Übersichtsarbeiten - OUP 09/2012

Rapidly destructive hip disease

A. Niemeier1,2, S. Seitz1,2 , W. Rüther1,2

Zusammenfassung: Der Begriff “Rapid(ly) destructive hip disease” (RDHD) wird in der Literatur verwendet, um eine seltene Arthropathie des Hüftgelenkes zu beschreiben, die durch eine schnell fortschreitende, massive Destruktion des Hüftgelenks charakterisiert ist. Obwohl rasch destruierende Verläufe auch bei Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis oder der Pyarthritis beobachtet werden können, scheint es darüber hinaus eine separate klinische Entität zu geben, die als RDHD bezeichnet wird und deren Ursachen und Pathomechanismen bisher ungeklärt sind. Diese RDHD weist typische radiologische und klinische Charakteristika auf. Es gibt eine klare Prädilektion des weiblichen Geschlechts um das 70.–75. Lebensjahr; der Hüftkopf wird
typischerweise binnen weniger Monate zu großen Anteilen resorbiert, der Prozess greift in späteren Stadien auf das Acetabulum über. Das Schmerzniveau ist außerordentlich hoch und in seltenen Fällen werden beide Hüftgelenke sequenziell befallen. Die Implantation einer Endoprothese mit kompletter Synovialektomie ist die Therapie der Wahl und führt in der Regel zum Sistieren der Krankheitsaktivität in dem betroffenen Gelenk. Die Operation sollte rechtzeitig genug durchgeführt werden, um das Ergebnis der Implantation einer acetabulären Komponente nicht zu gefährden. Wenn bei primär unaufälligem Röntgenbild ein heftiger Hüftschmerz persistiert, sollte nicht gezögert werden, auch bereits nach wenigen Wochen eine erneute Bildgebung in die Wege zu leiten, um diese seltene Erkrankung rechtzeitig zu diagnostizieren.

Schlüsselwörter: Rapid(ly) destructive hip disease, Coxarthrose, Hüfttotalendoprothese

Abstract: The term rapid(ly) destructive hip disease (RDHD) is used in the literature to designate a rare arthropathy of unknown cause that is characterized by a rapidly progressive destruction of the hip joint. The natural history and the clinical and radiological hallmarks are relatively well understood: the disease mostly affects female patients of about 70–75 years of age, the femoral head is being resorbed within a few to several months with additional destruction of the acetabulum at later stages; pain levels are extraordinarily high and both hips are sometimes affected sequentially. The treatment of choice is total joint arthroplasty with complete synovialectomy, which usually stops the disease activity and should be performed early enough before severe acetabular destruction occurs.

Keywords: Rapid(ly) destructive hip disease, osteoarthritis, total hip arthoplasty

Historie

In den 1950er bis 1980er Jahren ist dem Phänomen rasch verlaufender, destruktiver Coxarthropathien erstmals durch Publikationen, vorwiegend aus dem französischem Sprachraum, Aufmerksamkeit geschenkt worden [1–6]. Seit den 1990er Jahren hat sich in der englischsprachigen Literatur der Begriff der Rapid(ly) destructive hip disease (RDHD) oder Rapid(ly) destructive arthopathy of the hip durchgesetzt. Alternativ wird von einigen Autoren der Begriff Rapidly destructive osteoarthritis/arthrosis (RDO/RDA) oder Rapidly destructive coxarthrosis (RDC) verwendet [7–12], wobei diese Begrifflichkeit irreführend ist, da sie suggeriert, es handele sich um eine Unterform der Coxarthrose. Tatsächlich gibt es jedoch keine Daten, die diese Eingruppierung in die Arthrose rechtfertigen würden. Nachdem in den initialen Publikationen die Beschreibung des Phänomens der raschen resorptiven Zerstörung des Hüftkopfes unabhängig von der Ursache im Vordergrund stand, geht man inzwischen davon aus, dass es eine eigene Entität im Sinne einer Ausschlussdiagnose gibt. Obwohl die Ätiologie und Pathomechanismen zwar noch immer weitestgehend unklar sind, gibt es klar abgrenzbare spezifische radiologische und klinische Charakteristika, wobei jedoch bisher kein einziges klinisches, radiologisches, laborchemisches oder histo-pathologisches Kriterium bekannt ist, welches für sich allein genommen als pathognomonisch gelten könnte. Es ist die charakteristische Befundkonstellation, die nach Ausschluss einiger Differenzialdiagnosen, dann die Diagnose der „idiopathischen“ RDHD erlaubt.

Radiologischer Verlauf

Das wesentliche Merkmal der Erkrankung ist eine rasche, unter Umständen binnen weniger Monate ablaufende resorptive Destruktion des Hüftkopfes ohne Zeichen reaktiver Osteophyten, und kaum nennenswerten subchondralen Zysten. Der Hüftkopf wird zunächst in der Hauptbelastungszone resorbiert. Es resultiert eine deutliche von kranial ausgehende Hüftkopfabflachung mit supero-lateraler Subluxation. Es wirkt auf den ersten Blick häufig so, als sei der Hüftkopf regelrecht abgeschoren (Abb. 1b) [13]. Das initiale Röntgenbild bei Beginn der Symptomatik zeigt häufig einen relativ unauffälligen altersentsprechenden Befund oder eine milde Coxarthrose. Das Beispiel in Abbildung 1 zeigt einen Verlauf mit vollständiger Resorption des Hüftkopfes über einen Zeitraum von 8 Monaten (Abb.1 a–b). In diesem Fall weist das frühere Röntgenbild bei noch erhaltenem Hüftkopf, aber bereits vollständig aufgehobenem Gelenkspalt (Abb. 1a), auffallend wenige reaktive Veränderungen auf, wie sie bei einer primären Coxarthrose in diesem Stadium zu erwarten wären und ist sehr suggestiv für den später eingetretenen Verlauf (Abb. 1b). Radiologische Verläufe ungeklärter Genese wie dieser Fall werden in der Literatur als RDHD bezeichnet. Es besteht jedoch nach wie vor keine in der internationalen Literatur allgemein akzeptierte Definition des Begriffs und einige Autoren verwenden auch für solche Fälle synonym den Begriff RDO oder RDC [7, 11], obwohl radiologisch nach Beginn der rapiden Destruktion keine Gemeinsamkeiten mit einer Coxarthrose bestehen (Abb. 1) [11]. Zur besseren Trennung der Begrifflichkeit sollten aus Sicht der Autoren die Bezeichnungen RDO bzw. RDC für diese Fälle nicht weiter verwendet werden. Allenfalls für rasch progrediente Coxarthrosen, wie sie von Lequesne definiert wurden mit mehr als 2 mm oder mehr als 50% Gelenkspaltverschmälerung pro Jahr mit klaren Kriterien einer Coxarthrose sollte der Begriff RDO oder RDC Verwendung finden, um Verwirrung zu vermeiden [2, 14].

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