Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019

Revision der instabilen Schulterendoprothese und Komplikationen

Aufgrund der grundsätzlichen biomechanischen Unterschiede von anatomischen und inversen Schulterendoprothesen sind auch die Ursachen für die Instabilität verschiedene. Das Ziel der Versorgung mit einer anatomischen Schulter-TEP ist die bestmögliche Wiederherstellung der physiologischen Anatomie, insbesondere im Hinblick auf die Wiederherstellung des Drehzentrums. Das Schultergelenk ist ein dynamisch zentriertes kraftschlüssiges Gelenk – an dieser Situation ändert auch die Implantation der anatomischen Endoprothese nichts [31]. Neben der Auswahl der richtigen Größe und Positionierung der Implantatkomponenten ist deshalb die Wiederherstellung der dynamischen Zentrierung durch ein perfektes Weichteilmanagement oberstes Ziel. Dazu gehören vor allem die adäquate Mobilisierung der kontrakten Gelenkkapsel und das Management des M. subscapularis (SCP) und seiner sehnigen Insertion am Tuberkulum minus [4, 16, 37]. Da Letzterer bei der Implantation regelhaft in einer vom Operateur bevorzugten Technik abgelöst und refixiert werden muss, liegt hier die größte Schwachstelle in der unmittelbar postoperativen Phase [37]. Die gezielte Nachbehandlung nach Schulter-TEP muss in jedem Falle Rücksicht auf die individuelle Situation des M. subscapularis nehmen [14].

Ist eines der strukturellen Grundelemente der Stabilität bei der Primärimplantation bzw. in der Nachbehandlung und Folgezeit signifikant beeinträchtigt, resultiert eine therapiebedürftige Instabilität der Prothese, die erhebliche funktionelle Beschwerden bei den Patienten nach sich zieht, verbunden mit Schmerzen und einer Reduktion der Aktivitäten des täglichen Lebens (Abb. 1–2).

Nur eine genaue Ursachenanalyse kann Ausgangspunkt für eine gezielte Therapiestrategie und damit für einen langfristigen Erfolg sein. Abweichend von der schematischen Darstellung in Abb. 1 und 2 liegen oft Mischformen vor, die eine besondere Herausforderung für die Durchführung einer Revisionsoperation stellen.

Revision instabiler
anatomischer
Schulterendoprothesen

Wie oben bereits geschildert, ist die Wiedereinheilung des SCP nach Schulter-TEP die Achillesferse der Prozedur [4, 12, 18, 22, 23, 36, 37, 38]. Ein Versagen der Refixation bzw. eine traumatische Ruptur geht mit schwerer Funktionsstörung, Verlust der kraftvollen Innenrotation, Schmerzen und Dezentrierung des Gelenks einher [29, 37]. Klinisch relevante anteriore Subluxationen und Luxationen sind häufig. Ist zusätzlich der coraco-acromiale Bogen durch unsachgemäße Voroperationen zerstört, könnten groteske Krankheitsbilder mit einer Luxation der Humeruskomponente bis unter die Haut entstehen (Abb. 3).

So unausweichlich die chirurgische Revision ist, so schwierig ist deren praktische Umsetzung. Eine nochmalige Refixation ist bei kurzem Intervall zwischen Index-OP und SCP-Ruptur, insbesondere bei jungen und aktiven Patienten, anstrebenswert, aber oft nicht dauerhaft erfolgreich. Lassen Retraktionsgrad und Zustand der Sehne keine Refixation mehr zu, kann eine Rekonstruktion mit Sehnenersatzmaterial ins Auge gefasst werden. Die Literaturangaben hierzu sind spärlich.

Eine Lösung des funktionellen Problems durch eine Muskel-Sehnen-Schwenklappenplastik (PMT – Pectoralis-major-Transfer) kann im Einzelfall eine Verbesserung der Situation herbeiführen. Mit einer kompletten Wiederherstellung der Funktion inklusive der Normalisierung der Innenrotationskraft (Lift-off-Test) ist in der Regel nicht zu rechnen [15]. Im Einzelfall kann aber die Wiederherstellung der Zentrierung für Alltagsbewegungen eine weitere Revision vermeiden bzw. deutlich herauszögern [15, 16].

