Übersichtsarbeiten - OUP 03/2015

Refresherkurs Sonografie der Bewegungsorgane
Die Hüftentwicklung, Überdachung und Labrum nach dem 1. Lebensjahr, Sonografie der Coxarthrose und der HüftendoprotheseHip development, femoral head coverage and acetabular labrum in children elder than one year, ultrasound findings in degenerative altera

N. M. Hien1

Zusammenfassung: Die Sonografie der Säuglingshüfte in der Methode nach R. Graf zur frühest möglichen Diagnostik der Hüftreifungsstörung im 1. Lebensjahr ist seit Jahren fest etabliert und Voraussetzung für beste Behandlungsergebnisse. Die zunehmende Verknöcherung der Femurkopf-Epiphyse begrenzt Grafs Methode auf das erste Lebensjahr. Danach bedarf es anderer Ultraschall-Techniken, um die Überdachung des Femurkopfs und die weitere Entwicklung der Hüfte zu untersuchen und zu beobachten und Verformungen so früh wie möglich zu entdecken, um weitere Schäden nach Möglichkeit zu vermeiden. Anhand der Daten aus 30 Jahren Hüftsonografie in Klinik und Praxis und mehr als 200 Fortbildungskursen werden unsere Kriterien dargestellt, wie die Femurkopf-Überdachung, die Entwicklung des azetabulären Knorpels und Labrums, das Containment, die Antetorsion und posttraumatische oder degenerative Veränderungen des Hüftgelenks zu messen und zu beurteilen sind. Auf dynamische Funktionstests und Kriterien für die
klinisch relevante Einschätzung von Operationsergebnissen und bei endoprothetischem Ersatz wird eingegangen.

Dieser Beitrag wurde 2014 als Vortrag gehalten anlässlich der 61. Jahrestagung der VSOU in Baden-Baden.

Schlüsselwörter: Sonografie, Ultraschall, Hüftgelenk Dysplasie/Luxation (DDH), Labrum acetabulare, Femurkopf Überdachung, Antetorsion, Funktionsanalyse, Entwicklungsbeobachtung,
Coxarthrose, Endoprothese

Zitierweise
Hien NM. Refresherkurs Sonografie der Bewegungsorgane.
OUP 2015; 03: 132–140 DOI 10.3238/oup.2015.0132–0140

Summary: Graf’s sonography of the infant hip to diagnose and treat DDH as early as possible is well established and precondition for best results. Due to the progressive calcification of the femoral head, Graf’s method is limited to the first year of a child’s life. After that different ultrasound techniques are used to examine and monitor femoral head coverage and further hip development and to detect malformations as early as possible to avoid further damage. Based upon the data of 30 years of hip sonography in clinic and practice and more than 200 instruction courses, our criteria to measure and evaluate femoral head coverage, development of the acetabular cartilage and labrum, containment, antetorsion and traumatic or degenerative alterations of the hip joint are shown as well as dynamic tests of functions and criteria to evaluate the results of operations and endoprothetic replacements with regard to their clinical relevance.

This lecture was held in 2014 at the 61st Spring Meeting of the VSOU in Baden-Baden

Keywords: sonography, diagnostic ultrasound, hip joint, dysplasia (DDH), hip displacement, acetabular rim, labrum, femoral head coverage, antetorsion, functional analysis, development observation, osteoarthritis, endoprothesis

Citation
Hien NM. Refreshing class sonography of hip joint.
OUP 2015; 03: 132–140 DOI 10.3238/oup.2015.0132–0140

Einleitung

Die Sonografie der Säuglingshüfte in der Methode nach R. Graf [2] erfordert die Darstellung von Unterrand Os ilium und Labrum acetabulare in der mittleren frontalen Standardebene von lateral. Die Methode ist auf das erste Lebensjahr begrenzt, da die zunehmende Verknöcherung der Femurkopf-Epiphyse die Darstellbarkeit des Os-ilium-Unterrands begrenzt. Nach dem 12. Lebensmonat sind daher andere Kriterien erforderlich, um die Überdachung des Femurkopfs und die weitere Entwicklung des Hüftgelenks zu beurteilen (Abb. 1).

