Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019

Revision der instabilen Schulterendoprothese und Komplikationen

Die unterschiedlichen Indikationen zeigen in der Praxis typische Muster für das Auftreten einer Instabilität. Eine Klassifikation, wie von der Arbeitsgruppe um Mark Frankle vorgeschlagen, hat sich noch nicht durchgesetzt [1].

Revisionsoperationen auch von sachgemäß durchgeführten Primärimplantationen sind mit einem oft nicht unerheblichen Weichteilschaden verbunden. Oberstes Augenmerk muss auf den Erhalt der Funktion des M. deltoideus gerichtet werden, der als wichtigster Motor der inversen Schulter-TEP Priorität hat. Das betrifft die Integrität des Muskels selbst als auch seiner Nervenversorgung mit dem N. axillaris. Schonende Präparation, Neurolyse des N. axillaris und Protektion beim Komponentenwechsel sind oberstes Gebot [30]. Zeit, chirurgischer und materieller Aufwand sind sekundär, da keine guten Rückzugsmöglichkeiten bei schlechter Deltafunktion bestehen [13, 20, 30]. Sensibilitätsstörungen im Versorgungsgebiet des N. axillaris am Oberarm (regiments badge) und/oder Muskelschwäche sollten Anlass für eine neurologische Abklärung inklusive Elektrophysiologie sein. Bei Erhalt der Kontinuität des Nervs ist eine zumindest teilweise Erholung im zeitlichen Verlauf zu erwarten.

Bei einer Beeinträchtigung des N. axillaris präoperativ vor einer geplanten Revisionsoperation kann bei Erhalt der Kontinuität des Nervs ebenfalls von einer Erholung der Funktion ausgegangen werden. Diese kann sich über mehrere Monate erstrecken, daher

  • 1. ist das Abwarten der Erholung vor Implantation wenig sinnvoll und
  • 2. muss in diesem speziellen Fall die postoperative Nachsorge besondere Rücksicht nehmen.

Bei drohender Dislokation der Prothese ist eine protrahierte suffiziente Orthesenversorgung notwendig, und die Rehabilitation kann nur verzögert und mit reduziertem Anspruch durchgeführt werden, bis die Deltafunktion wiederhergestellt ist.

Eine Funktionslosigkeit des Deltamuskels (strukturell oder nerval) führt zur Instabilität und zu sehr starken Funktionseinschränkungen [30]. Chirurgische Interventionsmöglichkeiten sind die Arthrodese bzw. Explantation mit Sine-sine-Arthroplastik [7, 35]. Letztere wird von den Patienten in diesen speziellen und zum Glück eher seltenen Fällen relativ gut toleriert. Eine Arthrodese ist bei vorhandenem Knochensubstanzverlust nur mit erheblichem operativem Aufwand verbunden. Die Aussichten auf Schmerzfreiheit und gute Funktion sind deutlich reduziert [33, 35].

Das Auftreten einer Instabilität nach Primärimplantation bei Defektarthropathie ist in der Regel Implantat- oder Implantations-assoziiert. Für jeden Prothesentyp existieren Implantat-spezifische Besonderheiten, die den Umfang dieses Beitrags sprengen, jedoch bestimmten allgemeinen Prinzipien folgen, wie z.B. leichte kaudale Neigung der Glenosphäre, Vermeidung eines Notchings am unteren Pfannenrand etc.

Größere Glenosphärendurchmesser erhöhen die Beweglichkeit (ROM) und verringern die Wahrscheinlichkeit eines knöchernen Impingements, sind aber in der Regel mit weniger Koppelung (Ausmaß des constraints) verbunden, was durch eine mit größerem Durchmesser einhergehende Lateralisierung und Verbesserung der Kompressionskraft des Deltamuskels in der klinischen Praxis wieder sehr gut kompensiert wird [5, 6, 10, 11].

