Übersichtsarbeiten - OUP 02/2023

Talusfrakturen
Wann, wie und wer?

Präzisierend wurde durch die Arbeitsgruppe von Vallier et al. bei 81 Talushalsfrakturen eine retrospektive Analyse realisiert mit Klassifikation nach Hawkins [6]. Es bestanden 2 Typ I-Frakturen, 54 Typ II, 32 Typ III und 3 Typ IV-Frakturen. Typ II-Frakturen wurden zusätzlich in subtalar subluxierte Verletzungen eingruppiert mit Typ IIA ohne (n = 21) und Typ IIB mit Dislokation (n = 33). Die Behandlung beinhaltete die notfallmäßige Reposition und sofortige definitive Operation bei offenen Frakturen oder nicht geschlossen reponierbaren Frakturen. In 19 Fällen konnte keine geschlossene Reposition erzielt werden. In 22 Fällen bestanden offene Frakturen. Insgesamt wurden 46 von 81 Patientinnen und Patienten (57 %) einer sofortigen definitiven Rekonstruktion zugeführt gegenüber 35 von 81 Patientinnen und Patienten (43 %), die einer verzögerten definitiven Gelenkrekonstruktion zugeführt wurden. Für letztgenannte Patientinnen und Patienten bestand ein Zeitintervall von durchschnittlich 10,6 Tagen mit einer Gesamtspanne von 3–19 Tagen. Die Arbeitsgruppe stellte die Hypothese auf, dass die primäre Frakturdislokation den wesentlichen prognostischen Einfluss hat und nicht der dazu verglichene Zeitpunkt der definiten Gelenkrekonstruktion.

Trotz der studienbedingten Einschränkungen mit retrospektiver Erfassung und relativ geringer Zahl der Verletzungen konnte kein Einfluss der Zeit zwischen Trauma und definitiver Versorgung auf die Osteonekroserate festgestellt werden: Die Zeit vom Trauma bis zur notfallmäßigen Reposition mit dem Intervall von 6 Stunden, von 8 und 12 Stunden korrelierte nicht mit der Nekroserate. Auch die Zeit bis zur definitiven Gelenkrekonstruktion korrelierte nicht mit der avaskulären Nekroserate. Interessanterweise wurden Patientinnen und Patienten mit posttraumatischer Nekrose signifikant früher operiert (1,7 Tage versus 4,8 Tage; P < 0,001). Ob dies einer Konditionierung der Weichteile geschuldet ist, bleibt spekulativ.

Zusammenfassend kann durch verzögerte und gut geplante definitiven Gelenkrekonstruktionen nach sofortiger Reposition ein akzeptables Ergebnis erwartet werden. Umgekehrt stellt die sofortige definitive Gelenkrekonstruktion keinen Notfall dar.

Schlussfolgerungen

Talusfrakturen sind meist mit Hochrasanztraumen vergesellschaftet, so dass offene Verletzungen dieser insgesamt seltenen Verletzungsentität in bis zu 20 % aller Talusfrakturen vorkommen können. Neben einer sorgfältigen klinischen Untersuchung sowie Bildgebung mittels konventioneller Röntgenaufnahmen sollte die CT nicht fehlen. Die sofortige Reposition und Ruhigstellung sollte nicht mit der definitiven Therapie verwechselt werden. Müssen betroffene Verletzte auch außerhalb von spezialisierten Zentren behandelt werden, beinhaltet eine fachgerechte notfallmäßige Therapie die sofortige Reposition und bei offenen Frakturen die Spülung sowie das Debridement mit Einleitung der antibiotischen Therapie einschließlich Ruhigstellung. Die definitive Versorgung bzw. osteosynthetische Rekonstruktion des Gelenkes sollte durch ein erfahrenes chirurgisches Team erfolgen. Die letzten Studienergebnisse zeigten keine relevanten prognostischen Nachteile einer auch nach mehreren Tagen erfolgten definitiven Gelenkrekonstruktion.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf: www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Atesch Ateschrang

Klinik für Orthopädie und

Unfallchirurgie

Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein

Ev. Stift St. Martin

Johannes-Müller-Str. 7

56068 Koblenz

atesch.ateschrang@gk.de

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