Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024

Symphysitis und Symphysenlockerung

Philipp Koehl, Markus-Johannes Rueth, Maria Dietrich, Mathias Wittmann, Alexander Schuh

Zusammenfassung:
Die Symphyse (Symphysis pubica) ist die Verbindung der beiden Schambeine und stellt anatomisch eine Synchondrose dar. Im normalen Zustand besteht beim Erwachsenen eine geringe Beweglichkeit der Symphyse mit einer Rotation von 3° und einer physiologischen Weite von 2–6 mm. Die Osteitis pubis (Symphysitis) kommt insbesondere bei Athleten mit Schuss-, schnellen Akzelerations- und Dezelerationsbewegungen sowie Richtungswechseln der Bewegung vor. Die Inzidenz der schwangerschaftsassoziierten Symphyseninstabilität beträgt bis zu 1:300. Beide Krankheitsbilder sollten zunächst intensiv konservativ auch mittels Ruhigstellung mit einem Becken- bzw. Symphysenkompressionsgurt behandelt werden. Die operative Behandlung der sportassoziierten Symphysitis ist die (mini-)offene oder endoskopische Kürettage/Teilresektion der Symphyse, die Symphyseodese mit Knochentransplantat oder Wedge-Resektion. Die operative Behandlung der schwangerschaftsassoziierten Symphyseninstabilität ist nach einer erfolglosen konservativen Therapie nach
6 Monaten, einer Symphysenweite > 2,5 cm, bzw. einer erneut aufgetretenen Instabilität
nach Abnahme des Beckengurts indiziert.

Schlüsselwörter:
Symphyse, Symphysitis, Instabilität, konservative Therapie, operative Therapie

Zitierweise:
Koehl P, Rueth M-J, Dietrich M, Wittmann M, Schuh A: Symphysitis und Symphysenlockerung
OUP 2024; 13: 4–9
DOI 10.53180/oup.2024.004-009

Summary: Symphysis (symphysis pubica) is the connection of the two pubic bones and anatomically represents a synchondrosis. In the normal state, there is little mobility of the symphysis in adults with a rotation of 3° and a physiological width of 2–6 mm. Osteitis pubis (symphysitis) occurs especially in athletes with shooting, rapid acceleration and deceleration movements as well as changes in the direction of movement. The incidence of pregnancy-associated symphyseal instability is up to 1:300. Both conditions should initially be treated intensively conservatively, including immobilization with a pelvic or symphysis compression belt. Surgical treatment of sports-associated symphysitis is (mini-) open or endoscopic curettage/partial resection of the symphysis, symphyseodesis with bone graft or wedge resection. Surgical treatment of pregnancy-associated symphyseal instability is indicated after unsuccessful conservative therapy of 6 months or if the symphysis pubis width is > 2.5 cm or if instability recurs after removal of the pelvic belt.

Keywords: Symphysis, symphysitis, instability, conservative therapy, operative therapy

Citation: Koehl P, Rueth M-J, Dietrich M, Wittmann M, Schuh A: Symphysitis and instability of the pubic
symphysis
OUP 2024; 13: 4–9. DOI 10.53180/oup.2024.004-009

P. Koehl: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Fichtelgebirge, Marktredwitz

M.-J. Rueth: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Sektion Sportorthopädie, Klinikum Fichtelgebirge, Marktredwitz

M. Dietrich: Frauenklinik, Klinikum Fichtelgebirge, Marktredwitz

M. Wittmann: Radiologisch-nuklearmedizinische Praxis, Weiden

A. Schuh: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sektion Muskuloskelettale Forschung, Klinikum Fichtelgebirge, Marktredwitz

