkkapsel und, sofern notwendig, das Ligamentum anulare werden zur Exploration des Radiuskopfs inzidiert. Verletzungen des lateralen Seitenbandapparats können über den lateralen Zugang nach chirurgischer Versorgung der Radiuskopffraktur adressiert werden (Abb. 10). Beim lateralen Zugang am Ellenbogengelenk ist der Verlauf des Ramus posterior interosseus des Nervus radialis zu beachten.

Nachbehandlung

Für eine sichere Wundheilung wird nach operativer Versorgung einer Radiuskopffraktur eine Oberarmgipsschiene angelegt. Bei stabiler Versorgung der Radiuskopffraktur kann bereits ab dem 4. postoperativen Tag mit aktiv-assistierter Beübung aus der Schiene heraus begonnen werden. Im Falle der Rekonstruktion der Kollateralbänder sollte über 6 Wochen postoperativ eine Orthese getragen werden, um Valgus- oder Varusstress zu vermeiden [34]. Zur Prophylaxe heterotoper Ossifikationen ist bereits ab dem Unfalltag die Gabe von 2x 50 mg Indometacin per os zu empfehlen [10].

Diskussion

Für stabile nicht oder gering dislozierte Radiuskopffrakturen verspricht die konservative Therapie mit frühfunktioneller Behandlung des betroffenen Ellengelenks sehr gute bis exzellente Ergebnisse [26]. Herbertsson et al. konnte bei 32 Patienten mit konservativ therapierter Mason-Typ-I-Fraktur und einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 21 Jahren eine freie Funktion zeigen [15]. Ob der Ellenbogen für eine kurze Zeitspanne ruhiggestellt oder gleich beübt wird, scheint für das funktionelle Outcome keinen Unterschied zu machen. Liow et al. konnten dies im Rahmen einer prospektiven Studie zeigen [24]. Minischrauben erlauben bei partiellen Gelenkfrakturen eine stabile Osteosynthese und damit eine frühfunktionelle Nachbehandlung. Dislozierte Radiuskopffrakturen können über anatomisch geformte, winkelstabile Plattensysteme gegen den Radiusschaft fixiert werden und garantieren somit hinsichtlich Achse und Länge anatomische Verhältnisse des radiohumeralen Gelenks. Die Therapie der Radiuskopftrümmerfraktur ist unverändert fester Bestandteil der Diskussion. Mit der offenen Rekonstruktion, der primären Radiuskopfresektion und dem endoprothetischem Ersatz stehen 3 Behandlungsoptionen zur Verfügung [36]. In der Literatur finden sich zu jedem Verfahren Studien mit guten bis sehr guten Ergebnissen [8, 18, 33]. Esser et al. konnten bei 20 Patienten mit Mason-Typ-II- und Mason-Typ-III-Frakturen und nachfolgender Osteosynthese gute bis sehr gute Ergebnisse bei einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 7 Jahren zeigen [8]. Die Radiuskopfresektion wurde als effektive Therapieoption der Trümmerfraktur beschrieben [21]. Studien, welche die Radiuskopfresektion der Osteosynthese gegenüberstellten, konnten ein besseres funktionelles Outcome und eine geringere Rate an Arthrose bei den Patienten mit Erhalt des Radiuskopfs zeigen [17, 41].

Als häufigste Komplikation bei der alleinigen Radiuskopfresektion ist die Proximalisierung des Radius mit Subluxation im distalen Radioulnargelenk und die Valgusdeformität des Ellenbogengelenks beschrieben [23]. Insbesondere nach Ellenbogenluxation mit Ruptur des ulnaren Kollateralbands stellt der Radiuskopf den entscheidenden Stabilisator gegen Valgusstress dar [28]. Ist eine Rekonstruktion des Radiuskopfs nicht möglich und liegt gleichzeitig eine instabile Situation am Ellengelenk vor, ist die Implantation einer Radiuskopfprothese in Betracht zu ziehen. Grewal et al. berichten über 26 Patienten mit Implantation einer monopolaren Prothese bei nicht rekonstruierbaren Radiuskopffrakturen. Die Zufriedenheit der Patienten war bei einem mittleren Mayo Elbow Performance Index (MEPI) von 83 bei einem Nachuntersuchungszeitraum von 2 Jahren hoch [12]. Bei der primären Implantation einer Radiuskopfprothese ist neben der aseptischen Lockerung [37] das Over-Stuffing als Hauptkomplikation beschrieben [38]. Die Bioprothese nach komplexer Radiuskopffraktur stellt eine weitere Behandlungsoption dar. Hierzu wurden bisher nur Fallbeschreibungen veröffentlicht [4].

Fazit für die Praxis

Die Therapie der Wahl bei einer Radiuskopffraktur richtet sich nach der Frakturmorphologie. Radiuskopffrakturen vom Typ Mason I sind in der Regel konservativ zu therapieren. Radiuskopffrakturen vom Typ Mason II und Mason III sollten der operativen Therapie zugeführt werden. Ziel ist hierbei die Rekonstruktion des Radiuskopfs. Ist eine Rekonstruktion des Radiuskopfs nicht möglich, stellt die Bioprothese eine sinnvolle Alternative zur Radiuskopfprothese dar. Die Radiuskopfresektion ist nur bei absolut stabilen Bandverhältnissen in Betracht zu ziehen. Verletzungen des Kapselbandapparats sind häufig mit Radiuskopffrakturen vergesellschaftet. Somit ist die Radiuskopffraktur als osteoligamentäre Verletzung zu sehen und der Bandapparat sowohl in den Diagnostik- als auch Behandlungsalgorithmus miteinzubeziehen. Unabhängig von der Frakturmorphologie ist das Ziel der Therapie eine funktionelle Nachbehandlung um eine etwaige Gelenksteife vorzubeugen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Markus Gühring

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik

Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Eberhard Karls Universität Tübingen

Schnarrenbergstraße 95

72076 Tübingen

mguehring@bgu-tuebingen.de

Literatur

1. Amis AA, Miller JH. The mechanisms of elbow fractures: an investigation using impact tests in vitro. Injury 1995; 26: 163–168

2. Beingessner DM, Dunning CE, Gordon KD et al. The effect of radial head excision and arthroplasty on elbow kinematics and stability. The Journal of bone and joint surgery American volume 2004; 86-A: 1730–1739

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