Übersichtsarbeiten - OUP 01/2018

Sonografiegesteuerte Injektionen an der Wirbelsäule*
Darstellung der Regionen und praktisches VorgehenAnatomical regions and practical procedures

Bei Injektion direkt auf die Interartikularportion hin erreicht man den Ramus dorsalis der betreffenden Nervenwurzel und eine Anästhesie der proximalen und distalen Gelenkfacette. Eine Injektion in das Wirbelgelenk selbst ist weder sinnvoll noch technisch sicher möglich aufgrund des geringen Gelenkbinnenraums.

Die Injektion einer lumbosakralen Spinalwurzel erfolgt in der Ebene 3 zwischen den Processus costarii des jeweiligen Segments. Im Vergleich mit dem ap Röntgenbild werden die Processus costarii von S1 nach proximal abgezählt und der gewünschte Raum zwischen den Querfortsätzen punktiert: für die Wurzel L5 zwischen Querfortsatz L5/S1, für die Wurzel L4 zwischen Querfortsatz L4/L5. Die Punktionsnadel wird jeweils maximal um 5 mm über den Konturabbruch des jeweiligen Querfortsatzes hinaus nach ventral vorgeschoben und der betreffende Raum mit etwa 5 ml Lokalanästhetikum aufgefüllt (Abb. 3).

Die Caudalanästhesie erfolgt, wie von Niesel [5] beschrieben, über den Hiatus sacralis. Am Ende der Dornfortsatzreihe ist im Sonogramm im Wasserbad und beim Patienten der Konturabbruch der Processus spinosi gut erkennbar. Beim Patienten stellt sich die nach distal auslaufende Faszie echogen und das Filum terminale hypoechogen dar (Abb. 4). Abhängig von der Menge des über den Hiatus injizierten Lokalanästhetikums wird die Segmenthöhe und Ausdehnung der Sakralanästhesie bis zur S1-Wurzel hin bestimmt.

Für das Sakroiliakalgelenk wählen wir eine schräg transversale Schnittebene von unterhalb des Dornfortsatzes (proc. spinosus) L5 bzw. vom proc. spinosus S1 auf die Spina iliaca posterior superior zu (Abb. 5). In dieser Schnittebene zielen wir mit der Nadel im Sonobild von rechts oben auf den Übergang zum distalen Drittel des Abstands Iilium – Os sacrum in den dort liegenden Gelenkspalt. Nach spürbarem Durchstechen der fibrösen Kapsel und Knochenkontakt 1–2 mm Rückzug der Nadel und druckfreie Injektion in das Gelenk. Die Injektion der Flüssigkeit in das Gelenk selbst bleibt verborgen mangels Einblick in den Gelenkspalt. Bei ungewollter extraartikulärer Injektion ist die Gewebeflutung im Ultraschallbild zu beobachten. Abhängig von den individuellen Verhältnissen und der Lagerung kann die Ebene etwas steiler von cranial der Spina iliaca posterior superior oder flacher von caudal der Spina gewählt werden.

Die Injektion an der BWS intercostal erfolgt wie von Niesel [5] angegeben (Abb. 6). Hierbei gilt besondere Vorsicht, um sowohl die Verletzung der am Unterrand der Rippe liegenden Gefäße als auch eine akzidentelle Verletzung der Pleura zu vermeiden. Wir gehen vorzugsweise in der Ebene 3 lateral der Proc. transversi bzw. des Wirbelrippengelenks intercostal ein, am Oberrand der jeweiligen Rippe je nach Handling und Lagerung von caudal oder cranial kommend. Eine Injektion mit langer Nadel ohne Abstützung der Hand gegen den Patienten empfiehlt sich nicht, da z.B. ein plötzlicher Hustenstoß zur Pleuraperforation und zum Pneumothorax führen kann.

An der HWS schützen die überlappenden Gelenkfacetten den Spinalbereich vor akzidenteller Verletzung mit Ausnahme suboccipital und zwischen C1/2. Die Facetten werden vom Mastoid aus nach caudal abgezählt und die Segmenthöhe bestimmt, wobei beispielsweise die Radix C6 lateral und ventral der Facette C5/6 verläuft.

Es können sowohl in Ebene 2 die Gelenkfacetten selbst als auch in Ebene 3 mit minimalem Vorschub am lateralen Rand der Facette die jeweilige Spinalwurzel infiltriert werden (Abb. 7).

Suboccipitale Injektionen sind nur vom Geübten durchzuführen, da hier kein vollständiger knöcherner Schutz des Spinalkanals vorhanden ist. Sowohl der Ramus dorsalis der A. vertebralis als auch der dorsale Ast der Wurzel C1 und C2 verlaufen in enger Beziehung zum Atlasbogen C1.

Die dorsalen Wurzeln C1 und 2 lassen sich ohne Verletzung der Strukturen erreichen, wenn die Nadel unter sonografischer Kontrolle sicher nur bis auf 5 mm an die Knochenkontur des Bogens C1 herangeführt wird. Die zusätzliche Darstellung mit Farbduplex bietet noch mehr Sicherheit, Gefäßverletzungen zu vermeiden.

Nur für geübte Spezialisten geeignete Injektionstechniken mit sonografischer Führungshilfe sind Sakralwurzelblockaden durch die dorsalen Foramina (Abb. 8) und die Blockade des Ganglion stellatum von ventral zwischen Schilddrüse und A. carotis mit Zielrichtung auf den Wirbelkörper C6 bzw. den Querfortsatz C6 [2, 3, 5]. Eine vorangehende Abklärung der Halsgefäße mit Farbduplex wird dringend empfohlen; Farbe sollte auch bei der Injektion zugeschaltet werden.

Diskussion und
Zusammenfassung

Indikationen für paravertebrale Wurzel- und Sympathikusblockaden stellen in erster Linie Wurzelreiz-/-kompressionssyndrome dar; weiter radikuläre Schmerzsyndrome, z.B. bei Herpes zoster, oder chronische Schmerzsyndrome mit V.a. sympathische Beteiligung „sympatic mediated pain“. In der täglichen Praxis hat sich die sonografisch kontrollierte gezielte Facetten- und Spinalwurzelinfiltration seit Jahrzehnten bewährt. Kontrollierte Studien zur Wirksamkeit im Vergleich mit alternativen Führungshilfen (Röntgenbildwandler, CT, MRT) liegen bislang nicht vor. Es verwundert, dass in der jüngsten Auflage eines orthopädischen Standardwerks zu Injektionstechniken an der Wirbelsäule die sonografische Führungshilfe kaum erwähnt wird [4].

Vorteile sonografiegesteuerter Injektionen an der Wirbelsäule sind:

  • 1. die Reduktion des Kortikoid- und Opioid-Bedarfs auf einen Bruchteil der systemisch erforderlichen und üblichen Menge,
  • 2. eine höhere Treffsicherheit ohne Strahlenbelastung,
  • 3. eine bessere Segmentlokalisation sowie
  • 4. eine verminderte Komplikationsrate im Vergleich zu epiduralen oder spinalen Injektionen.

Risiken bestehen in der Gefahr der Gefäß- oder Nervenverletzung mit Auslösung von Blutungen, möglichen Infektionen, Kreislaufkomplikationen oder in der akzidenziellen Spinalanästhesie. Daher sind Notfallbereitschaft, Anästhesieprotokoll und Überwachung erforderlich. Die Auslösung einer Abhängigkeit im Sinne einer Schmerzchronifizierung bei gefährdeten Patienten ist nicht auszuschließen.

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