Hier liegt auch ein Therapieansatz für Revisionsoperationen bei instabiler RSA. Ziel ist die verbesserte Muskelkraft des Delta durch lateralisierende Komponenten und Vergrößerung des Glenosphärendurchmessers [6, 10, 11].

Ein alleiniger Aufbau des humeralen Liners und damit die Verlängerung des Arms ist in der Regel nicht geeignet, instabile inverse Endoprothesen zu stabilisieren. Die Folge ist oft eine übergroße Spannung des Deltamuskels, was zu Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigung führt. Ermüdungsfrakturen des Akromions können die Folge sein, die oft eine langwierige Therapie nach sich ziehen und gelegentlich einer operativen Stabilisierung bedürfen.

Jede Versorgung von Frakturfolgezuständen ist mit einer oft ausgeprägten Deformität des Oberarmkopfs verbunden. Dies erschwert sowohl die intraoperative Orientierung und Ausrichtung der Komponenten und macht oft Kompromisse zwischen Realität und Anspruch unausweichlich. Im Einzelfall können schaftfreie Komponenten durch eine Loslösung der Koppelung an die anatomische Schaftachse hilfreich sein, oft ist das Knochenlager jedoch erheblich kompromittiert. In der eigenen Praxis findet sich häufig ein nach posterior disloziertes fehlverheiltes Tuberkulum-majus-Fragment, welches zum Impingement bei maximaler Außenrotation neigt und Ursache für eine Instabilität bei ansonsten gut sitzenden Prothesenkomponenten sein kann. Da die Funktion des ISP, welches an diesem Fragment inseriert für die Schulterfunktion sehr wichtig ist, muss im Einzelfall ein guter Kompromiss gefunden werden. Oft ist mit einer Lateralisation das Problem zufriedenstellend gelöst.

Bei der Implantation einer RSA für frische proximale Humerusfrakturen ist ein Erhalt der Tuberkula sinnvoll, da die inserierenden Sehnen einen wichtigen Beitrag zur Stabilität und Funktion leisten. Die Refixation muss der verringerten Knochenqualität und Blutversorgung im entsprechenden Patientengut Rechnung tragen.

Ein erheblicher Knochensubstanzverlust des proximalen Humerus bei Resektion oder Resorption der Tuberkula ist auch mit funktionellen Problemen behaftet, was die Deltafunktion angeht. Eine wichtige Komponente der Revision von Instabilitäten in solchen Fällen kann deshalb auch der Knochenaufbau sein, ggf. mit Allograft zur Verbesserung der Biomechanik des Deltamuskels [25, 27, 28, 34].

Komplikationen

Die wohl häufigste Komplikation nach der Revision einer instabilen Schulterprothese ist das Wiederauftreten der Instabilität [1, 2, 3, 7, 9, 24, 32, 38]. In solchen Fällen scheitert die Therapie oft an der mangelnden Fehleranalyse in Bezug auf die Primärimplantation. Liegt hier nur ein situativer und kein systematischer Fehler vor, ist die erneute Revision bei jetzt sorgfältiger Analyse und Planung erfolgreich. Andernfalls sollte zum Wohl des Patienten die Überweisung in ein spezialisiertes Zentrum erfolgen. Dadurch können mehrfache Wechseloperationen und das Entstehen einer Situation vermieden werden, in der kaum noch Rückzugsmöglichkeiten bestehen bei ursprünglich guter Ausgangslage.

Das Auftreten von Nervenschäden, besonders am N. axillaris, aber auch Plexusläsionen sind gehäuft anzutreffen. Die Mobilisation der Weichteile und die Neurolyse des N. axillaris sind zeitaufwendig und schwierig, da oftmals massives Narbengewebe die Visualisierung erschwert [2, 3, 20, 30, 38]. Zu beachten ist, dass das Gewebe mit der Anzahl der Revisionen insgesamt immer kontrakter wird, was die Rebalancierung des Gelenks und eine Lateralisation extrem erschwert, manchmal sogar unmöglich macht.

Zusammenfassung

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