Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Skelettmetastasen – was sollte der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie wissen?

Zwei Faktoren bestimmen im Wesentlichen die Therapie der Knochenmetastase: Die Prognose des Patienten und die Stabilität des befallenen Knochens. Des Weiteren finden sich noch mehrere sekundäre Faktoren mit Einfluss (s.u.). Im Bereich der Wirbelsäule besteht eine Sondersituation durch eine drohende oder vorliegende neurologische Symptomatik. Selbstverständlich sind die Bedürfnisse des Patienten zu berücksichtigen.

Prognose

Die Prognose ist einer der wichtigsten Faktoren in der Therapieentscheidung und zugleich auch einer der schwierigsten. Es handelt sich immer um eine Abschätzung und nicht um eine individuelle Vorhersage. Für diese Abschätzung existieren verschiedene Scores. Im Bereich der Extremitäten und Wirbelsäule hat der Score nach Bauer (Tab. 2) weiterhin seine Berechtigung [1, 18]. Die Prognose setzt sich aus vielen Faktoren zusammen, klassische Faktoren sind: Primärtumor, Vorliegen und Anzahl viszeraler Metastasen, pathologische Fraktur, Alter, Geschlecht und Allgemeinstatus. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Ansprechen einer Systemtherapie. Spezielle Targeting-Therapien gegen spezifische Subgruppen einzelner Malignome werden hier in Zukunft weitere Differenzierungen bzgl. der Prognose nach sich ziehen.

Frakturrisiko

Das Eintreten einer pathologischen Fraktur führt zu einer Verschlechterung der Überlebenszeit. Der Vermeidung einer Fraktur kommt somit große Bedeutung zu. Als Risikofaktoren gelten: lytische Läsion, Größe, femorale Lokalisation, proximale Lokalisation, eine kraniokaudale Ausdehnung von > 30 mm und eine kortikale Infiltration von > 30 % [17]. Für die Einschätzung des Frakturrisikos im Bereich der langen Röhrenknochen kann der Mirels-Score zur Orientierung genutzt werden (Tab. 3) [12]. Ab 9 Punkten findet sich ein Frakturrisiko von 33 % in den nächsten 6 Monaten. Der Score zeigt eine hohe Sensitivität, jedoch eine geringe Spezifität mit einem nicht-unerheblichen Anteil unnötig stabilisierter Patienten. Des Weiteren wird die Strahlensensibilität des Tumors nicht berücksichtigt. Trotzdem bietet er dem Unerfahrenen die bisher beste Entscheidungshilfe.

Prinzipiell stehen folgende operativen Therapieverfahren zur Verfügung: alleinige Stabilisierung, Stabilisierung mit intraläsionaler Resektion und weite Resektion mit Rekonstruktion. Alle Verfahren können mit einer postoperativen Radiatio kombiniert werden. Die lokale Kontrolle steigt mit der Radikalität der Resektion und der Strahlensensibilität des Tumorgewebes.

Leithner et al. fordern das Einhalten der 3S („save, short and simple“) für die operative Therapie von Skelettmetastasen [11]. Prinzipiell können Metastasen entsprechend der Behandlung maligner Knochentumore einer weiten Resektion mit allen ihren Risiken zugeführt werden. Die weite En-bloc-Resektion in der Behandlung ossärer Metastasen ist lediglich unter bestimmten Konstellationen hinsichtlich Prognose und fehlenden Alternativen das Verfahren der Wahl (Abb. 1). Patienten sollten hierfür prinzipiell in Zentren überwiesen werden.

Die intraläsionale Resektion führt jedoch zu keiner langfristigen, lokalen Tumorkontrolle (Abb. 1). Durch die Kombination mit der Radiatio kann bei strahlensensiblen Tumoren jedoch eine langfristige und bei weniger strahlensensiblen Tumoren eine mittelfristige lokale Tumorkontrolle erreicht werden. Die intraläsionale Resektion ist in der Regel mit einer geringeren Morbidität verbunden. Einige Tumoren (z.B. Nierenzellkarzinom, Schilddrüsenkarzinom) sind gut vaskularisiert und können bei einer intraläsionalen Resektion erheblich bluten. Speziell im Becken- und Wirbelsäulenbereich sollte eine vorherige Embolisierung der Läsion in Erwägung gezogen werden. Der verbliebene Defekt muss je nach Größe und Belastung der Extremität gefüllt werden. In der Regel erfolgt dies alloplastisch mit Knochenzement im Sinne einer Verbundosteosynthese (Abb. 3).

Fazit für die Praxis

Der klinisch tätige Unfallchirurg und Orthopäde wird zunehmend mit Patienten mit ossären Metastasen konfrontiert werden. Folgende Punkte sind zu beachten:

Ein primärer Knochentumor sollte ausgeschlossen sein.

Die Therapie erfolgt im interdisziplinären Kontext mit Onkologen und Strahlentherapeuten.

Es stehen verschiedene chirurgische Therapieoptionen zur Verfügung.

Die Metastasierung stellt eine Generalisierung der Erkrankung dar.

Die Prognose und der Primärtumor bestimmen entscheidend die Lokaltherapie.

Das Eintreten einer pathologischen Fraktur sollte vermieden werden.

Die Therapie erfordert ein gesundes Augenmaß des Chirurgen hinsichtlich möglicher Unter- und Übertherapie.

Die Indikation zu einer postoperativen Strahlentherapie sollte besprochen werden.

Die weite Resektion stellt die Ausnahme dar, sollte aber unter speziellen Konstellationen in Erwägung gezogen werden

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Thomas Gösling

Klinik für Unfallchirurgie und
orthopädische Chirurgie

Klinikum Braunschweig gGmbH

Holwedestraße 16

38118 Braunschweig

t.goesling@klinikum-braunschweig.de

Literatur

1. Bauer HC, Wedin R: Survival after surgery for spinal and extremity metastases. Prognostication in 241 patients. Acta Orthop Scan 1995; 66: 143–6

2. Bethge A, Schumacher U, Wree A, Wedemann G: Are Metastases from Metastases Clinical Relevant? Computer Modelling of Cancer Spread in a Case of Hepatocellular Carcinoma. PLoS ONE 2012; 7: e35689

3. Bleau AM, Agliano A, Larzabal L, de Aberasturi AL, Calvo A: Metastatic dormancy: a complex network between cancer stem cells and their microenvironment. Histol Histopathol 2014; 29: 1499–510

4. Bundred N: Antiresorptive therapies in oncology and their effects on cancer progression. Cancer Treat Rev 2012; 38: 776–86

5. Casser HR, Seddigh S, Rauschmann M: Akuter lumbaler Rückenschmerz – Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Therapie. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 223–34

6. Even-Sapir E, Metser U, Mishani E, Lievshitz G, Lerman H, Leibovitch I: The detection of bone metastases in patients with high-risk prostate cancer: 99mTc-MDP Planar bone scintigraphy, single- and multi-field-of-view SPECT, 18F-fluoride PET, and 18F-fluoride PET/ CT. J Nucl Med 2006; 47: 287–97

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