Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Rekonstruktion der originären Beinachse und Gelenklinie in der Knietotalendoprothetik

Nach Entfernen des Knorpels und der Bandresiduen von den knöchernen Auflagenflächen der Tibia mithilfe des Elektrokauters wird der tibiale Schnittblock positioniert und mit Schraubpins fixiert (Abb. 7). Wahlweise kann eine extramedulläre Überprüfung der Achsausrichtung erfolgen.

Die Resektionshöhe, welche durch den patientenspezifischen, tibialen Schnittblock vorgegeben ist, entspricht einem Niveau –2 mm in Bezug zur Planung (Prä-Schnitt). In den meisten Fällen muss anschließend noch eine 2-mm-Nachresektion erfolgen, die dann der geplanten Resektion entspricht.

Die erzielte Bandstabilität kann wahlweise mithilfe der implantierten Probekomponenten oder mithilfe eines klassischen Spacers beurteilt werden. Der Spacer ist in 2 Dicken vorhanden, welche den 2 erhältlichen Inlaydicken entsprechen, 0 mm und +2 mm.

Falls erforderlich, kann mithilfe des universellen Nachschneideblocks eine weitere tibiale Resektion erfolgen. Dieser wird auf die 2 ventralen Pinschrauben aufgesetzt.

Einige Kniegelenke mit größerer Band-Laxizität erfordern nach dem Prä-Schnitt keine weitere tibiale Resektion, wenn die erzielte Stabilität der Spalten als ausreichend beurteilt wird. Andersherum benötigen einige relativ steife Kniegelenke eine zusätzliche Resektion von +2 mm (+4 mm in Bezug zum Prä-Schnitt). Alle Schnitte werden über denselben Schnittblock durchgeführt, während die ventralen Schraubpins belassen werden.

Nachdem ein balanciertes Kniegelenk mit einem guten Bewegungsumfang in der Probereposition (Abb. 8) erzielt wurde (geringe mediolaterale Laxizität von 1–2 mm), kann die endgültige Tibiapräparation vorgenommen werden. Die patientenspezifische Tibiakomponente wird hierzu mit Pins fixiert und anschließend werden der kurze Schaft und die Finnen präpariert.

Präparation der Patella

Die Trochlea der Origin-Prothese ist patientenspezifisch designt, um der Form der nativen Patella zu entsprechen (anatomische Trochlea). Daher ist ein Patellarückflächenersatz generell nicht notwendig. Lediglich in Fällen schwerer Patellofemoralarthrose ist ein Rückflächenersatz empfohlen. In Fällen ausgeprägter Dysplasie wird die prothetische Trochlea als eine Standardtrochlea designt.

Endgültige Implantation

Nachdem alle Knochenflächen präpariert wurden, erfolgt die Zementierung der Implantate, beginnend mit der tibialen Komponente. Kapsel- und Wundverschluss folgen.

Postoperative
Nachbehandlung

Die Nachbehandlung von Patienten mit einem patientenspezifischen Oberflächenersatz unterscheidet sich nicht von denen mit einer konventionellen Prothese. Sie ist in erster Linie von der Art des operativen Zugangs bestimmt, z.B. medialer Standardzugang oder minder invasiver Mid-Vastus-Zugang. Sämtliche Nachbehandlungsschemata mit beschleunigter Mobilisation und verkürztem stationären Aufenthalt, rapid recovery, fast track u.ä., können uneingeschränkt angewendet werden.