Material und Methoden

Die Abbildung 2 zeigt links das Sonogramm des Hüftgelenks eines 13 Monate alten Kinds nach dem Ende der Methode nach R. Graf ab dem 2. Lebensjahr in der mittleren Frontalebene von lateral zunächst unzulässiger Weise in der gewohnten aufrechten Graf’schen Projektion „als rechte Hüfte“ mit eingezeichneten Messlinien und -winkeln; rechts dasselbe Sonogramm um 90° gedreht in üblicher Weise – links proximal, rechts distal – projiziert als „linke“ Hüfte mit Basislinie, extrapoliertem Femurkopfumriss und -querschnitt. Der Unterrand des Os ilium ist nicht mehr ausreichend sicher darstellbar, stattdessen wird die Schnittebene durch die extrapolierte Mitte des inzwischen großen knöchernen Femurkopfkerns gelegt.

Verschiedene Methoden zur Beurteilung und Messung der Femurkopf-Überdachung nach dem 1. Lebensjahr wurden angegeben. Entweder lehnen sich diese an die Methode nach R. Graf an, ohne die dafür erforderlichen Kriterien exakt einzuhalten [7, 8, 9, 14, 15], sie beschränken sich ausschließlich auf die Abschätzung der lateralen Femurkopf-Überdachung ohne exakte Ebenen-Definition [13, 14], oder es werden unzulässigerweise Beurteilungskriterien aus der Röntgenprojektion auf das sonografische Schnittbildverfahren angewendet [17, 18].

Nach unserer Methode [8] erfolgt die Untersuchung nach dem 1. Lebensjahr in Rückenlage und Neutral-Null-Stellung des Patienten, die Füße liegen schulterbreit. Zuerst wird im Längsschnitt frontal von lateral (Ebene 1) der Trochanter major, dann davon ventral der Femurkopf eingestellt. Dessen Mitte dient jetzt anstelle des nicht mehr darstellbaren Os-ilium-Unterrands als Orientierungs- und Rotationszentrum bei der Beurteilung des dorsalen, mittleren und ventralen Azetabulum-Rands, wie von der Untersuchungstechnik und den Standardebenen nach Graf her bekannt (Abb. 3). Im mittleren Standardschnitt (gerader Verlauf der Os-Ilium-Kontur) wird die laterale knöcherne Überdachung des Femurkopfs beurteilt. Eine gute laterale Überdachung liegt vor, wenn die Basislinie die knöcherne Kontur der Femurkopf-Epiphyse nicht schneidet, höchstens tangiert, wenn mehr als ¾ des Durchmessers des extrapolierten Femurkopfs medial der Basislinie liegen und im dorsalen, mittleren und ventralen Acetabulum-Bereich keine knöchernen Erkerdefekte nachweisbar sind.

Dann wird im Längsschnitt sagittal von ventral (Ebene 2) über der Mitte des ventralen Acetabulums, des Femurkopfs und des Schenkelhalses (Abb. 4) mit Sonde parallel zur Liegenoberfläche, die ventrale knöcherne Überdachung des Femurkopfs beurteilt. Eine gute ventrale Überdachung liegt vor, wenn die Grundlinienparallele durch den ventralen knöchernen Pfannenerker, die knöcherne Kontur der Femurkopf-Epiphyse nicht schneidet, allenfalls tangiert, wenn mehr als ¾ des Durchmessers des extrapolierten Femurkopfs dorsal der Grundlinienparallele liegen und ventral kein knöcherner Erkerdefekt nachweisbar ist. Bei ungenügender lateraler oder ventraler Überdachung (Abb. 5 und 6) erfolgt eine ergänzende Dokumentation mittels Röntgenbild.

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