Originalarbeiten - OUP 10/2016

Therapie nichttraumatischer Meniskusläsionen
Eine systematische Übersicht zur arthroskopischen Meniskusteilresektion versus nichtoperative BehandlungA systematic review comparing arthroscopic partial meniscectomy with non-surgical treatment

Wolf Petersen*1, Andrea Achtnich*2, Christian Lattermann3, Sebastian Kopf4

Zusammenfassung

Hintergrund: Die meisten Meniskusläsionen sind nichttraumatischer Genese. Es wird kontrovers diskutiert, welche Patienten von einer arthroskopischen Teilresektion profitieren.

Methode: Es erfolgte eine systematische Literaturrecherche in der nach randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) gesucht wurde, die die partielle Meniskektomie mit nichtoperativen Therapieverfahren verglichen.

Ergebnisse: Sechs von 6870 identifizierten Arbeiten konnten eingeschlossen werden. In 5 dieser Studien wurde kein Unterschied in den klinischen Ergebnissen zwischen Patienten nach arthroskopischer partieller Meniskektomie und den Kontrollgruppen (arthroskopische Lavage, Physiotherapie, Glukokortikoide) entdeckt. In 3 Studien besserten sich die Symptome bei 21–30 % der Patienten der Physiotherapiegruppe jedoch erst nach einer arthroskopischen partiellen Meniskektomie (Cross-over-Design). In 2 Studien war der Anteil der Patienten, die von dem einen in den anderen Behandlungsarm wechseln (cross over) deutlich geringer, in einer Untersuchung fehlten entsprechende Daten. In einem RCT hatten Patienten nach arthroskopischer partieller Meniskektomie signifikant weniger Schmerzen und Symptome. Obwohl 5 der analysierten Studien akzeptable Methoden-Scores erzielten, ließen sich in allen Studien Schwächen nachweisen. Diese betrafen die Beschreibung der chirurgischen Technik und die fehlende Kontrolle der Analgetika-Gabe einschließlich der Verabreichung nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR).

Schlussfolgerungen: Die operative und nichtoperative Therapie der nichttraumatischen Meniskusläsionen scheinen für die meisten Patienten gleichwertig zu sein. Allerdings ergab eine Studie geringere Schmerz- und Symptom-Scores nach arthroskopischer partieller Meniskektomie. Die Cross-over-Analyse zeigte jedoch, dass bei einem Teil der Patienten die nichtoperative Therapie versagt. Diese Patienten können von einer arthroskopischen partiellen Meniskektomie profitieren. Künftige Studien müssen diese Subgruppe genauer definieren.

Summary

Background: Most meniscus lesions are of non-traumatic origin. The indications for partial meniscectomy are controversial.

Methods: We systematically searched the literature for randomized controlled trials (RCTs) comparing partial meniscectomy with non-surgical treatment.

Results: Of 6870 articles retrieved by the literature search, we were able to include 6 in this systematic review. Five trials showed no difference between the clinical outcomes of patients who underwent arthroscopic partial meniscectomy and those who underwent control treatment (arthroscopic lavage, physiotherapy, glucocorticoids). In 3 trials, however, symptoms improved in 21–30 % of the patients in the physiotherapy group only after they underwent arthroscopic partial meniscectomy (crossover design). In 2 trials, the percentage of patients who crossed over from one treatment arm to the other was markedly lower; in one, the frequency of crossing over was not reported. In one RCT, the patients who underwent arthroscopic partial meniscectomy had significantly less pain and other symptoms. Five of the 6 trials had acceptable scores for method, but all had weaknesses. These mainly concerned the description of the surgical techniques and the failure to take account of analgesic use – in particular, the use of non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs).

Conclusion: For most patients with non-traumatic meniscus lesions, surgical and non-surgical treatments seem to be of equal value; only one of the 6 included trials revealed lower pain and symptom scores after arthroscopic partial meniscectomy. In multiple trials, however, the crossover analysis showed that non-surgical treatment fails for some patients. These patients may benefit from arthroscopic partial meniscectomy. Further trials are needed to better define this subgroup of patients.

Zitierweise
Petersen W, Achtnich A, Lattermann C, Kopf S: The treatment of non-traumatic meniscus lesions – a systematic review comparing arthroscopic partial meniscectomy with non-surgical treatment. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 705–13. DOI: 10.3238/arztebl.2015.0705

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus dem Deutschen Ärzteblatt 42–2015, Seite 705–713

Meniskusrisse können Symptome wie Schmerzen oder Blockierungen verursachen und die sportliche Aktivität und Lebensqualität der betroffenen Patienten beeinflussen [1–5]. Radiologische Studien haben gezeigt, dass Meniskusverletzungen außerdem im Langzeitverlauf zur Osteoarthrose führen können [2, 6–8].

Die Mehrzahl der Meniskusläsionen entsteht ohne ein adäquates Trauma [3, 4, 9]. Die Prävalenz nichttraumatischer Meniskusläsionen liegt nach Angaben der Framingham-Studie bei 31 % [9]. Lange Zeit war die arthroskopische Meniskusteilresektion für diese Verletzungen die Therapie der Wahl [3, 4, 10–12]. Verschiedene Kohortenstudien konnten die klinischen Erfolge dieses Therapieverfahrens zeigen [10–12].

Aufgrund der hohen Prävalenz nichttraumatischer Meniskusläsionen in der Bevölkerung und wegen der weiten Verbreitung der Magnetresonanztomografie (MRT), mit der diese Läsionen diagnostiziert werden können, wurde die partielle Meniskusentfernung zu einer der häufigsten orthopädischen Operationen [13–16]. Die DRG-Statistik (DRG, „diagnosis related groups“; diagnosebezogene Fallgruppen) belegt, dass in deutschen Krankenhäusern im Jahr 2013 circa 300.000 Meniskusoperationen durchgeführt wurden [17].

Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie aus Finnland (Finnish Degenerative Meniscal Lesion Study: FIDELITY study) haben gezeigt, dass die Ergebnisse nach arthroskopischer Meniskusteilresektion nicht besser waren als die nach einer Scheinoperation [18, 19]. Diese Studie erhielt viel Aufmerksamkeit in der Laienpresse, und es wurden Zweifel an der Effektivität der arthroskopischen Meniskusteilentfernung geäußert [14]. Aufgrund dieser Berichte wurde das Verfahren der arthroskopischen Meniskusteilresektion bereits von Kostenträgern und Gesundheitsorganisationen infrage gestellt [14]. Einige Autoren haben jedoch Schwächen der FIDELITY-Studie aufzeigen können [20]. Diese Schwächen waren die niedrige Einschlussrate von nur 15 % und die Durchführung einer arthroskopischen Lavage anstatt einer richtigen Scheinoperation in der Kontrollgruppe [20].

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