Bisherige Ergebnisse

Die Origin-Prothese erhielt die CE-Zertifizierung im August 2018. Bis zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung am 1. Dezember 2018 wurden insgesamt 139 Patienten im Rahmen einer Post-market-Studie prospektiv erfasst. Hiervon waren 47 % männlich und 53 % weiblich. Die Indikationen verteilten sich wie folgt: 81 % primäre Gonarthrose, 12 % sekundäre Gonarthrose nach VKB-Ruptur, 3 % rheumatoide Arthritis, 3 % posttraumatische Gonarthrose und 1 % postinfektiöse Gonarthrose. Das durchschnittliche Alter war 69 Jahre (St.-abw. 9,5; Min. 40; Max. 92). Die durchschnittliche Körpergröße war 170 cm (St.-abw. 10; Min. 144; Max. 197). Das durchschnittliche Gewicht war 86 kg (St.-abw. 18; Min. 38; Max. 140). Der durchschnittliche BMI war 29 kg/m2 (St.-abw. 5; Min. 18; Max. 44). Die Komplikationsanalyse zeigte in 2 Patienten Bewegungseinschränkungen, welche durch eine arthroskopische Arthrolyse zufriedenstellend behoben werden konnten, sowie in einem Patienten heterotope Ossifikationen, welche als nicht behandlungswürdig eingestuft wurden.

Die Patientenzufriedenheit zum Zeitpunkt 3 Monate postoperativ ergab 89 % zufriedene bis sehr zufriedene Patienten, 8 % unentschlossene und 3 % unzufriedene. Kein Patient war sehr unzufrieden. Die Frage, ob sie sich der Operation noch einmal unterziehen würden, beantworteten 81 % mit Ja, 3 % mit Nein, 16 % waren unentschlossen.

Der Forgotten-joint-Score verbesserte sich von präoperativ durchschnittlich 12,5 auf durchschnittlich 42 nach 3 Monaten. Der Oxford-Score verbesserte sich von präoperativ 23 auf 35 nach 3 Monaten. Der Funktionsscore des KSS verbesserte sich von präoperativ 52 auf 94 nach 3 Monaten. Der Kniescore des KSS verbesserte sich von präoperativ durchschnittlich 33 auf 93 nach 3 Monaten.

Präoperativ hatten 25 % der Patienten eine Beugekontraktur von mehr als 5°, nach 3 Monaten nur noch 11 %. Der durchschnittliche Bewegungsumfang betrug präoperativ 120°, nach 3 Monaten 121°.

Es erfolgte eine radiologische Untersuchung mithilfe von postoperativen Ganzbeinstandaufnahmen. Hier wurden die Prothesenpositionierungen in der Frontalebene getrennt für die femorale und tibiale Komponente gemessen und die Messwerte der zweidimensionalen Röntgenaufnahmen in Bezug zur präoperativen dreidimensionalen Planung gesetzt. Abweichungen von mehr als 3° wurden als Ausreißer definiert. Diese Analyse zeigte, dass lediglich 6 % der femoralen Komponenten und 8 % der tibialen Komponenten mehr als 3° von der Planung abwichen.

Aufgrund des noch jungen Implantats kann naturgemäß nur über frühe Ergebnisse berichtet werden. Diese Studie wird weiter fortgeführt.

Potenzielle Vorteile der
patientenspezifischen
Knieprothetik

Vorteile für den Patienten

Diese Technologie basiert auf der Theorie, dass viele nicht zufriedenstellende Ergebnisse nach Knieprothesen oder auch residueller Schmerz auf der nicht anatomischen Rekonstruktion des Kniegelenks fußen, die durch eine medizinische, postoperative Untersuchung kaum festgestellt werden kann. Residueller Schmerz, Steifigkeit oder Instabilität sind häufig die sekundären Effekte einer inkorrekten Größenwahl [10, 18] oder einer Fehlrotation [4]. Darüber hinaus rufen die asymmetrischen Knochenresektionen aufgrund der bekannten Alignmentstrategien und/oder der nicht anatomischen Prothesenformen iatrogene Instabilitäten oder Steifigkeiten hervor. Die Autoren sind der Meinung, dass eine optimale Rekonstruktion der nativen Anatomie, inklusive der nativen Beinachse, die klinischen Ergebnisse nach Knieprothesen verbessern kann. Durch die patientenspezifische Planung werden außerdem dünnere Knochenresektionen und auch dünnere und leichtere Prothesen möglich.

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