Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018

Trizepssehnenruptur und -insuffizienz

Der Erfolg des total-endoprothetischen Ellenbogenersatzes ist multifaktoriell bedingt, hängt aber zum großen Teil von Prothesendesign und OP-Technik ab. Publizierte 10-Jahres-Ergebnisse zeigen eine Komplikationsrate nach TEP von 20–45 %. Little et al. beschrieben in einem systematischen Review mit 3618 eingeschlossenen TEPs eine Komplikationsrate von 33 % [20]. Bezüglich der Komplikationen bezogen auf den Zugangsweg zeigte sich, dass bei Trizeps-schonendem Zugang (Weghalten der Sehne) die Inzidenz einer Trizepssehnenruptur bei nur 0,6 % (1 von 177), bei transtendinösem Zugang bei 2,8 % (12 von 428) und beim Ablösen der Trizepssehne von der Ulna bei 11 % (14 von 129) lag. Ähnlich präsentierten sich die Ergebnisse von Voloshin et al., welche zwischen 1993 und 2009 insgesamt 2938 TEPs durchführten mit einer Trizeps-bezogenen Komplikationsrate von 2,4 % (ohne signifikanten Unterschied zwischen den einzelnen Zugangswegen) [21].

Die Kollegen um Dachs et al. unterschieden in ihrer Arbeit zwischen 2 Zugangsmodalitäten: „Triceps-on“-Zugang mit Erhalt der Trizepssehne und „Triceps-off“-Zugang mit Ablösen und Refixation der Trizepssehne (Abb. 4) [6]. Die klinischen Ergebnisse waren in der Triceps-on-Gruppe signifikant denen der Triceps-off-Gruppe überlegen. Ferner lag die Komplikationsrate in der Triceps-on-Gruppe bei nur 8,1 % ohne beobachtete Trizepssehnenruptur, in der Triceps-off-Gruppe bei 32,6 % (inkl. 7 sekundärer Trizepssehnenrupturen).

Die Diagnose einer sekundären Trizepssehnenruptur nach total-endoprothetischer Ellenbogenversorgung stellt an den Operateur eine echte Herausforderung dar. Die sekundäre Trizepssehnenrekonstruktion führt meist zu einem unbefriedigenden Ergebnis: Dachs et al. zeigten 100 % (4 von 4) Versagen der distalen Trizepssehnenrekonstruktion nach TEP teils mit Sepsis und nach sich ziehendem Prothesenausbau. Demgegenüber bestand bei 3 konservativ therapierten Patienten ein persistierendes Kraftdefizit mit ebenfalls schlechten klinischen Ergebnissen [6].

Die Frage nach der adäquaten Therapie der sekundären Trizepssehnenruptur nach TEP lässt sich nicht zuletzt aufgrund der geringen publizierten Fallzahlen nicht eindeutig beantworten. Celli et al. empfehlen einen „rotational aconeus flap“ bei gut erhaltenenen Weichteilen, bei schlechten Weichteilen oder weiter Retraktion wird die Rekonstruktion mit auto- oder allogenem Transplantat (z.B. Achillessehne) als salvage-procedure diskutiert. Hierdurch kann eine Verbesserung der Extensionskraft im Vergleich zur direkten Rekonstruktion erreicht werden [22].

Zusammenfassung

Das Management distaler Trizepssehnenrupturen umfasst primär eine ausführliche Diagnostik zur Differenzierung zwischen Teil- und Komplettruptur, welche das weitere therapeutische Vorgehen vorgibt. Gerade bei Teilrupturen gilt es je nach Aktivitätslevel und funktionellem Anspruch des Patienten das weitere Vorgehen ausführlich zu besprechen. Während Teilrupturen ohne wesentliches Kraftdefizit einem konservativen Therapieregime zugeführt werden können, sollte bei einer Extensions-Kraftminderung eine operative Versorgung indiziert werden. Komplettrupturen stellen eine klare OP-Indikation dar. Ein Goldstandard für die operative Technik existiert bis dato nicht, jedoch zeichnet sich ein eindeutiger Trend – ähnlich der Sehnenrekonstruktion der Schulter – zur anatomischen Rekonstruktion mit möglichst vollständiger Deckung des Footprints ab. Im eigenen Vorgehen wird die anatomische Rekonstruktion durch die sog. „V-shaped double-row repair technique“ (proximale Ankerreihe kombiniert mit einem gelenknahen intramedullären Flipp-Button) angestrebt.

Problematisch stellt sich die Behandlung von sekundären Trizepssehneninsuffizienzen/-rupturen nach total-endoprothetischem Gelenkersatz am Ellenbogen dar. Die direkte Rekonstruktion zeigt in den wenigen publizierten Arbeiten eine große Versagensrate bei schlechten klinischen Ergebnissen. Daher sollte heutzutage der „Triceps-on“-Zugang bei der Implantation einer Ellenbogen-TEP bevorzugt werden [6, 23]. Fallberichte zu salvage-procedures wie Anconeus-Flap oder allogenen Sehneninterponat haben eine Machbarkeit bewiesen, klinische Ergebnisse sind jedoch nicht überzeugend, sodass diese als Reserve-Therapie zurückgehalten werden sollten.

Fazit für die Praxis

Bei akutem Extensionsverlust bei entsprechender Trauma-Anamnese ist die distale Trizepssehnenruptur eine auszuschließende Diagnose.

Neben der klinischen Untersuchung stellt die MRT den Goldstandard dar.

Die operative Therapie der akuten Komplettruptur sollte zeitnah erfolgen (< 3 Wochen).

Ziel der operativen Techniken ist die flächige, anatomische Rekonstruktion der distalen Trizepssehne (z.B. „V-shaped double-row repair technique“).

Die Trizepsinsuffizienz nach TEP stellt eine therapeutische Herausforderung dar, Patienten sind über das zu erwartende Ergebnis aufzuklären.

Für die Implantation einer Ellenbogen-TEP sollte der „Triceps-on“-Zugang Anwendung finden, um eine Trizepssehnen-Komplikation zu vermeiden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Sebastian Siebenlist

Klinikum rechts der Isar

Abteilung für Sportorthopädie

Ismaninger Str. 22

81675 München

sebastian.siebenlist@mri.tum.de

Literatur

1. Rineer CA, Ruch DS: Elbow tendinopathy and tendon ruptures: epicondylitis, biceps and triceps ruptures. J Hand Surg Am 2009; 34: 566–76

2. Holleb PD, Bach BR Jr., Triceps brachii injuries. Sports Med 1990; 10: 273–76

3. Yeh PC, Dodds SD, Smart LR, Mazzocca AD, Sethi PM: Distal triceps rupture. J Am Acad Orthop Surg 2010; 18: 31–40

4. Anzel SH, Covey KW, Weiner AD, Lipscomb PR: Disruption of muscles and tendons; an analysis of 1, 014 cases. Surgery 1959; 45: 406–14

5. Sollender JL, Rayan GM, Barden GA: Triceps tendon rupture in weight lifters. J Shoulder Elbow Surg 1998; 7: 151–3

6. Dachs RP, Fleming MA, Chivers DA et al.: Total elbow arthroplasty: outcomes after triceps-detaching and triceps-sparing approaches. J Shoulder Elbow Surg 2015; 24: 339–47

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