Einleitung

Die Symphyse (Symphysis pubica) ist die Verbindung der beiden Schambeine und stellt anatomisch eine Synchondrose dar. Ihre Form unterliegt großen interindividuellen Variationen, welche häufiger bei Frauen als bei Männern beobachtet werden [7, 14, 18, 19]. Die Ossa pubica sind durch den 2–3 mm dicken, faserknorpelhaltigen Discus interpubicus fest verbunden. Eine dünne, unmittelbar dem Knochen angelagerte Zone besteht aus hyalinem Knorpel. Im Discus interpubicus befindet sich bei den meisten Menschen ein variabel ausgebildeter, mit Synovia gefüllter, schmaler Spaltraum. Zur weiteren Stabilisierung besteht ein kräftiger, 3-teiliger Bandapparat zwischen den beiden Schambeinen. Neben diesem passiven Halteapparat (Bänder, Gelenkkapsel, knöcherne Strukturen) wird die aktive Stabilisation durch die umgebende Muskulatur gewährleistet. Das Schambein dient auf beiden Seiten als Ansatz für die kranial gelegene Rumpfmuskulatur (M. pyramidalis, M. rectus abdominis). Zusätzlich bietet die Schambeinregion den Ursprung für die kaudal gelegene Adduktorenmuskulatur. Die Kombination der beiden Muskelgruppen führt zu einer aktiven Stabilisation der Symphyse [2, 10, 18, 22].

Im normalen Zustand besteht beim Erwachsenen eine geringe Beweglichkeit der Symphyse mit einer Rotation von 3° und einer physiologischen Weite von 2–6 mm. Auf die Symphyse wirken abhängig von der Positionierung des Körpers (z.B. Liegen, Stehen oder Gehen) Druck-, Scher-, Zug- und Schubkräfte ein [10]. Beim Stehen wirkt eine umgekehrt axiale Kraft auf das Becken. Die oberen Anteile der Symphyse bewegen sich aufgrund der Druckwirkung aufeinander zu, während die unteren Anteile eine auseinanderweichende Tendenz zeigen. Aus diesem Grund ist das Lig. pubicum inferius, welches wegen des bogenförmigen Verlaufs auch als Lig. arcuatum pubis bezeichnet wird, sehr kräftig ausgebildet. Beim Gehen wirken Scherkräfte auf das Becken ein. Die Symphyse ist beim „Wechselgang“ einer ständigen horizontalen Krafteinwirkung ausgesetzt. Das führende Bein drückt das ipsilaterale Os coxae nach kranial, während das kontralaterale Os coxae des Standbeins fixiert ist. Beim Sitzen wirken axiale Kräfte auf das Sitzbein. Hierbei wird durch die Kraftleitung Druck auf die Symphyse ausgeübt [2, 10, 17, 18].

Symphysenerkrankungen

Symphysitis

Die Osteitis pubis (Symphysitis) kommt insbesondere bei Athleten mit Schuss-, schnellen Akzelerations- und Dezelerationsbewegungen sowie Richtungswechseln der Bewegung vor; hiervon sind vor allem Fußballspieler betroffen [7, 10, 22]. Die typische Patientin/der typische Patient ist zwischen 18 und 35 Jahre alt, sowie sportlich (sehr) aktiv [10]. In der Literatur wird die Inzidenz bei Sporttreibenden zwischen 0,5 und 7 % angegeben, bei Fußballerinnen/Fußballern eine Inzidenz von 18 % postuliert [12]. Profifußballerinnen und -fußballer zeigen zumeist auch ohne Schmerzen Veränderungen der Symphyse. Oft können Tendinosen der Adduktorensehnen nachgewiesen werden, hierauf ist in der Bildgebung besonders zu achten. An der Symphyse wirken die Kräfte der Adduktorenmuskulatur und des M. rectus abdominis in entgegengesetzter Richtung. Bei Ausübung der oben aufgeführten Sportarten kommt es zu Scherbewegungen in der Symphyse durch einen ständigen Wechsel zwischen dem Stand- und dem Spielbein. Insbesondere die abrupten Stopp- und Schussbewegungen führen zu einem erhöhten Symphysenstress. Hierdurch ist die Symphyse bei sehr aktiven Sportlerinnen und Sportlern signifikanten Belastungen ausgesetzt, die im Langzeitverlauf verfrühte degenerative Veränderungen zur Folge haben können. Diese wiederum verursachen eine Entzündung des Symphysengelenks (Osteitis pubis) und eine hiermit assoziierte Instabilität [10, 22].

