Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Synoviale Biomarker bei schmerzhafter Hüftendoprothetik

Ingo J. Banke1, Hans Gollwitzer1, Rüdiger von Eisenhart-Rothe1

Zusammenfassung: Der periprothetische Gelenkinfekt (PPI) kann den Therapieerfolg nach primärer Hüftendoprothetik und Wechseloperationen drastisch reduzieren. Er zieht meist aufwendige operative Revisionen nach sich. In komplizierten Fällen kann er sogar eine dauerhaft eingeschränkte Lebensqualität zur Folge haben. Ein stufenweises diagnostisches Vorgehen ist bisher angezeigt zur Vermeidung zeit- und kostenintensiver Irrläufe. Die aktuell empfohlene (Gold-)Standarddiagnostik kommt jedoch gerade bei der Differenzierung von aseptischer, (chronisch) septischer (Low-grade-PPI) sowie implantatallergischer Beschwerdeursache und der Arthrofibrose an ihr Limit. Innovative synoviale Biomarker gelten als vielversprechend zur Schließung dieser diagnostischen Lücke. Antimikrobielle Peptide mit exzellenter diagnostischer Genauigkeit sind dabei besonders attraktiv. Eine Überlegenheit gegenüber Interleukin-6, C-reaktivem Protein und Leukozytenesterase zeichnet sich ab. Unabhängige Multicenter-Validierungsstudien müssen zeigen, ob bei der „One-stop-shop“-Philosophie der synovialen Infektdiagnostik einzelne Biomarker oder ein differenzialdiagnostisches Set das Rennen machen werden.

Schlüsselwörter Hüftendoprothetik, periprothetischer Gelenkinfekt, infektiöse Arthritis, Biomarker, Gelenkflüssigkeit, Gelenkschleimhaut, Differenzialdiagnostik

Zitierweise
Banke IJ, Gollwitzer H, von Eisenhart-Rothe R: Synoviale Biomarker bei schmerzhafter Hüftendoprothetik.
OUP 2016; 6: 339–341 DOI 10.3238/oup.2016.0339–0341

Summary: Periprosthetic joint infection (PJI) often dramatically diminishes therapeutic success of primary and revision hip arthroplasty. Extensive surgical revision(s) are frequently needed. In complicate cases prolonged or permanent reduction of quality of live may result. A multimodal algorithmic approach is used to avoid time- and cost-consuming aberrations. However the currently recommended diagnostic “gold standard” reaches its limits when differentiating among aseptic, (chronic) septic (“low-grade” PJI), implant allergy-related and arthrofibrotic genesis of painful arthroplasty. Innovative synovial fluid biomarkers are promising to close this diagnostic gap. Notably antimicrobial peptides show excellent diagnostic accuracy. Thus they might be advantageous compared to IL-6, CRP and leucocyte esterase. Independent multicenter validation will show, whether a few single synovial biomarkers or a set of different parameters will make the race in the “one-stop shop” philosophy of synovial PJI diagnosis.

Keywords hip arthroplasty, periprosthetic joint infection,
infectious arthritis, biomarker, synovial fluid, synovial
membrane, differential diagnosis

Citation
Banke IJ, Gollwitzer H, von Eisenhart-Rothe R: Synovial biomarkers in painful hip arthroplasty.
OUP 2016; 6: 339–341 DOI 10.3238/oup.2016.0339–0341

