Übersichtsarbeiten - OUP 09/2012

Rapidly destructive hip disease

Für die eigentliche massiv destruierende RDHD wurde durch kernspintomographisch dokumentierte Verläufe beschrieben, dass in der frühen Phase Zeichen subchondraler Insuffizienzfrakturen sowohl im Hüftkopf als auch im Acetabulum vorliegen können [8–10].

Klinische Charakteristika

Es gibt eine klare Prädilektion für das weibliche Geschlecht mit einem Anteil von etwa 80–90% der Fälle, wobei das mittlere Lebensalter 70–75 Jahre beträgt [13, 15]. In etwa 80–90% bleibt die Erkrankung auf ein Gelenk beschränkt, und in etwa 10% kommt es zu einem sequenziellen bilateralen Befall [13]. Die Dauer des Verlaufs von einem relativ normalen Röntgenbild bis zur subtotalen Resorption des Femurkopfes und beginnender Destruktion des Acetabulums liegt zwischen 6 Wochen und 24 Monaten, im Mittel etwa 15 Monate [13, 15, 16]. Der kürzeste Verlauf in unserem eigenen Patientengut dauerte knapp 4 Monate vom radiologischen Normalbefund bis zur vollständigen Resorption des Hüftkopfes. Charakteristisch ist ein heftiger Schmerz, vor allem auch in Ruhe, der über das gewöhnliche Ausmaß bei einer primären Coxarthrose deutlich hinausgeht. Die Differenzialdiagnosen, die in Erwägung gezogen werden sollten und schließlich zu der Ausschlussdiagnose der „idiopathischen“ RDHD berechtigen, sind: infektiöse Arthritis (inkl. Tbc), Charcot Arthropathie, Hüftkopfnekrose [17], rheumatoide Arthritis [18–20], Kristallarthopathie (Hydroxylapatit) [21], Ochronose [22] sowie maligne Tumoren. Wenn diese Ausschlusskriterien strikt angewendet werden, handelt es sich letztlich um eine sehr seltene Entität: wir haben in den letzten 10 Jahren in unseren Kliniken etwa 4 Fälle pro 1000 Indikationen für primäre Hüftprothesen gesehen, andere Autoren berichten von einer vergleichbaren Größenordnung (3 Fälle auf 1500 Indikationen [7]) oder auch deutlich mehr mit 3,8% aller Indikationen [11]) bzw. knapp 10 % aller Indikationen [7].

Histopathologische Befunde

Ogawa et al haben durch die komparative histologische Analyse der Synovialis von 10 Hüften mit RDHD und 40 Hüften mit primärer Coxarthrose (OA) herausgearbeitet, dass ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal darin liegt, dass in der Synovialis von RDHD, nicht aber von OA, reife aktivierte Osteoklasten vorliegen [12]. Frühere Studien hatten bereits von osteoklastären Granulomen im Knochenmark der befallenen Hüftköpfe an den Stellen fokaler Knochendestruktion berichtet [23, 24]. In unserer eigenen aktuellen Fallserie (n = 14) mit Analysen von Hüftkopf und Synovialis haben wir diese Beobachtungen bestätigt (unveröffentlichte Daten).

Ätiologie und
Pathomechnismus

Die Ätiologie und Pathogenese bleiben bis heute weitgehend unbekannt. RDHD als Ausschlussdiagnose wie oben definiert muss derzeit noch als idiopathisch bezeichnet werden. Obwohl es einige Berichte gibt, die subchondrale Insuffizienzfrakturen in den frühen Stadien der Erkrankung beschreiben [8, 10, 25, 26], scheint ein systemischer Knochenmasseverlust trotz des Alters und Geschlechts der Patienten (weiblich, 70–75 Jahre) nicht primär als Ursache in Frage zu kommen [27]. Der Auslöser für die massive Osteoklastendifferenzierung, -fusion und -aktivierung in der Gelenkschleimhaut und im Knochen bleibt bis dato unklar.

Therapie

Die Therapie der Wahl ist der endoprothetische Hüftgelenkersatz mit Synovialektomie. Die mittelfristigen Ergebnisse zementfreier Hüft-TEPs und von Hybrid-TEPs bei RDHD sind in retrospektiven Studien mit Fallzahlen von 10–100 vergleichbar mit denen nach Implantation auf dem Boden einer Coxarthrose [6, 7, 28]. Mit dem Zeitpunkt der TEP-Implantation kommt der Krankheitsprozess im Gelenk zur Ruhe, eine weitere Progredienz nach Prothesenimplantation ist nicht beschrieben. Es ist wichtig, die Hüft-TEP-Implantation rechtzeitig genug vorzunehmen, bevor der destruktive Prozess auf das Acetabulum übergreift, da die acetabuläre Rekonstruktion dann bei ohnehin in der Regel deutlich verminderter Knochenqualität technisch schwierig werden kann und die Situation unter Umständen nicht mehr mit einer zementfreien Standardpfanne gelöst werden kann [11]. Abbildung 1c zeigt die Versorgung der Hüfte aus Abbildung 1a und 1b mit einer zementfreien Pfanne (Allofit S), die zwar ohne Schrauben noch sicher verankert werden konnte, aber aufgrund der kompromittierten Knochenqualität und beginnender Destruktion acetabulär bereits deutlich größer gewählt und tiefer plaziert werden musste als gewöhnlich (Abb. 1). In Abbildung 2 ist in einem früheren Stadium in der MRT-Bildgebung der Befall des Acetabulums bereits deutlich zu erkennen (Abb. 2). Ein Verlauf mit ausgeprägtem Befall des Acetabulums ist in Abbildung 3 dargestellt: Binnen 11 Monaten ist hier eine fortgeschrittene Destruktion eingetreten, die nicht mehr durch eine primär zementfreie Pressfitpfannen versorgt werden konnte, sondern einer aufwendigeren Rekonstruktion mittels Pfannendachschale bedurfte (Abb. 3 a–c).

Klinische Relevanz
und Ausblick

Für praktizierende Orthopäden und Unfallchirurgen ist es bedeutsam, das seltene Krankheitsbild der RDHD zu kennen, um nicht Gefahr zu laufen, durch verzögerte Diagnostik schwerwiegende acetabuläre Destruktionen und die damit verbundenen technischen Schwierigkeiten bei der acetabulären Rekonstruktion hinnehmen zu müssen.

Insbesondere bei Frauen um das 70. Lebensjahr mit ungewöhnlich starken persistierenden Hüftschmerzen und das Schmerzbild nicht erklärenden Röntgenbildern sollte man nicht zögern, auch in kurzer Abfolge erneute Verlaufsaufnahmen anzufertigen. Die Identifikation des Triggers für die Osteoklasten-Akkumulation in der Synovialis könnte in Zukunft der Schlüssel zum Verständnis der Erkrankung sein.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Andreas Niemeier

Klinik und Poliklinik für Orthopädie

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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