Die Druck-, Zug- und Scherbelastungen sollen für die degenerative Umwandlung des hyalinen Symphysenknorpels hin zu Faserknorpel verantwortlich sein, was zu einem pathologisch erhöhten Druck auf die darunterliegende Knochenlamelle führen und in sklerotischen Umbauten, Geröllzysten und Osteophytenanlagerungen resultieren würde. Zudem führt die pathologische Druckerhöhung zu Mikrofrakturen im Trabekelwerk des Knochens, was sich im MRT oftmals als pubisches Knochenmarködem zeigt [10, 12].

Die Osteitis pubis ist durch folgende Faktoren gekennzeichnet [10]:

  • 1. Ansatztendinopathie der am Os pubis ansetzenden Muskulatur
  • 2. Evtl. bestehende Insuffizienz des hinteren Anteils des Leistenkanals
  • 3. Ausdehnung auf den hinteren Beckenring bei fortschreitender Instabilität mit sichtbarer Erweiterung der Symphyse

Beschwerden

Klinisch imponiert meist ein komplexer Beckenschmerz, der oft den Beckenboden einbezieht. Als führendes klinisches Zeichen wird die schmerzhafte Symphysis pubica (bis zum Ruheschmerz) beschrieben und Instabilitäten der Symphyse, die konsekutiv zu einer Stressreaktion der Symphyse und der angrenzenden Schambeinäste führen können [1, 7, 10, 22]. Darüber hinaus projizieren sich die Beschwerden oftmals in die Leistenregion sowie in die untere Bauch- und Adduktorenmuskulatur. Diffuse testikuläre Beschwerden sowie Hüftschmerzen werden ebenfalls beschrieben [12, 22]. Anamnestisch sollten der Zeitpunkt und die Ursache der Schmerzen erfragt werden. Sporttreibende berichteten üblicherweise über eine Schmerzverstärkung bei Sprintmanövern, bei Bauchmuskelaktivität sowie bei schnellen und abrupten Richtungswechseln [12].

Klinische Untersuchung

Bei der tiefen Palpation lässt sich ein Druckschmerz über der Symphyse auslösen [10, 12]. Zur Detektion bzw. Verstärkung der Symptomatik eignen sich, neben der Palpation der Symphysis pubica und ihrer angrenzenden Strukturen (Adduktorenansätze, unteres Abdomen, Rami ossis pubis) eine orientierende Hüftgelenksuntersuchung, insb. Widerstandtests sowohl für die Hüftabduktion als auch für die Hüftadduktion [1, 12]. Der sog. „adductor squeeze test“ ist positiv, wenn Schmerzen in der Symphysenregion durch aktive Adduktion beider Beine gegen den Widerstand des Untersuchers ausgelöst werden können [10]. Die Innenrotation im Hüftgelenk ist häufig schmerzbedingt eingeschränkt. In der klinischen Untersuchung kann es bei gleichzeitiger Kompression auf die Darmbeinschaufeln zu einem Klicken bzw. spürbaren Schnappen in der Symphyse kommen [1, 10]. Hinweisend für eine vertikale Instabilität sind Schmerzen beim Einbeinstand, der häufig nur schlecht oder gar nicht möglich ist [1, 10].

Funktionelle Untersuchung

Zusätzlich sollte im Rahmen der klinischen Untersuchung die Bewertung der „funktionellen“ Beinachse und der damit verbundenen stabilisierenden „Core-Muskulatur“ erfolgen. Die Insuffizienz der „Core-Muskulatur“ ist dabei die Ursache der funktionellen Beinachsinstabilität mit der Folge von erhöhten Rotationskomponenten in Bereich der Symphyse durch ein vermehrtes Abkippen des Beckens.

