Übersichtsarbeiten - OUP 01/2016

Rotatorenmanschettenrekonstruktion
Ob, wann und wie zu operieren?If, when and how to operate?

Achim Hedtmann1, Jörn Kircher1

Zusammenfassung: Klinisch symptomatische, strukturelle Rotatorenmanschettenschäden können konservativ wie operativ behandelt werden, wobei es eine Differenzialindikation gibt. Bei geringem funktionellen Anspruch
älterer Menschen kann bei radiologisch zentrierten Gelenken konservativ behandelt werden. Bei Partialdefekten bis zu
ca. 50 % der Substanz genügt die (endoskopische) subakromiale Dekompression.

Jüngere Individuen (< 65–70 Jahre) und ältere Menschen mit hohem funktionellen Anspruch sollten bei komplettem Defekt mit Rekonstruktion der Rotatorenmanschette behandelt werden. Gleiches gilt für traumatische Rupturen. Dabei sind endoskopische Verfahren bei kleinen und mittelgroßen Defekten und jüngeren Patienten den offenen Methoden gleichwertig. Bei Mehrsehnendefekten und älteren Patienten scheint die offene Methode noch überlegen. Überproportional zunehmende Operationszeiten und auch Kostengründe beeinflussen die Wahl des Operationsverfahrens bei sehr großen Defekten.

Die Ergebnisse der Rotatorenmanschettenrekonstruktion sind – unabhängig vom gewählten offenen oder endoskopischen Verfahren – abhängig von der Anzahl der betroffenen Sehnen, dem Retraktionsgrad der Sehnenstümpfe und der Trophik der zugehörigen Muskeln und dem Alter des Patienten.

In klinischer Erprobung bzw. noch experimentell sind Augmentationen oder Sehnensubstitutionen durch extrazelluläre Matrixtransplantate menschlicher oder tierischer Herkunft sowie die Applikation von verschiedenen Wachstumsfaktoren und Zelltherapien.

Schlüsselwörter: Rotatorenmanschette, Impingement,
Subakromialsyndrom, Rekonstruktion

Zitierweise
Hedtmann A, Kircher J: Rotatorenmanschettenrekonstruktion. Ob, wann und wie zu operieren?
OUP 2016; 1: 004–014 DOI 10.3238/oup.2015.0004–0014

Summary: Symptomatic structural lesions of the rotator cuff can be treated conservatively as well as with operation. But there exists a differential indication for these measures. For older people with low demands can be treated successfully by subacromial decompression, provided the joint is still stable in the frontal plan. Partial tears up to 50 % of tendon thickness can be treated well by subacromial decompression.

Younger individuals (< 65–70 years) and older people with high demands should be treated by repair of the rotator cuff. Endoscopic and open rotator cuff tears lead to equivalent results for small and medium sized tears. For large and massive tears, the open method still seems to be more reliable. Unproportionally increasing time of operation and costs can influence the choice of treatment as well.

Independent of the chosen method of operative treatment, there are several variables influencing the results of rotator cuff repair. These are number of involved tendons, degree of tenden retraction, trophicity of the muscles and age of the patient.

Other methods of treatment like augmentation or substitution of tendons by extracellular matrix transplants of human or animal origin as well as application of growths factors and cell therapies are still in the stage of clinical trials.

Keywords: rotator cuff, impingement, repair, subacromial
syndrome

Citation
Hedtmann A, Kircher J: Repair of the rotator cuff. If, when and how to operate?
OUP 2016; 1: 004–014 DOI 10.3238/oup.2015.0004–0014

Einleitung

Rotatorenmanschettendefekte der Schulter können symptomlos sein, führen aber häufig zur Symptomatik eines Subakromialsyndroms mit variablem Funktions- und Ruheschmerz, Zeichen des subakromialen Impingements, Schwäche und z.T. Bewegungseinschränkung, seltener auch Steife. Mehrheitlich sind degenerative Ursachen auslösend.

Die Supraspinatussehne ist am häufigsten betroffen. Beteiligung der Subskapularissehne findet sich in ca. 10 %. Bei degenerativen Rotatorenmanschettendefekten ist die Supraspinatussehne in ca. 95 % beteiligt, die Infraspinatussehne in ca. 30–40 %, die Subskapularissehne in ca. 10 %. Etwa die Hälfte aller klinisch manifesten kompletten Defekte ist auf die Supraspinatussehne beschränkt. Isolierte, nichttraumatische Defekte von Infraspinatus- oder Subskapularissehne treten nur in ca. je 1–2 % aller Fälle auf [1].

Traumatische Risse betreffen sehr viel häufiger auch die Subskapularissehne. Isolierte Rupturen der Subskapularissehne haben überwiegend traumatische Ursachen [2, 3].

Zusammenfassend kann man nach sonografischen und MRT-Untersuchungen bei symptomlosen Probanden von einer Häufigkeit kompletter Defekte von ca. 5–15 % im Alter von 50–60 Jahren, von ca. 15–30 % im 7. Dezennium und von > 30 % im 8. Dezennium ausgehen, wobei die Angaben der Literatur erheblich schwanken. Das durchschnittliche Alter der Patienten nimmt mit der Defektgröße zu [4, 5]. Bei Vorliegen eines RM-Defekts besteht eine Prävalenz eines symptomlosen Defekts der Gegenseite von ca. 35 % [5].

Ursachen der Rotatorenmanschettendegeneration sind intrinsische Faktoren der Vaskularität, da sowohl die Supra- als auch die Infraspinatussehne in den letzten 15 mm hypovaskulär sind [6], und die Sehnenbiologie [7, 8] mit anderer Komposition der Zusammensetzung der Gleitsehnen im Vergleich zu einer Zugsehne [9].

Hinzu kommen extrinsische Faktoren der präexistenten oder erworbenen subakromialen Enge bei bestimmten Akromionformen in der Parasagittalebene (Typ II und III nach Bigliani et al. [10]) sowie durch ein lateral herabhängendes und u.U. auch weit nach lateral reichendes Akromion [11, 12] wie auch sekundäre, enthesopathische Sporne. Balke et al. [13] fanden in einem Kontrollkollektiv 2 % Akromia vom Typ III und in einer Gruppe mit Impingementsymptomatik und RM-Defekten eine Häufigkeit von 20 %. Die sagittale Konfiguration des Akromions ist nicht korreliert mit der in der Frontalebene [13], d.h. die knöchernen Risikofaktoren können in beiden Ebenen unabhängig voneinander auftreten.

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