Übersichtsarbeiten - OUP 01/2021

Steife nach Radiuskopfprothese
Welche Fehlerquellen gibt es?

Jules-Nikolaus Rippke, Natalie Mengis, Kilian Wegmann, Lars Müller, Klaus Burkhart

Zusammenfassung: Die Komplikationsmöglichkeiten nach Implantation einer Radiuskopfprothese
sind mannigfaltig. Das offensichtliche Problem ist meist die Steife. Häufig liegt eine Kombination von Problemen wie Steife, Instabilität und Knorpelschäden vor. Die Differenzierung des Hauptproblems ist
oft schwierig.

Schlüsselwörter: Radiuskopf, Prothese, Steife, Komplikation, Revision, Overlengthening, Instabilität

Zitierweise: Rippke JN, Mengis N, Wegmann K, Müller LP, Burkhart KJ: Steife nach Radiuskopfprothese. Welche Fehlerquellen gibt es? OUP 2021; 10: 020–025 DOI 10.3238/oup.2021.0020–0025

Summary: There are many possible complications following radial head arthroplasty. The most obvious is normally stiffness. In many cases there is a combination of problems such as stiffness, instability and cartilage damage. Differentiating the main cause is often difficult.

Keywords: radial head, arthroplasty, stiffness, complication, revision, overlengthening, instability

Citation: Rippke JN, Mengis N, Wegmann K, Müller LP, Burkhart KJ: Stiffness following radial head arthroplasty. What are the pittfalls? OUP 2021; 10: 020–025 DOI 10.3238/oup.2021.0020–0025

Jules-Nikolaus Rippke, Natalie Mengis: ARCUS Kliniken Pforzheim; Klaus Burkhart: ARCUS Kliniken Pforzheim und Universität zu Köln

Kilian Wegmann, Lars Müller: Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Köln (AöR)

Einleitung

Der Radiuskopf spielt eine zentrale Rolle in der Biomechanik des Ellenbogengelenkes. Zum einen fungiert er als sekundärer Stabilisator gegenüber Valgusstress neben dem medialen Kollateralband (MCL), das den primären Stabilisator darstellt. Zum anderen werden ca. 60 % der Axialkräfte vom Handgelenk über den Radiuskopf auf den Oberarm übertragen. Weiterhin trägt der Radiuskopf durch seine konkave Form, die mit dem konvexen Capitulum artikuliert, zusammen mit dem Coronoid zur Stabilisierung gegenüber der posterolateralen Rotationsinstabiliät (PLRI) bei. Bei nicht rekonstruierbaren Radiuskopffrakturen stellt die Implantation einer Radiuskopfprothese die Therapie der Wahl dar, um die Biomechanik des Ellenbogens möglichst gut zu erhalten.

Die Komplikationsmöglichkeiten nach Radiuskopfprothese sind mannigfaltig. Häufig liegt eine Kombination von Problemen wie Steife, Instabilität und Knorpelschäden vor. Die Differenzierung des Hauptproblems ist oft schwierig. Das offensichtliche Problem ist meist die Steife. Die Steife ist die häufigste Komplikation nach Ellenbogenverletzungen. Ihr muss nicht unbedingt eine sekundäre Pathologie zugrunde liegen.

Jedoch maskiert eine Steife nicht selten eine Instabilität. Die Implantation einer Radiuskopfprothese bedeutet nicht gleichzeitig, dass der Ellenbogen damit ausreichend stabil ist [4]. Werden die ligamentären Begleitverletzungen nicht adäquat adressiert, verbleiben weiterhin Instabilitäten. Im Gegensatz zur Hüfte kann die Stabilität des Ellenbogens durch eine Verlängerung der Prothese jedoch nicht verbessert werden. Vielmehr führt dies zu einer weiteren Destabilisierung, da die Ligamente nicht anatomisch rekonstruiert werden können.

Knorpelläsionen können zum einen durch das Trauma selbst, zum anderen durch eine falsche Implantation der Prothese entstehen. Das häufigste Problem ist, dass Radiuskopfprothesen zu hoch eingebracht werden. Der Radius wird gegenüber der Ulna verlängert. Durch den erhöhten Druck wird der weichere Knorpel des Capitulum humeri abgerieben, die Prothese schleift sich regelrecht ein. Bereits ein geringes Overlengthening von 1–2 mm kann zu erheblichen Knorpelschäden führen [9, 20]. Daher gilt es, selbst ein geringes Overlengthening unbedingt zu vermeiden bzw. frühzeitig zu korrigieren, da die Langzeitprognose der Radiuskopfprothese mit der Knorpelsituation des Gelenkpartners steht und fällt.

Instabilität

Radiuskopffrakturen gehen zu einem hohen Prozentsatz mit Verletzungen des MCL und LCL einher [3]. Eine signifikante Instabilität wird durch die Implantation einer Radiuskopfprothese nicht ausgeglichen [4]. Im Rahmen der klinischen und radiologischen Untersuchung muss eine Stabilitätstestung sowohl für die Varus-, Valgus- und posterolaterale Rotationsinstabilität erfolgen [11]. Eine PLRI wird im eigenen Vorgehen mittels Pinzettengriff untersucht. Die klinischen Tests sind im Untersuchungsheft der DVSE und AGA detailliert beschrieben. Zusätzlich wird in den radiologischen Aufnahmen auf Instabilitätszeichen geachtet. In ausgeprägten Fällen ist die Diagnosestellung einfach, wenn die klinische Untersuchung eindeutige Instabilitäten aufzeigt und radiologisch eine Subluxation sichtbar ist. In den meisten Fällen ist die Diagnostik der Instabilität jedoch kompliziert, da die Instabilitätsdiagnostik aufgrund der Steife erschwert ist. Die Patienten spannen meist aus Schmerzgründen in der klinischen Untersuchung gegen und verhindern so eine sichere Beurteilbarkeit. In den radiologischen Aufnahmen ist eine Subluxation meist nicht sichtbar, da eine Untersuchung in Streckstellung nicht möglich ist und somit das Gelenk durch die Flexion reponiert wird oder die muskuläre Kompensation eine Subluxation verhindert.

Daher sollte bei der Arthrolyse auch immer an eine Stabilitätstestung in Narkose gedacht werden. Diese erfolgt vor dem Hautschnitt. Ggf. kann sie jedoch aufgrund der Arthrofibrose nicht ausgelöst werden. Daher sollte im Anschluss an die Arthrolyse eine erneute Stabilitätsprüfung erfolgen. Bei signifikanter Instabilität erfolgt entweder direkt oder zweizeitig eine uni- oder bilaterale Bandplastik.

Overlengthening

Radiuskopfprothesen werden häufig zu hoch eingebracht. Der Radius wird dadurch relativ zur Ulna verlängert. Der Druck auf das Capitulum steigt, was zu schweren Knorpelschäden führen kann. Ein Overlengthening ist häufig schwierig, klinisch und radiologisch nachzuweisen. Ein exzessives Overlengthening lässt sich radiologisch gut erkennen (Abb. 1). Ein geringes Overlengthening von wenigen Millimetern nachzuweisen, ist meist nicht sicher möglich [7]. Oft bleibt daher nur die Abschätzung des Overlengthening am ap-Röntgenbild mit der lateralen Coronoidkante als Referenz.

Frank et al. konnten zeigen, dass sich das Overlengthening erst ab 6 mm sicher im ap-Röntgenbild nachweisen lässt [7].

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