Folgen sind Überlastungen an Sehnen, Sehnenansätzen und Kapsel in Bereich der Symphyse. Der Status der „Core-Muskulatur“ hängt vom individuellen Trainingszustand der einzelnen Patientin/des einzelnen Patienten ab. Je nach vorangegangen Belastungen und Überlastungen, Trainings- oder Verletzungspausen kann aber eine solche funktionelle Instabilität auch bei gut Trainierten als Ursache für einen Reizzustand in Bereich der Symphyse in Frage kommen.

Das Zusammenspiel dieser „Core-Muskulatur“ kann durch einfache Tests im Einbeinstand und im Liegen bereits ohne Einsatz komplizierter Apparatur abgeschätzt werden. Durch unterstützende video- und druckplattengestützte Untersuchungen sowie Kraftmessungen am Isokineten kann ein muskuläres „Core-Defizit“ mit der Folge des „medialen Beinachskollapses“ zusätzlich genauer dargestellt und analysiert werden.

Als Risikofaktor ist zudem eine Varusbeinachse anzusehen. Hierbei hat der beim „O-Bein“ nach medial verschobene Kraftvektor zur Folge, dass es im Vergleich zu einer ausgeglichenen Beinachse höherer Kraftwerte der Glutealmuskulatur bedarf, damit einem Valgusdrift entgegengewirkt wird.

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnostisch kommen sowohl Leistenpathologien wie bspw. Leistenhernien, beginnende Instabilitäten der Leistenkanalhinterwand (sog. „Sportlerleisten“), Verletzungen der präpubischen Aponeurose, als auch Myogelosen, Zerrungen, Sehnenreizungen oder Avulsionsverletzungen der umgebenden Muskulatur in Frage [12, 22]. Weiterhin können intraartikuläre Hüftpathologien, wie etwa das femoroacetabuläre Impingement-Syndrom, Orchi- und Prostatiden oder aber auch eine Urolithiasis durch ähnliche Symptomatik das Vorliegen einer Osteitis pubis vortäuschen. Zudem ist an eine tiefe Beinvenenthrombose, eitrige Symphysitis/ Osteomyelitis zu denken bzw. an Osteolysen im Rahmen eines malignen Prozesses [1, 5, 6, 10, 12, 16, 21]

Bildgebung

In der konventionellen Röntgendiagnostik werden vor allem Sklerosen, Konturirregularitäten als auch Erosionen gefunden (Abb. 1). Im Gegensatz zu den klassischen radiologischen Arthrosezeichen kann sich der Symphysenspalt in Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf bei der Osteitis pubis verbreitert darstellen [10, 12]. Instabilitäten lassen sich mittels der sog. Flamingo-Aufnahme des vorderen Beckenrings detektieren. Dazu wird eine Röntgenaufnahme des Beckens im a.p.-Strahlengang durchgeführt, wobei die Patientin/der Patient auf einem Bein steht und das kontralaterale Knie beugt. Hinweisend auf eine anteriore Instabilität des Beckenrings sind in diesen Belastungsaufnahmen eine Stufenbildung am Symphysenspalt, d.h. eine vertikale Verschiebung an der Symphyse um mehr als 2 mm [1, 10, 12, 22].

Sonografie

Die Sonografie ist eine sichere, einfache und kostengünstige Methode zum Nachweis einer Symphysenerweiterung. Durch die Sonografie ist eine strahlungsfreie Kontrolluntersuchung möglich; daher eignet sie sich auch gut zur Verlaufsdokumentation. Während der dynamischen Sonografie können kombinierte Abduktions-/Außenrotationsbewegungen der Beine eine Symphysenbewegung zeigen [1, 10,12, 14].

Kernspintomografie

Die Kernspintomografie erweist sich in der Diagnostik der Osteitis pubis als nützlich, um zusätzlich symphyseale Gelenkergüsse und pubische Knochenmarködeme darzustellen (Abb. 2). Die Auswertung der Literatur zeigte, dass solche Ödeme ein Hinweis auf ein Früh- bzw. Akutstadium der Erkrankung sein können, wohingegen subchondrale Sklerose, subchondrale Resorptionszonen, Knochenirregularitäten sowie osteophytäre Anlagerungen typische Befunde chronischer Stadien sind [1, 10, 12, 22].