Auch nach erfolgreicher Implantation einer Schulter-TEP mit perfekter Adressierung aller o.g. Anforderungen droht im langfristigen Verlauf das Auftreten einer Instabilität durch das sekundäre Versagen der Rotatorenmanschette. Die Mechanismen dieses pathologischen Prozesses sind offenbar multifaktoriell und noch nicht 100%ig verstanden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Vorhandensein einer Schulter-TEP sich nicht signifikant positiv auf diesen Prozess auswirkt, das Gegenteil dürfte eher der Fall sein.

Den häufigsten Anteil der Rotatorenmanschette, der von degenerativen Veränderungen betroffen ist, stellt der M. supraspinatus (SSP) dar. Die Folge sind ein Verlust der nach kaudal zentrierenden Wirkung des Muskels in der Frontalebene und damit ein Höhertreten des Humeruskopfs. Neben den offensichtlichen funktionellen Problemen, wie Reduktion der aktiven Beweglichkeit mit Kraftverlust für Abduktion und Flexion, Schmerzen durch subakromiales Impingement etc., kommt es unweigerlich zu einer exzentrischen Belastung der Glenoidkomponente, was mit Abrieb und Lockerung verbunden ist [16, 38]. Die Patienten klagen klinisch eher weniger über Instabilität als über Schmerzen, Funktionsverlust und Reduktion der Aktivitäten des täglichen Lebens.

Eine gezielte krankengymnastische Übungsbehandlung mit Kräftigung der noch vorhandenen Rotatorenmanschette (M. infraspinatus – ISP, SCP) im Verbund mit der Scapula-stabilisierenden Muskulatur kann im Frühstadium zur Beschwerdefreiheit und einem mittelfristig stabilen Verlauf führen.

Eine operative Rekonstruktion bei Therapieversagen und großen Sehnendefekten ist kaum erfolgversprechend und sollte unterbleiben. Für Sehnenersatzplastiken liegen keine ausreichenden Daten vor, um ein solches Vorgehen zu empfehlen. Gleiches gilt für die prinzipielle Möglichkeit von Muskel-Sehnen-Schwenkplastiken (LMT – Latissimus-dorsi-Transfer).

Für therapierefraktäre Läsionen der Rotatorenmanschette (sowohl SCP als auch SSP) kommt operativ die Konversion auf eine inverse Schulter-TEP in Frage. Die besondere Geometrie der Prothese und das Ausmaß der Koppelung kompensieren die RM-Insuffizienz. Dies spiegelt sich auch in der klinischen Realität wider: Die Konversion auf eine inverse Schulter-TEP ist der häufigste durchgeführte Eingriff bei Revision einer anatomischen Schulter-TEP [2, 3, 32].

Da wie oben beschrieben die natürliche Degeneration der Rotatorenmanschette unausweichlich ist, sollte die Konvertierbarkeit des Endoprothesenmodells bei der Planung der Primärimplantation unbedingt miteinbezogen werden [8, 21].

Revision instabiler inverser Schulterendoprothesen

Inverse Schulterendoprothesen (RSA) sind das Implantat der Wahl bei Revisionseingriffen und Wechseloperationen, Primäreingriffen bei Defektarthropathie und komplexen proximalen Humerusfrakturen mit schlechten Aussichten auf Frakturheilung und Ausbleiben einer Humeruskopfnekrose des älteren Menschen, Frakturfolgezustände mit Beeinträchtigung der Tuberkula und im Einzelfall auch bei nicht rekonstruierbaren RM-Defekten [21]. Eine sorgfältige Ursachenanalyse ist auch hier zwingend erforderlich für den Therapieerfolg (Abb. 2).

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