Übersichtsarbeiten - OUP 03/2015

Refresherkurs Sonografie der Bewegungsorgane
Die Hüftentwicklung, Überdachung und Labrum nach dem 1. Lebensjahr, Sonografie der Coxarthrose und der HüftendoprotheseHip development, femoral head coverage and acetabular labrum in children elder than one year, ultrasound findings in degenerative altera

Die exakte Lagerung des Patienten, eine exakte klinische und sonografische Untersuchungstechnik und konstante Schnittebenen sind unverzichtbare Voraussetzungen für Messungen, Berechnungen und eine valide Beurteilung. Es darf nur entweder die Schallsonde oder das Gelenk bewegt werden, nicht beides gleichzeitig!

Ergebnisse

Bereits geringe Defizite der acetabulären Überdachung des Femurkopfs sind sonografisch darstellbar (Abb. 7 und 8) und dann ggf. Anlass für Maßnahmen der Verhaltensoptimierung oder für Verlaufskontrollen, ohne dass deshalb schon vermeintlich notwendige operative Konsequenzen gezogen werden müssen (Abb. 9 rechtsseitig). Bei Kindern mit Bewegungsstörung und Gefahr einer sogenannten sekundären Hüftluxation ist bereits die beginnende Lateralisierung oder Ventralisierung des Femurkopfs festzustellen und der Verlauf zu beobachten. So können präventiv konservative Maßnahmen eingeleitet werden (Krankengymnastik, Botulinumtoxin, Orthesen) bevor der Femurkopf irreversibel dezentriert [19] (Abb. 9 links).

Die Beurteilung des verbliebenen knorpeligen Erkers und des Labrum acetabulare ist auch nach dem 1. Lebensjahr frontal und sagittal möglich und wichtig für die Beurteilung der weiteren Entwicklung des Hüftgelenks. Bei fortbestehendem Verknöcherungsdefizit des Azetabulums bleibt der nach dem 12. Lebensmonat normalerweise schmale und kurze Rest des knorpeligen Erkers („physiologisches U“ nach R. Graf) länger breit und evtl. lang und weist damit eine größere Querschnittsfläche auf (Abb. 5 u. 6). Das normalerweise zarte und von der Gelenkkapsel nur gerade abgrenzbare Labrum stellt sich bei azetabulärem Verknöcherungsdefizit, mechanischer oder synovialer Irritation mit hypoechogener Umgebungszone und bei Erguss deutlich kräftiger dar und kann nach Form (zart/homogen oder verplumpt/heterogen) und Bewegungsverhalten unter dynamischer Funktionsprüfung beurteilt werden (Adduktion – Abduktion, Extension – Flexion, Außenrotation – Innenrotation) (Abb. 10). Zeigt die sonografische Funktionsprüfung bei endgradiger Bewegung eine auffällige Beweglichkeit und/oder Belastung des Labrums mit hypoechogener Umgebungszone, so ist von einem Formungsdruck des Femurkopfs auf diesen Bereich des Acetabulums bzw. des Acetabulums und Labrums auf den Femurkopf auszugehen, noch bevor dessen Auswirkungen im konventionellen Röntgenbild nachzuweisen sind als erkernahe Belastungszone, Bernbeck’ sches „Hundeohr“ oder Femurkopfentrundung („Bump“) (Abb. 11).

Die Hüftgelenke entwickeln sich nicht selten in der Frontal- und der Sagittalebene unterschiedlich und seitendifferent in Abhängigkeit vom individuellen Gewohnheitsverhalten, der sportlichen Betätigung und der Statik-Entwicklung. Mit Auftreten des Os acetabuli ab dem 9. Lebensjahr kommt es bei mäßiger Überdachung und geeigneter biomechanischer Belastung zur Nachverknöcherung des Erkers und damit zu einer – wenn auch beschränkten – Verbesserung der Gesamtüberdachung. Diese Entwicklung kann sonografisch in der Frontal- und Sagittalebene beobachtet und verfolgt werden, um bei nicht ausreichendem Erfolg konservativer Verhaltens- und Therapiemaßnahmen rechtzeitig operativ intervenieren zu können (Abb. 12).

