Originalarbeiten - OUP 11/2013

Ursachen und Therapie des vorderen Knieschmerzes nach Implantation einer Knietotalendoprothese (K-TEP)
Causes and treatment of anterior knee pain after implantation of
a total knee arthroplasty (TKA)

W. Petersen1, I.V. Rembitzki2, G.P. Brüggemann3, A. Ellermann4, R. Best5, A. Gösele-Koppenburg6, C. Liebau2

Zusammenfassung: Der vordere Knieschmerz ist einer der häufigsten Gründe für fortbestehende Probleme nach Implantation einer Knieendoprothese. Er kann mit oder ohne Patellarückflächenersatz auftreten. Durch den operativen Eingriff können viele Veränderungen entstehen, die das sensible Zusammenspiel der Gelenkpartner im Femoropatellargelenk beeinträchtigen können (Zugangsmorbidität, Komponentenposition, funktionelle Probleme).

Diagnostisch sollte bei einer schmerzhaften Knieendoprothese immer eine Gelenkinfektion ausgeschlossen werden. Wir unterscheiden funktionelle Ursachen von mechanischen Ursachen für den vorderen Knieschmerz. Bei den funktionellen Ursachen handelt es sich um inter- und intramuskuläre Koordinationsstörungen, die auf die präoperative Arthrose zurückzuführen sind. Dabei sollte nicht nur auf die Oberschenkelmuskulatur, sondern auch auf die hüft- und rumpfstabilisierenden Muskeln geachtet werden. Ein funktionell bedingtes Maltracking kann temporär über eine Rezentrierungsorthese korrigiert werden.

Die mechanischen Ursachen für patellofemorale Probleme nach Kniegelenkersatz können danach unterschieden werden, ob sie die Instabilität im Femoropatellargelenk erhöhen, zu Veränderungen in der Übertragung des Gelenkdrucks führen oder ob sie die muskulären Hebelarme beeinflussen. Zu diesen Ursachen zählen Offsetfehler, Oversizing, Rotationsfehler, Instabilitäten, Maltracking, Chondrolyse, Patella baja und die aseptische Lockerung. In diesen Fällen ist oft eine Reoperation notwendig.

Bei den Reoperationen unterscheiden wir Revisionen mit Austausch von Komponenten von Nicht-Revisionsoperationen, die meist arthroskopisch durchzuführen sind (lateral release, Arthrolyse).

Schlüsselwörter: Schmerz, Patella Maltracking, dynamischer Valgus, Rotationsfehler, Rückflächenersatz

Zitierweise

Petersen W, Rembitzki IV., Brüggemann GP, Ellermann A, Best R, Gösele-Koppenburg A, Liebau C: Ursachen und Therapie des vorderen Knieschmerzes nach Implantation einer Knietotalendoprothese (K-TEP).

OUP 2013; 11: 500–509. DOI 10.3238/oup.2013.0500–0509

Abstract: The anterior knee pain is one of the most common causes of persistent problems after implantation of a total knee arthroplasty. It can occur with or without patella resurfacing. The surgical intervention may cause several changes that affect the sensitive interplay between the joint partners in femoropatelar joint (approach morbidity, component location).
In each patient with each anterior knee pain a joint infection should be excluded.
We distinguish functional causes from mechanical causes of anterior knee pain. The functional causes are problems with inter- and intra-muscular coordination, which are due to the preoperative osteoarthritis. Attention should be paid not only to the thigh muscles but also the hip and trunk stabilizes. A functional maltracking can be temporarily corrected via a recentering orthosis.

The mechanical causes of patellofemoral problems after knee replacement can be distinguished according to whether they increase instability in the femoropatellar joint, lead to changes in the transmission of the joint pressure or whether they influence the muscular lever arms. These causes are offset error, oversizing, rotational errors, instability, maltracking chondrolysis, patella baja and aseptic loosening. In these cases surgery is often required.
We distinguish revisions replacing components from non-revision surgeries, which are usually carried out arthroscopically (lateral release, arthrolysis).