Aktuelles Problem
„diagnostische Lücke“

Die akute hämatogene Endoprotheseninfektion (PPI) ist im klinischen Alltag in der Regel sicher zu diagnostizieren, mit der Folge umgehender offener oder minimalinvasiver chirurgischer Revision als orthopädischem Notfalleingriff. Die hohe diagnostische Genauigkeit beruht dabei auf dem Zusammenspiel aus meist eindeutiger alarmierender Klinik mit systemischem fulminanten Verlauf sowie deutlicher Überschreitung laborchemischer und zytologischer Grenzwerte [1]. Der häufigere und relevantere chronische „Low-grade“-PPI hingegen geht typischerweise mit unspezifischem klinischem Erscheinungsbild einher [1, 2]. Das Ausbleiben einer relevanten systemischen Entzündungsreaktion mündet in unklaren chronischen Beschwerden bei fraglicher Implantatlockerung. Die aktuell empfohlene konventionelle Goldstandarddiagnostik mit ihrem Zusammenspiel aus bildgebenden, laborchemischen, mikrobiologischen, zytologischen, histopathologischen und allergologischen Verfahren leidet gegenwärtig an mangelhafter diagnostischer Genauigkeit [3]. Zudem sind viele differenzialdiagnostische Verfahren mit einer invasiven (Synovialitis-Score nach Morawietz und Krenn) und verzögerten Diagnosestellung (verlängerte mikrobiologische Bebrütungsdauer von bis zu 14 Tagen) mit in Folge verspäteter Therapieeinleitung vergesellschaftet [3, 4]. Auch stellt der erhebliche personelle, zeitliche und finanzielle Aufwand einiger Methoden (Szintigrafie, PET-CT, Epikutantest) eine große Herausforderung im klinischen Alltag dar. In schwierigen Fällen können unzureichende diagnostische Genauigkeit und mangelhafte systematische Analyse sogar in falsche Diagnosestellung und Therapieentscheidung münden [1, 5]. Persistierende Beschwerdehaftigkeit, erneutes Implantatversagen, unnötige Revisionseingriffe oder sogar gänzlich unnötige Implantatwechsel mit Gefährdung des Patientenwohls und hoher volkswirtschaftlicher Belastung drohen [2, 3].

Nach einer Lösung dieses klinischen Dilemmas wird weltweit unter Hochdruck gesucht [6]. Der große diagnostische Vorteil der ambulant mit geringem Aufwand durchführbaren Gelenkpunktion als einmalige lokale diagnostische Maßnahme ist evident. Die in Schnelltests nachweisbaren synovialen Biomarker werden derzeit als vielversprechendste Hoffnungsträger sowohl der chronischen „Low-grade“- als auch der akuten PPI-Differenzialdiagnostik angesehen [7]. Ihre in aktuellen Studien gezeigte, z.T. extrem hohe diagnostische Genauigkeit (bis zu 100 %) soll eine prä- oder intraoperativ sichere Diagnosestellung und frühestmögliche Therapieeinleitung ermöglichen [8, 9].

Synoviale Biomarker

Eine Vielzahl verschiedener Biomarker ist in den letzten Jahren in Zusammenhang mit dem periprothetischen Infekt gebracht worden, bei jedoch überwiegend mangelhafter Studienqualität und insuffizienter Goldstandarddiagnostik. Abgelöst wurden diese durch synoviale Biomarker der „2. diagnostischen Generation“ mit guter PPI-Sensitivität und -Spezifität bei höherer Studienqualität. Top-Kandidaten wie G-CSF, TNF-?, VEGF, Interferon-? sowie IL-1, IL-8, IL-17 konnte jedoch eine unerwünschte unspezifische Hochregulation bei Infekten allgemein nachgewiesen werden [10, 11]. Derzeit im (prä-)klinischen Hauptfokus gemäß jüngster Studienlage stehen innovative hochspezifische synoviale Biomarker der „3. diagnostischen Generation“. Bei (nahezu) 100%-iger diagnostischer Genauigkeit bei PPI befinden sich diese nahe am klinischen Einsatz oder sind sogar schon als CE-zertifizierte klinische Schnelltests erhältlich [8, 9]. Die vielversprechendsten Kandidaten sind derzeit CRP, IL-6, Leukozytenesterase und vor allem die antimikrobiellen Peptide (AMPs) Alpha-Defensin, humanes ?-Defensin-2 (HBD-2), HBD-3 und Cathelicidin LL-37 [1, 8, 9].