Gelenkerguss und synoviale Reizzustände des Hüftgelenks sind sonografisch in der sagittalen und frontalen Ebene sicher zu erfassen und im Verlauf zu beurteilen. Rheumatologen propagieren hierfür auch den Längsschnitt von dorsal [16]. Ein zusätzlicher, im Seitenvergleich größerer Querschnitt des Femurkopf-Knorpels oder eine Auflockerung der knöchernen Kontur der Femurkopf-Epiphyse oder Metaphyse kann ein erster Hinweis auf den Beginn eines M. Perthes sein. Entscheidend ist bei der Verlaufsbeobachtung die sonografische Funktionsprüfung zur Beurteilung des lateralen und ventralen Containments im Abstand von ca. 6 Wochen. Bei Auftreten einer eindeutigen lateralen oder ventralen Labrum- oder Erkerbelastung mit hypoechogener Umgebungszone im Sinne eines Impingements bzw. einer „hinge abduction“ und drohendem Kopfüberstand ist bereits eine operative Verbesserung des Containments anzuraten, noch bevor radiologisch „head-at-risk“ Zeichen nachzuweisen sind (Abb. 13).

Die Abschätzung der Antetorsion des proximalen Femurs ist sonografisch möglich [1]. Hierzu wird aus der ventralen Kopf- und Schenkelhalskontur im exakt eingestellten sagittalen Schnitt von ventral (Ebene 2) der im Schallschatten liegende dorsale Konturanteil extrapolierend ergänzt und die Symmetrieachse von Kopf- und Schenkelhals eingezeichnet. Diese ergibt mit der Bildgrundlinie einen Winkel, der mit einer Genauigkeit von ± 5–10° mit dem radiologischen Antetorsionswinkel der Aufnahme nach Rippstein korreliert (Abb. 14).

Degenerative Anpassungen des Hüftgelenks sind bereits früher sonografisch nachzuweisen als im konventionellen Röntgenbild, außer bei Hüftprotrusion [8, 10, 13]. Erste Anzeichen sind Deformierungen des Labrums und labrum- bzw. erkernahe hypoechogene Zonen, lokale Flüssigkeit, Erguss und synoviale Reaktion oder Zysten (Abb. 15.1). Später sind knöcherne Gelenkrandausziehungen azetabulär und femoral und eine Abflachung oder Muldung („Sitzmulde“) der ventralen Femurkopfkontur, eine Minderung der femoralen Knorpelauflage und des sonografischen Gelenkspaltes zu beobachten (Abb. 15.2–15.4), bei fortgeschrittenen Arthrosen osteophytäre Anbauten (Abb. 16), Usuren und Destruktion der subchondralen Knochenkontur [4, 11]. Die Lokalisation der Veränderungen ist bei jedem Gelenk sehr unterschiedlich in Abhängigkeit von der individuellen Belastung und Funktion. Die ersten Anzeichen einer Labrum-Läsion finden sich meist ventrolateral bei Durchmusterung des Pfannenrands von Ebene 2 (sagittal) bis Ebene 1 (frontal). Um die klinische Relevanz der beobachteten Veränderungen beurteilen zu können, werden die o.g. dynamischen sonografischen Funktionsuntersuchungen durchgeführt (Abb. 16). Bei übermäßig guter knöcherner Überdachung ist ein Röntgenbild zum Ausschluss einer Protrusion erforderlich.

Die Längs- und Querebene frontal und transversal über dem Trochanter major dient vor allem ab dem mittleren Lebensalter dem Nachweis von Veränderungen im Ansatzbereich der Glutealschlinge mit dem M. vastus lateralis und dem Tractus iliotibialis. Tendinosen und Rupturen der Glutealschlinge und des Tractus iliotibialis, Kalzinosen, Bursitiden, Hämatome, Serome und Abrissfrakturen mit erheblicher Bedeutung für die Funktion des Hüftgelenks sind hier einfach nachzuweisen [12] (Abb. 17).

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