Übersichtsarbeiten - OUP 05/2016

Rasche ätiologische Zuordnung unklarer Arthritiden durch Analyse von Synovialflüssigkeit

Ines Dornacher1, Verena Schmitt1

Zusammenfassung: Eine Gelenkpunktion ist eine komplikationsarme diagnostische Maßnahme, die bei jeder unklaren Arthritis mit punktablem Gelenkerguss zur raschen differenzialdiagnostischen Abklärung indiziert ist.

Durch Bestimmung der Leukozytenzahl kann ein entzündlicher von einem nicht-entzündlichen, degenerativen Erguss unterschieden werden. Die Gramfärbung bzw. der im Verlauf positive mikrobiologische Kulturbefund beweisen eine septische Arthritis. Durch PCR-Bestimmungen können bakterielle, virale und pilz-induzierte sowie reaktive Arthritiden nachgewiesen werden. Eine polarisationsmikroskopische Untersuchung ermöglicht die Diagnose von Kristallarthropathien. Mikroskopisch nachweisbare Mikro- und Makropartikel können auf eine Prothesenlockerung hinweisen.

Die Analyse von Synovialflüssigkeit ermöglicht in vielen Fällen eine rasche diagnostische Einordnung unklarer Arthritiden und eine ursächliche Therapie, sodass chronische Gelenkschäden vermieden werden können.

Schlüsselwörter: undifferenzierte periphere inflammatorische
Arthritis (UPIA), Synovialflüssigkeitsanalyse, septische Arthritis, rheumatoide Arthritis, Kristallarthropathie, Prothesenabrieb

Zitierweise
Dornacher I, Schmitt V: Rasche ätiologische Zuordnung unklarer
Arthritiden durch Analyse von Synovialflüssigkeit.
OUP 2016; 5: 274–277 DOI 10.3238/oup.2016.0274–0277

Summary: Joint puncture is a low risk, well tolerated, albeit invasive procedure, which offers a unique diagnostic window in case of arthritis of unknown origin by means of synovial fluid analysis. Leucocyte number discriminates inflammatory from non-inflammatory, degenerative joint disease. Gram staining and subsequent synovial fluid culture prove infectious arthritis; PCR analyses provide evidence for an array of bacteria, virus and fungus induced acute and post infectious arthritis. Polarization microscopy demonstrates crystal arthropathies, e.g. in case of gouty arthritis. Micro- and macroparticles in the fluid sample can give a hint for prosthesis loosening.

Thus synovial fluid analysis provides important information for diagnostic classification of arthritis of yet unknown origin, in order to timely initiate specific therapy, and prevent irreversible joint damage.

Keywords: undifferentiated peripheral inflammatory arthritis (UPIA), synovial fluid analysis, septic arthritis, rheumatoid
arthritis, crystal arthropathy, prosthesis abrasion

Citation
Dornacher I, Schmitt V: Timely classification of arthritis of unknown origin by synovial fluid analysis
OUP 2016; 5: 274–277 DOI 10.3238/oup.2016.0274–0277

Hintergrund

Im klinischen Alltag gelingt bei einer großen Anzahl von Patienten mit peripherer Arthritis keine eindeutige differenzialdiagnostische Zuordnung zu einer definierten Entität. Dies ist nicht nur in frühen Erkrankungsstadien häufig der Fall, sondern oft auch noch nach längerem Krankheitsverlauf. Diese ätiologisch nicht zugeordneten Gelenkerkrankungen werden als undifferenzierte periphere inflammatorische Arthritiden (UPIA) bezeichnet. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der Rolle der Synovialflüssigkeitsanalyse bei UPIA.

Umfassende Empfehlungen zum Management einer UPIA wurden erstmals 2011 von einer 700 rheumatologische Experten umfassenden, internationalen Arbeitsgruppe, der 3e-Initiative („evidence, expertise, exchange“), veröffentlicht [1]. 2014 folgte eine entsprechende Stellungnahme beteiligter deutscher Kollegen [2].