Antimikrobielle Peptide (AMPs) sind als endogene Antibiotika essenzieller Bestandteil des angeborenen Immunsystems und bieten als „lokales chemisches Schild“ einen hochwirksamen Schutz vor grampositiven und gramnegativen Gelenkinfektionen [12]. Das AMP Alpha-Defensin ist der bisher einzige synoviale Biomarker, der als CE-zertifizierter PPI-Schnelltest Einzug in die Klinik gefunden hat. Studien von Deirmengian et al. attestieren eine nahezu oder 100%-ige diagnostische Genauigkeit bei PPI [13]. Unabhängige Multicenter-Validierungen fehlen jedoch bisher. Dem ebenso kommerziell erhältlichen „Off-label-Use“ Leukozytenesterase-Teststreifen ist Alpha-Defensin deutlich überlegen, da Alpha-Defensin auch bei Blutkontamination eine annähernd 100%-ige diagnostische Genauigkeit aufweist [13]. Ferner scheint die diagnostische Genauigkeit der AMPs, wie am Beispiel von Alpha-Defensin gezeigt, im Gegensatz zu Zellzahl, Keimnachweis, Leukozytenesterase und CRP resistent gegen alltägliche Einflussfaktoren wie vorausgegangene Antibiose, Erregertyp, chronisch entzündliche Erkrankungen, Hautkeimflora oder Immunsuppression zu sein [9, 13, 14, 15]. Die hohe diagnostische Genauigkeit auch anderer AMPs wie HBD-2, HBD-3 und LL-37 lässt sich durch Kombination mit proinflammatorischen Zytokinen sogar auf 97,2 % steigern [16].

Biomarker mit niedrigerer diagnostischer Genauigkeit wie synoviales CRP können eine Eliminierung der Restungenauigkeit von Alpha-Defensin bewirken [17]. Synoviales CRP hingegen alleine weist keinen diagnostischen Vorteil gegenüber dem systemischen, oft unspezifischen CRP auf [18].

Bei den Interleukinen gilt IL-6 als der am meisten favorisierte PPI-Biomarker bei sehr guter Studienlage [8, 9]. Synoviales IL-6 ist dabei systemischem IL-6, synovialem CRP, Procalcitonin und der Zellzahl überlegen [11].

Die synovialen Biomarker (neutrophile) Elastase 2, bakterienpermeabilisierendes Protein, Neutrophilen-Gelatinase-assoziiertes Lipocalin und Lactoferrin gelten als mögliche Zukunftskandidaten der synovialen periprothetischen Infektdiagnostik [9].

Bei der Frage nach Implantatallergie als wichtige Differenzialdiagnose beschwerdebehafteter Hüftendoprothetik wird standardmäßig der Epikutantest verwendet. Dieser wird an speziellen Zentren durch den Lymphozytentransformationstest (LTT) ergänzt. Da beide systemischen Einflüssen mehr oder weniger stark unterliegen, wird intensiv nach flankierenden synovialen Biomarkern gesucht. Als mögliche allergologische Biomarker gelten IL-1?, IL- 5, IL-10, GM-CSF, IFN-y sowie TGF-? [19].

Bei der Arthrofibrose als weitere, wenn auch seltenere Differenzialdiagnose beschwerdebehafteter Hüftendoprothetik liefert die Histologie im Moment noch die meiste Information. Spezifische Biomarker sind noch nicht etabliert. Gemäß aktuellen Studien fungieren BMP-2 und Xylosyltransferase jedoch als mögliche Kandidaten [20, 21].

Zusammenfassung

Die gegenwärtige Studienlage deutet klar auf eine künftig tragende Rolle synovialer Biomarker bei der Diagnostik des periprothetischen Hüftgelenkinfekts hin. Seit kurzem finden einige wenige Biomarker sogar schon ihren Einsatz als Additivum klinischer Routineinfektdiagnostik. Ihr gegenwärtiger Nutzen besteht dabei im Überdenken eines geplanten aseptischen Vorgehens bei positivem Testergebnis. Aufgrund fehlender Multicenter-Validierung können sie jedoch noch nicht die aktuell empfohlene Goldstandarddiagnostik ablösen. Bei der weiterführenden Differenzialdiagnostik der symptomatischen Hüftendoprothese haben synoviale Biomarker, trotz vielversprechender präklinischer Ansätze noch keine klinische Bedeutung.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Ingo J. Banke

Klinik für Orthopädie
und Sportorthopädie

Klinikum rechts der Isar

Technische Universität München

Ismaninger Straße 22

81675 München

ingo.banke@mri.tum.de

Literatur

1. Parvizi J, Heller S, Berend KR, Della Valle CJ, Springer BD: Periprosthetic joint infection: the algorithmic approach and emerging evidence. Instr Course Lect. 2015; 64: 51–60

2. Banke IJ, von Eisenhart-Rothe R, Mühlhofer HM: Epidemiology and prevention of prosthetic joint infection. Orthopäde. 2015; 44: 928–930