Skelettszintigrafie

In der Skelettszintigrafie erkennt man eine symphyseale Mehranreicherung von Technetium in der Spätphase, wobei die Intensität der Anreicherung nur schwach mit Dauer und Schwere der Symptome korreliert. Des Weiteren kann anhand der Szintigrafie keinerlei anatomische Zuordnung der betroffenen oder verletzten Strukturen um die Symphysis pubica getroffen werden [1, 12].

Konservative Therapie

Im Allgemeinen ist in einem Zeitraum von 6 Wochen mit einem deutlichen Rückgang der Beschwerden zu rechnen. Die gesamte konservative Therapie bis zur Beschwerdefreiheit der Patientinnen und Patienten kann jedoch bis zu 6 Monate andauern. Primär wird eine konservative Therapie der Osteitis pubis angestrebt [10]. Die konservative Therapie beinhaltet eine analgetisch-antiphlogistische medikamentöse Behandlung (NSAIDS), Sportpause, Einschränkung der Aktivität und Eis, Infiltrationen mit Kortikosteroiden gefolgt von einem Rehabilitationsprogramm.

Die konservative Therapie zielt darauf ab, das muskuläre Ungleichgewicht zu korrigieren. Es besteht in der Regel aus einem progressiven Trainingsprogramm, einschließlich Dehnung und Stärkung der Beckenmuskulatur. In der Regel wird eine physikalische Therapie (Elektrotherapie, Galvanisation) durchgeführt und vor einer Rückkehr zur sportlichen Aktivität ein progressives sportartspezifisches Trainingsprogramm empfohlen. Ergänzend zur physiotherapeutischen Beübung kann eine extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) eingesetzt werden. Ebenso finden lokale Injektionen mit Kortikosteroiden Anwendung [1, 10, 12, 23], Mobilisierung an Gehstützen im Vierpunktgang bzw. die zirkuläre Kompression in Form eines Becken-/Symphysengurts oder einer Kompressionshose [10].

Operative Therapie

Führt eine adäquate konservative Therapie nach mindestens 3 Monaten zu keiner deutlichen Beschwerdebesserung, so sollte, sofern weitere Ursachen des Leistenschmerzes ausgeschlossen worden sind, eine operative Therapie diskutiert werden [23]. Hierfür wurden verschiedene Techniken beschrieben: die (mini-)offene oder endoskopische Kürettage/Teilresektion der Symphyse, die Symphyseodese mit Knochentransplantat oder Wedge-Resektion. Alle genannten Verfahren können mit einem Release oder einem Repair der Adduktorensehnen kombiniert werden [23]. Alle beschriebenen Verfahren zeigten hinsichtlich der jeweils unterschiedlich gewählten Kontrollparameter (Endpunkte) des Therapieerfolges gute bis sehr gute Ergebnisse [12]. Im Fall einer sportassoziierten Symphyseninstabilität kann die rigide Fixation der Symphyse zu einer Überlastung des Iliosakralgelenks führen und wird daher bei sportlich aktiven Patientinnen und Patienten selten angewendet. Stattdessen bietet sich eine Vielzahl weiterer operativer Maßnahmen an: Tenotomie der Adduktoren, Débridement der Symphyse, Proliferationstherapie in Kombination mit einem Lokalanästhetikum und Glucoselösung oder neuere laparoskopische Verfahren. Hierbei wird, laparoskopisch assistiert, extraperitoneal eine Netzplastik hinter bzw. auf die Symphyse gelegt, um den passiven Halteapparat ohne rigide Fixation zu stärken [1, 10, 12].