Keywords: pain, patella maltracking, dynamic valgus, rotational errors, patella resurfacing

Citation

Petersen W, Rembitzki IV., Brüggemann GP, Ellermann A, Best R,
Gösele-Koppenburg A, Liebau C: Causes and treatment of anterior knee pain after implantation of a total knee arthroplasty (TKA).

OUP 2013; 11: 500–509. DOI 10.3238/oup.2013.0500–0509

Einleitung

Nach Angaben im Schrifttum variieren die Zufriedenheitsraten nach Implantation einer Knietotalendoprothese (K-TEP) zwischen 75 % und 89% [1, 2, 3]. Innerhalb der ersten 5 Jahre nach der primären Implantation soll die Revisionsrate 2,8% betragen, die Rate der Reoperationen ohne Revision liegt nach Angaben Zimstowskis [4] bei 4,3%. Nicht-Revisions-Reoperationen sind chirurgische Eingriffe ohne Austausch von Komponenten.

Der vordere Knieschmerz ist einer der häufigsten Gründe für fortbestehende Probleme nach Implantation einer Knieendoprothese. Er kann nach Knieprothese mit oder ohne Patellarückflächenersatz auftreten. Schließlich können durch den operativen Eingriff viele Veränderungen entstehen, die das sensible Zusammenspiel der Gelenkpartner im Femoropatellargelenk beeinträchtigen können (Zugangsmorbidität, Komponentenposition). Sensi et al. [5] berichten für den vorderen Knieschmerz über eine Inzidenz von 8%. Dabei ist die Schmerzintensität bei den meisten Patienten nur gering bis mittelgradig. In dieser Studie musste in keinem Fall eine Reoperation oder Revision durchgeführt werden. Trotzdem sind patellofemorale Probleme nach der Infektion einer der häufigsten Gründe für eine Reoperation oder Revision. Bei der Indikation zum sekundären Patellarückflächenersatz bei vorderem Knieschmerz sollte jedoch sehr vorsichtig vorgegangen werden, da die Erfolgsrate nur bei 50–60% liegt [6, 7]. Ein Grund für diese Beobachtungen könnte darin liegen, dass oft andere Ursachen für den vorderen Knieschmerz verantwortlich sind als der retropatellare Knorpelschaden.

Die Ursachen für den vorderen Knieschmerz sind vielfältig und lassen sich grob in funktionelle (muskuläre Dysbalancen) und mechanische (Fehlpositionierung von Komponenten der Prothese, Patellafrakturen, aseptische Lockerung, etc.) Probleme unterscheiden. Aber auch Infektionen bei liegender K-TEP können sich klinisch als vorderer Knieschmerz manifestieren (Abb. 1).

Viele dieser Probleme können schon bei der Primärimplantation der Knieendoprothese vermieden werden. Der vorliegende Übersichtsartikel soll einen Überblick über dieses komplexe Thema geben und einen Leitfaden für eine rationelle Diagnostik und Therapie präsentieren.

„Normaler“ Schmerzverlauf nach Implantation
einer Knievollprothese

Brander et al. [8] und Forsythe et al. [9] haben die Schmerzintensität nach Implantation einer unkomplizierten K-TEP während des ersten postoperativen Jahres mit einer visuellen Analogskala untersucht. In der Brandner-Studie fiel das präoperative Schmerzniveau von durchschnittlich 52 Punkten nach 3 Monaten auf 25 Punkte. Nach einem Jahr lag das Schmerzniveau aber noch bei durchschnittlich 17 Punkten. Es lag nach einem Jahr somit noch bei 32% des Ausgangswertes. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Forsythe et al. [9]. In der Forsythe-Studie fiel der Schmerz auf der visuellen Analogskala von 68 Punkten auf 33 nach 3 Monaten, auf 27 Punkte nach einem Jahr und auf 22 Punkte nach 2 Jahren.

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