Übersichtsarbeiten - OUP 02/2023

Talusfrakturen
Wann, wie und wer?

Diese kommen mit ca. 50 % aller Talusfrakturen häufig vor [4, 5]. Der Talushals hat keinen Knorpelüberzug, ist aber dennoch für die Entwicklung von Durchblutungsstörungen eine relevante Verletzungsentität. Diese Besonderheit kommt durch die topografische Nähe zur Anastomose der Gefäße im Sinus tarsi und Tarsaltunnel zustande und erklärt die relative Häufung von aseptischen Talussegmentnekrosen. Neben der Frakturklassifikation der AO wurde die von Hawkins verwendet.

Aseptische Nekrosen wurden nach Typ II-Frakturen in 40–50 % der Fälle berichtet. Für die Typen III und IV sogar in bis zu 100 % der Fälle [3]. Die Subklassifizierung der Typ II-Frakturen in IIA ohne sub-talare Subluxation und IIB mit Subluxation erbrachte prognostisch eine Erhöhung der Nekroserate von 0 % bei Typ IIA Frakturen und 25 % bei Typ IIB Frakturen.

Besteht eine nicht dislozierte Typ I-Fraktur des Halses kann die konservative Therapie mit Entlastung und Ruhigstellung erfolgen mit einem zeitlichen Intervall von 6 Wochen. Wenn die Frakturlinie auf den konventionellen Röntgenprojektionen einfach zu erkennen ist, besteht ein Minimum an Dislokation, so dass diese als Typ II eingestuft werden sollte. Hier sollte die rigide Stabilisierung mit Reposition erfolgen. Besteht eine Subluxation, ist diese durch ein notfallmäßiges CT zu verifizieren und eine operative Reposition mit Stabilisierung notwendig. Da eine flächendeckende hochqualifizierte Versorgung dieser komplexen Frakturen nicht immer möglich ist, kann nach Reposition eine provisorische Stabilisierung erfolgen, um sekundär die definitive Versorgung mit der damit verbundenen Expertise bzw. Erfahrung gewährleisten zu können [7, 8]. Dabei sind nach Möglichkeit percutane Versorgungen zu bevorzugen, welche zwar eine anatomische Reposition der Fraktur teilweise erschweren, jedoch die definitive Osteosynthese erleichtern bzw. das gesamte Frakturheilungsrisiko reduzieren sollen.

Die chirurgischen Zugangswege beinhalten mediale und laterale Zugänge bei komplexen Frakturen und ggf. perkutane Stabilisierungen oder arthroskopisch gestützte Verfahren, wobei auch die Schraubenplatzierung von postero-lateral erfolgen kann. Die Stabilisierung kann durch 3,5 mm-Schrauben aber auch durch 2,0 mm-Schrauben in Abhängigkeit der Fragment-Dimensionen erfolgen. Bestehen Gelenkzertrümmerungen, sollte möglichst eine Verkürzung durch inter-fragmentäre Kompression des Talus-Doms vermieden werden, da Gelenkinkongruenzen resultieren mit Belastungserhöhung im Bereich der Inkongruenzen. Hierzu können Stellschrauben oder ggf. auch Mini-Platten hilfreich sein [9]. Wenn möglich sollte darauf geachtet werden, die Schraubenrichtung senkrecht zur Frakturlinie zu platzieren [10]. Allerdings kann dies naturgemäß nicht immer gelingen. Besteht bspw. eine distale Halsfraktur so bleibt nur die trans-artikuläre Stabilisierung im Talo-Navikulargelenk, wobei man bei solchen Szenarien auf Mini-Schrauben zurückgreifen und die Schraubenköpfe deutlich unter das Knorpelniveau versenken sollte. Insbesondere haben offene und stark dislozierte Frakturen eine schlechte Prognose, welche in erster Linie der Durchblutung bzw. Anatomie geschuldet ist.

Taluscorpusfrakturen

Die Differenzierung von Corpus- und Halsfrakturen wurde definiert durch Frakturen am oder dorsal des Processus lateralis tali [11]. Sie stellen mit ca. 7 % bis zu 38 % aller talaren Verletzungen die zweithäufigste Entität am Talus dar. Auch hier werden diese komplexen Verletzungen durch erhebliche Gewalteinwirkungen verursacht. Offene Frakturen kommen verhältnismäßig häufig vor auf Grund der Gewalteinwirkung in bis zu 20 %. Zu den Corpusfrakturen werden die Gelenkfrakturen des lateralen und posterioren Processus gezählt, welche allerdings anatomisch und operativ mittlerweile einer eigenen Subgruppe zugeordnet werden sollten. Behandlungsziele stellen die möglichst exakte Reposition und stabile Fixierung dar. Die Reposition kann grundsätzlich geschlossen, perkutan, arthroskopisch assistiert, offen und unter Nutzung von Innenknöchelosteotomien erfolgen. Bei extrem seltener Verletzungskombination mit Frakturierung der dorsalen lateralen talaren Gelenkfläche kann auch eine Fibula-Osteotomie notwendig werden. Dieses technisch anspruchsvolle Verfahren sollte die Mini-Osteotomie im Bereich der ventralen knöchernen tibialen Syndesmosen-Insertion beinhalten, so dass letzte mit einem knotenfreien Knochenanker stabil transfixiert werden kann. Trotz all dieser genannten Bemühungen können komplikative Verläufe mit verzögerter Frakturheilung, Pseudarthrosen auf dem Boden von aseptischen Nekrosen und schließlich Deformierung des OSG und USG sowie posttraumatischer Arthrose [1–3] nicht immer vermieden werden. Ein Beispiel einer komplexen Talusluxationsfraktur mit offener Reposition sowie Stabilisierung ist den Abbildungen 2–4 zu entnehmen.

Planung der Operation: Was, wann und wie?

Auf Grund der vulnerablen Weichteile und empfindlichen Durchblutungssituation wurde historisch bedingt die notfallmäßige operative definitive Versorgung für dislozierte Talusfrakturen empfohlen [3, 5]. Allerdings zeigten aktuellere Arbeiten [3, 7, 8], dass eine sekundäre verzögerte Versorgung keinen negativen signifikanten Einfluss hat, so dass dieser Punkt weiter diskutiert wird und die historische apodiktische Forderung der sofortigen definitiven Versorgung nicht mehr gehalten werden kann.

Selbstverständlich müssen alle offenen Frakturen weiterhin sofort gespült, debridiert, reponiert sowie antibiotisch abgedeckt werden. Auch die Ruhigstellung muss erfolgen, lediglich die definitive Frakturversorgung kann verzögert geplant bzw. realisiert werden, insbesondere, wenn die notwendige Expertise nicht vorgehalten werden kann [3]. Hier macht eine sekundäre Verlegung in ein Zentrum Sinn. Allerdings sollten interklinische Verlegungen von nicht reponierten Gelenkfrakturen möglichst vermieden werden [3].

Die bisher verfügbaren Daten von Patientinnen und Patienten mit dislozierten Talusfrakturen mit einer korrekten primären Notfall-Versorgung (wie beschrieben) und einer verzögerten definitiven Osteosynthese des Talus zeigten auch nach mehreren Tagen keine schlechtere Gesamtprognose im Vergleich zur definitiven Stabilisierung innerhalb von 6 Stunden [3, 6–8]. Vor diesem Hintergrund kann die definitive osteosynthetische Stabilisierung des Talus auch verzögert im Intervall erfolgen, um eine möglichst hohe Versorgungsqualität durch die entsprechende Expertise zu gewährleisten.

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