Schwangerschaftsassoziierte Symphyseninstabilität

Während der Schwangerschaft kommt es zur physiologischen Erweiterung der Symphyse, die nach komplikationsloser Geburt innerhalb kurzer Zeit durch Straffung der gesamten Beckenbodenmuskulatur reversibel ist. Bei fast 10 % aller Schwangeren entwickeln sich Symphysenbeschwerden. Sie zeigen sich meist gegen Mitte der Schwangerschaft zum ersten Mal durch Schmerzen am Schambein.

Eine seltene Komplikation ist die schmerzhafte Symphysensprengung durch eine irreversible Überdehnung des unteren Geburtskanals beim Durchtritt des Neugeborenen. Sie ist definiert als ein traumatisches Auseinanderreißen der Schambeinfuge unter dem Geburtsvorgang, einhergehend mit einer traumatischen Zerreißung der ligamentären Strukturen. Die Angaben zur Inzidenz schwanken weltweit innerhalb eines Jahres zwischen 1:300 und 1:30.000 [4, 10, 14, 18]. Übergroße Feten, ein kleiner Beckenausgang, eine Wehenfolge in kurzen Abständen, eine Epiduralanästhesie und ein vorausgegangenes Beckentrauma mit Symphysenbeteiligung sind als prädisponierende Faktoren beschrieben [13]. Bleibt der symphyseale Halteapparat während des Geburtsvorgangs intakt, kann sich die physiologische Symphysenerweiterung durch Straffung der Beckenbodenmuskulatur innerhalb von 6 Monaten vollständig zurückbilden. Persistieren die Beschwerden über einen längeren Zeitraum, spricht man von einer postpartalen Symphyseninstabilität.

Sonografische Untersuchungen haben gezeigt, dass die mittlere Symphysenspaltweite bei nichtschwangeren Frauen bei 4,07 mm liegt. Im Laufe der Schwangerschaft erhöht sich der mittlere Abstand auf 6,3 mm, wobei in Extremfällen auch Abstände bis 16 mm beschrieben werden. Bei derartigen „symptomatischen Symphysenlockerungen“ treten regelhaft Schmerzsymptome auf. Eine Instabilität des Beckenrings liegt jedoch in der Regel nicht vor. Ein konkreter „Cut-off“-Wert, ab wann eine totale Sprengung der Symphyse mit Bandinstabilität vorliegt, kann allein anhand der gemessenen Weite nicht definiert werden [14].

Pathogenese

Obwohl die genaue Pathogenese der postpartalen Symphyseninstabilität noch nicht vollständig geklärt ist, scheinen insb. eine endokrine Fehlregulation (u.a. der Hormone Progesteron und Relaxin) und eine damit einhergehende Laxizität des symphysealen Bandapparats wesentliche Ursachen darzustellen. Ebenso werden andere metabolische, enzymatische, traumatische und degenerative Faktoren als mögliche Ursachen der postpartalen Symphysenerweiterung diskutiert (Tab. 1) [10].

Die klinische Untersuchung entspricht im Wesentlichen der o.g. Untersuchung bei der Symphysitis. Während und nach der Schwangerschaft lässt sich die Weite der Symphyse statisch wie dynamisch reproduzierbar im Ultraschall nachweisen. In unklaren Einzelfällen kann ein MRT indiziert sein. Bei der sehr seltenen Symphysensprengung kann postpartum eine Beckenübersichtsaufnahme bzw. MRT durchgeführt werden [4, 10].

