Übersichtsarbeiten - OUP 04/2022

Sportliche Aktivität nach moderner Hüft- und Knieendoprothetik
Eine aktuelle Literaturübersicht

Marcus R. Streit

Zusammenfassung:
Regelmäßige körperliche Aktivität ist ein entscheidender Faktor zur Prävention und Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen und hat positive Auswirkungen auf die mentale Gesundheit, das Wohlbefinden und die Lebensqualität. Durch die stark ansteigenden Versorgungszahlen immer jüngerer und aktiver Patienten ist die postoperative Sportfähigkeit nach endoprothetischer Versorgung im klinischen Alltag zunehmend relevant. In der modernen zementfreien Hüftendoprothetik erlaubt die Weiterentwicklung der Implantatsysteme mit geringen Verschleiß- und Lockerungsraten zunehmend liberalere Empfehlungen zur postoperativen sportlichen Aktivität, sodass auch high-impact Sportarten möglich werden. Nach Kurzschaftendoprothetik und Oberflächenersatz der Hüfte werden sehr hohe Aktivitätslevel und eine hohe Return-to-sports-Rate in der Literatur beschrieben. Das erreichte Aktivitätsniveau und die Return-to-sports-Rate liegen nach Hüftendoprothetik und Knieteilersatz etwas höher als nach der Versorgung mittels Knietotalendoprothese. Die meisten Patienten können innerhalb von 3–6 Monaten sportliche Aktivitäten wiederaufnehmen. Langzeitergebnisse zu den Auswirkungen von sportlicher Aktivität auf die Implantatstandzeit sind allerdings bisher unzureichend untersucht.

Schlüsselwörter:
Sportliche Aktivität, Endoprothetik, Hüft-TEP, Knie-TEP, Knieteilgelenkersatz

Zitierweise:
Streit MR: Sportliche Aktivität nach moderner Hüft- und Knieendoprothetik. Eine aktuelle
Literaturübersicht.
OUP 2022; 11: 145–149
DOI 10.53180/oup.2022.0149-0149

Summary: Regular physical activity is a crucial factor in the prevention and treatment of a wide range of diseases and has positive effects on mental health, well-being and quality of life. Due to the sharp increase in the number of younger and more active patients being treated, the ability to exercise postoperatively after endoprosthetic treatment is becoming increasingly relevant in everyday clinical practice. In modern uncemented total hip arthroplasty, the further development of implant systems with low rates of wear and loosening allows increasingly liberal recommendations for postoperative sporting activity, so that high-impact sports are also possible. Very high activity levels and a high return-to-sports rate are described in the literature after short-stem arthroplasty and resurfacing of the hip. The level of activity achieved and the return-to-sports rate are slightly higher after hip arthroplasty and partial knee replacement than after treatment with a total knee arthroplasty. Most patients can resume physical activity within 3–6 months. However, long-term results on the effects of physical activity on the implant survival have not been adequately investigated to date.

Keywords: Sports, activity, total hip replacement, total knee replacement, partial knee replacement

Citation: Streit MR: Sports and activity after contemporary hip and knee replacement. A current literature review.
OUP 2022; 11: 145–149; DOI 10.53180/oup.2022.0149-0149

ARCUS Kliniken, Pforzheim

Einleitung

Regelmäßige körperliche Aktivität wird heute als bedeutsamer Faktor zur Prävention und Behandlung von Herzerkrankungen, Übergewicht, Bluthochdruck, Schlaganfällen, Diabetes und verschiedenen Krebserkrankungen wie Brust- und Kolonkarzinomen angesehen. Sie hat zudem positive Auswirkungen auf die mentale Gesundheit, das Wohlbefinden, die Lebensqualität und die körperliche Fitness [6]. Nach Implantation einer Hüft- oder Knieendoprothese können regelmäßige körperliche Aktivität und eine gute Fitness zur Verminderung des Sturzrisikos beitragen und sich positiv auf die Knochendichte, Implantatfixation und Lockerung auswirken [17]. Andererseits bestehen auch potentiell negative Auswirkungen auf das Implantat, allen voran ist hier der Verschleiß der Gleitpaarung zu nennen, hier in der Regel der Polyethylenabrieb, der langfristig zu Osteolysen und Implantatlockerung führen kann. Allerdings ist der Verschleiß hier nicht nur abhängig von dem Ausmaß der körperlichen Aktivität, sondern wird auch von weiteren Faktoren wie der mechanischen Belastung (insbesondere abhängig vom Körpergewicht, Art der Aktivität, motorischer Kontrolle und Technik) beeinflusst. Hierbei spielt unter anderem eine große Rolle, ob die Sportart neu erlernt oder schon seit Jahren sicher beherrscht wird.

In den letzten Jahren ist ein zunehmender Trend zur Versorgung von Patienten im jüngeren und mittleren Lebensalter erkennbar, der sich den Projektionen in aktuellen Arbeiten zufolge insbesondere in der Knieendoprothetik fortsetzen wird [14]. Diese jüngeren Patienten streben in vielen Fällen neben einer Steigerung der Lebensqualität insbesondere durch Schmerzreduktion und verbesserter Mobilität auch eine Wiedererlangung der sportlichen Belastbarkeit an [2]. Die moderne zementfreie Hüftendoprothetik mit hochabriebsfesten Keramik/HXLPE-Gleitpaarungen und der unicondyläre Kniegelenkersatz mit Erhalt der natürlichen Kniegelenkskinematik ermöglichen zunehmend weniger restriktive Empfehlungen zur postoperativen sportlichen Belastbarkeit [19].

Sport nach
Hüftendoprothetik

Bei der früher üblichen zementierten Verankerungstechnik bestand keine biologische Verbindung zwischen Implantat und Knochen und es konnte durch zyklische Belastung zur Lockerung im Knochen-Zementinterface oder zu Zementfrakturen kommen. Zudem war mit älterem gering vernetztem Polyethylen ein deutlich erhöhter Abrieb als Folge von vermehrter mechanischer Beanspruchung messbar, sodass Sportarten mit hoher Belastung als kritisch für das Langzeitüberleben anzusehen waren.

Diese Limitationen treffen auf die heute übliche zementfreie Verankerungstechnik der Hüftimplantate mit einer biologischen Knochen-Implantat-Verbindung durch Osteointegration der rauen Titanoberfläche und hochabriebfesten HXLPE als Gleitpartner nicht mehr zu. In einer aktuellen Arbeit konnte daher in einer Umfrage unter deutschen Endoprothetik-Spezialisten gezeigt werden, dass mit dem Einsatz verbesserter Implantate und OP-Techniken (z.B. minimalinvasive anterolateraler oder anteriorer Zugang) zunehmend auch high-impact Sportarten (Tab. 2) empfohlen und Patienten generell zu einem aktiven Lebensstil ermutigt werden [19].

Es gibt bisher keine Evidenz, dass vermehrte körperliche Aktivität zu einer erhöhten Versagensrate im kurz- und mittelfristigen Verlauf führt, allerdings gibt es nur wenige Studien mit einem Follow-up von mehr als 10 Jahren.

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