3. Nodzo SR, Bauer T, Pottinger PS et al.: Conventional diagnostic challenges in periprosthetic joint infection. J Am Acad Orthop Surg. 2015; 23: S18–S25

4. Mühlhofer HM, Schauwecker J, Banke IJ et al.: Septic endoprosthesis exchange: Preoperative diagnosis and reimplantation. Orthopäde. 2015; 44: 946–951

5. Banke IJ, von Eisenhart-Rothe R, Gollwitzer H: Innovationen in der synovialen Diagnostik bei schmerzhafter Knieendoprothese. Management Krankenhaus Kompakt Ortho Trauma. 2014; 4:12–13

6. Parvizi J: Periprosthetic joint infection: the last frontier. Bone Joint J. 2015; 97: 1157–1158

7. Hansen EN, Zmistowski B, Parvizi J: Periprosthetic joint infection: what is on the horizon? Int J Artif Organs. 2012; 35: 935–950

8. Banke IJ, Stade N, Prodinger PM et al.: Synovial biomarkers for differential diagnosis of painful arthroplasty. Orthopäde. 2015; 44: 936–940

9. Deirmengian C, Kardos K, Kilmartin P, Cameron A, Schiller K, Parvizi J: Diagnosing periprosthetic joint infection: has the era of the biomarker arrived? Clin Orthop Relat Res. 2014; 472: 3254–3262

10. Deirmengian C, Hallab N, Tarabishy A et al.: Synovial fluid biomarkers for periprosthetic infection. Clin Orthop Relat Res. 2010; 468: 2017–2023

11. Randau TM, Friedrich MJ, Wimmer MD et al.: Interleukin-6 in serum and in synovial fluid enhances the differentiation between periprosthetic joint infection and aseptic loosening. PLoS One. 2014; 9: e89045

12. Varoga D, Pufe T, Mentlein R et al. Expression and regulation of antimicrobial peptides in articular joints. Ann Anat. 2005; 187: 499–508

13. Deirmengian C, Kardos K, Kilmartin P et al.: The alpha-defensin test for periprosthetic joint infection outperforms the leukocyte esterase test strip. Clin Orthop Relat Res. 2015; 473: 198–203

14. Shahi A, Parvizi J, Kazarian GS et al.: The Alpha-defensin test for periprosthetic joint infections is not affected by prior antibiotic administration. Clin Orthop Relat Res. 2016; Feb 10 [Epub ahead of print]

15. Deirmengian C, Kardos K, Kilmartin P, Gulati S, Citrano P, Booth RE Jr.: The Alpha-defensin test for periprosthetic joint infection responds to a wide spectrum of organisms. Clin Orthop Relat Res. 2015; 473: 2229–2235

16. Gollwitzer H, Dombrowski Y, Prodinger PM et al.: Antimicrobial peptides and proinflammatory cytokines in periprosthetic joint infection. J Bone Joint Surg Am. 2013; 95: 644–651

17. Deirmengian C, Kardos K, Kilmartin P, Cameron A, Schiller K, Parvizi J. Combined measurement of synovial fluid alpha-Defensin and C-reactive protein levels: highly accurate for diagnosing periprosthetic joint infection. J Bone Joint Surg Am. 2014; 96: 1439–1445

18. Tetreault MW, Wetters NG, Moric M, Gross CE, Della Valle CJ: Is synovial C-reactive protein a useful marker for periprosthetic joint infection? Clin Orthop Relat Res. 2014; 472: 3997–4003

19. Thomas P, Von Der Helm C, Schopf C et al.: Patients with intolerance reactions to total knee replacement: combined assessment of allergy diagnostics, periprosthetic histology, and peri-implant cytokine expression pattern. Biomed Res Int. 2015; 910156

20. Faust I, Traut P, Nolting F et al.: Human xylosyltransferase – mediators of arthrofibrosis? New pathomechanistic insights into arthrofibrotic remodeling after knee replacement therapy. Sci Rep. 2015; 5: 12537

21. Pfitzner T, Geissler S, Duda G, Perka C, Matziolis G: Increased BMP expression in arthrofibrosis after TKA. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2012; 20:1803–1808

Fussnoten

1 Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München

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