Therapie

Konservative Therapie

Die konservative Therapie der schwangerschaftsassoziierten Symphyseninstabilität beinhaltet Bettruhe in spezieller Wechsellagerung zur Dekubitusprophylaxe und stellt den Eckpfeiler der konservativen Therapie dar. Diese kann im Verlauf mit moderater Physiotherapie ergänzt werden (kombinierter Beckenbodenaufbau [10, 14, 18]). Zusätzlich kann ein unterstützender Becken-/Symphysengurt getragen werden. Zur analgetischen Therapie steht Paracetamol zur Verfügung. Postpartal ist während der Stillzeit die Gabe von Paracetamol sicher und kurzzeitig auch die Einnahme von Ibuprofen möglich [10]. Sollte eine starke Einschränkung der Mobilität bestehen, können Unterarmgehstützen, ein Gehwagen oder ein Rollstuhl verwendet werden. Im Allgemeinen ist in einem Zeitraum von 6 Wochen mit einem deutlichen Rückgang der Beschwerden zu rechnen. Mittels konservativer Therapie konnte in Einzelfällen auch bei ausgeprägten Symphysenspaltweiten (> 90 mm) eine spontane Reduktion des Spalts beobachtet werden. Dennoch ist der Genesungsverlauf langwierig, und persistierende Beschwerden werden häufig berichtet [14]. Die gesamte konservative Therapie bis zur Beschwerdefreiheit der Patientinnen kann jedoch bis zu 6 Monate andauern.

Operative Therapie

Aktuell liegen keine hochwertigen prospektiven randomisierten Studien hinsichtlich der Therapieentscheidung vor. In multiplen Erfahrungsberichten wird jedoch eine Symphysenspaltweite von mehr als 25–40 mm als Indikation zur operativen Therapie gesehen [8, 11, 14, 15], bzw. fortbestehende Beschwerden nach der konservativen Therapie von 6 Monaten bzw. eine erneut aufgetretene Instabilität nach Abnahme des Beckengurts, ist die Indikation zur operativen Therapie zu diskutieren [9, 10, 18]. Die operative Stabilisierung mittels Plattenosteosynthese ist dabei das Mittel der Wahl. Besteht ein zusätzlicher hinterer Beckenschmerz und lässt sich radiologisch eine Veränderung des ligamentären Halteapparats feststellen, besteht des Weiteren die Indikation zur minimalinvasiven Arthrodese des Iliosakralgelenkes [10, 14]. Die Anwendung des Fixateur externe dagegen wird vornehmlich als Alternative bei Kontraindikationen gegenüber einen internen Versorgung gesehen. Als Nachteile der Versorgung mittels Fixateure externe werden Pin-Lockerung, Pin-Infekt und Belastung der Patientin genannt [10, 14, 20].

Nach erfolgter operativer Stabilisierung oder Arthrodese der Symphyse ist eine zügige Mobilisation unter Teil- und später unter Vollbelastung möglich, um den passiven Halteapparat ohne rigide Fixation zu stärken. Im Falle einer erneuten Schwangerschaft kann eine Sectio caesarea notwendig sein, während komplikationslose vaginale Geburten nach Osteosynthese des vorderen/hinteren Beckenrings ebenfalls beschrieben sind [3].

Fazit für die Praxis

  • 1. Die Symphyse (Symphysis pubica) ist die Verbindung der beiden Schambeine und stellt anatomisch eine Synchondrose dar.
  • 2. Die Osteitis pubis (Symphysitis) kommt vor allem bei Athletinnen und Athleten mit Schuss-, schnellen Akzelerations- und Dezelerationsbewegungen sowie Richtungswechseln der Bewegung vor.
  • 3. Die Inzidenz der schwangerschaftsassoziierten Symphyseninstabilität beträgt bis zu 1:300.
  • 4. Die operative Behandlung der sportassoziierten Symphysitis ist die (mini-)offene oder endoskopische Kürettage/Teilresektion der Symphyse, die Symphyseodese mit Knochentransplantat oder Wedge-Resektion.
  • 5. Die operative Behandlung der schwangerschaftsassoziierten Symphyseninstabilität ist nach einer erfolglosen konservativen Therapie von 6 Monaten bzw. einer Symphysenweite > 2,5 (4) cm, bzw. einer erneut aufgetretenen Instabilität nach Abnahme des Beckengurts indiziert.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Philipp Koehl, MHBA

Ärztlicher Direktor

Chefarzt der Klinik für

Orthopädie und Unfallchirurgie

Klinikum Fichtelgebirge

Schillerhain 1–8

95615 Marktredwitz

unfallchirurgie@klinikumfichtel-

gebirge.de

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