Neben vielen anderen Empfehlungen wurde auch auf die Bedeutung der Analyse von Synovialflüssigkeit bei der UPIA eingegangen. Die 3e-Initiative identifizierte 2800 Publikationen zur UPIA, 250 Artikel genügten den wissenschaftlichen Ansprüchen, darunter 27 zur Synovialflüssigkeitsanalyse. Basierend auf diesen Arbeiten empfiehlt die Arbeitsgruppe die makroskopische und mikroskopische Untersuchung von Synovialflüssigkeit, da sie wichtige Hinweise zur Abgrenzung entzündlicher von nicht-entzündlichen Arthritiden gibt. Der Nachweis spezifischer Kristalle in der Polarisationsmikroskopie, der PCR-gestützte Nachweis intraartikulär persistierender Erreger und der Erregernachweis (Gramfärbung, Kultur) erlauben bei entsprechender Klinik die ätiologische Zuordnung, die richtige Behandlung und prognostische Aussagen. Die Synovialflüssigkeitsanalyse sollte nicht nur initial erfolgen, sondern auch bei Bedarf im Verlauf wiederholt werden [3].

Praktische Durchführung

In der Hand des erfahrenen Untersuchers ist die Gelenkpunktion eine schnelle und risikoarme Maßnahme; eine sterile Vorgehensweise ist Voraussetzung. Das Risiko für eine durch die Punktion verursachte Gelenkinfektion liegt bei 1:10.000 Punktionen.

Zur Analyse der Gelenkflüssigkeit reichen bereits wenige Milliliter Synovialflüssigkeit. Unter Umständen können in solchen Fällen nicht alle empfohlenen Untersuchungen erfolgen, aber eine umgehende mikroskopische Beurteilung im Direktpräparat (einzelner Tropfen auf Objektträger, mit Deckglas abgedeckt) zur orientierenden Zellzahlbeurteilung ist in der Hand des erfahrenen Untersuchers möglich.

Das Punktionsmaterial sollte nach Punktion zeitnah in die entsprechenden Probenröhrchen abgefüllt werden. Eine möglichst rasche Probenweiterverarbeitung ist unabdingbar, da es sonst zu Ausflockungen und Fehlbestimmungen kommen kann.

Zur Zellzahlbestimmung kommt die Bürker-Zählkammer zum Einsatz. Bei Bestimmung in einem auswärtigen Labor sollte Gelenkflüssigkeit in einem EDTA-Röhrchen versandt werden.

Für den Kristallnachweis, die Eiweißgehalt-Bestimmung und weiterführende Untersuchungen wie die PCR müssen sterile Röhrchen ohne Zusatz verwendet werden. Ein Heparin-beschichtetes Röhrchen eignet sich nicht, da Heparin u.a. beim Kristallnachweis interferieren kann.

Auch das Material zur bakteriologischen Untersuchung wird in einem sterilen Röhrchen versandt. Die Untersuchung einer größeren Flüssigkeitsmenge im Kulturmedium ist zu bevorzugen, da im Vergleich zum Abstrichröhrchen eine bessere Aussagekraft zu erzielen ist (s. S1-Leitlinie: Bakterielle Gelenkinfektion [4]).

Details der Logistik sollten jeweils mit dem zuarbeitenden Labor abgesprochen werden.

Angesichts der diagnostischen Bedeutung der Synovialflüssigkeitsanalyse und der Notwendigkeit einer zeitnahen Bearbeitung der Proben bieten wir in unserer Praxis an allen Wochentagen eine makroskopische Analyse, die Zellzahlbestimmung in der Bürker-Zählkammer sowie eine polarisationsmikroskopische Untersuchung zum Kristallnachweis an. Hierfür wird uns von den in der ATOS-Klinik Heidelberg und Umgebung arbeitenden Orthopäden und Unfallchirurgen eine verschlossene Punktatspritze zur sofortigen Weiterverarbeitung übergeben.

Diagnostische Kriterien

Die Synovialflüssigkeit wird bezüglich des Aussehens, des Zellgehalts und der Viskosität beurteilt (Tab.1). Die Menge des Gelenkergusses korreliert nicht unbedingt mit der Schwere der Arthritis.

Makroskopische Beurteilung

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