Originalarbeiten - OUP 11/2013

Ursachen und Therapie des vorderen Knieschmerzes nach Implantation einer Knietotalendoprothese (K-TEP)
Causes and treatment of anterior knee pain after implantation of
a total knee arthroplasty (TKA)

Diese Befunde sind auch im Hinblick auf den vorderen Knieschmerz relevant, da zu diesen „normalen“ Schmerzen nach K-TEP auch der vordere Knieschmerz gehören kann.

Man unterscheidet modifizierbare Prädiktoren von nicht modifizierbaren Faktoren für einen schmerzhaften Verlauf. Zu den nicht modifizierbaren Prädiktoren gehören das weibliche Geschlecht, starker präoperativer Schmerz, eine niedrige Schmerzschwelle und junges Alter [10]. Zu den modifizierbaren Prädiktoren gehören Angst, Depression und Probleme der Schmerzverarbeitung [9]. Nach Angaben von Forsythe et al. 2008 [9] haben Patienten mit stärkeren postoperativen Schmerzen einen hohen Wert auf der „Pain-catastrophizing-Scale (PCS)“. Brandner et al. [8] konnten eine Korrelation zu einem hohen Anxiety-Score (STAI) und Depression-Score (BDI) zeigen.

Ein Problem liegt sicher auch in der Erfüllung der präoperativen Erwartungen (Abb. 2). Erfüllt sich die präoperative Erwartung der Schmerzfreiheit nicht innerhalb der ersten postoperativen Monate [8, 9] kommt es zu Angst und Unsicherheit; Faktoren, die die Schmerzverarbeitung negativ beeinflussen können. Falsche Erwartungen können insbesondere im Hinblick auf Schmerzen bei bestimmten Aktivitäten (z.B. Sport) vorliegen. So haben Bonnin et al. [10] zeigen können, dass die Inzidenz von Schmerzen bei Sportarten wie Tennis oder Golf nicht gerade gering sind. Hier kann auch der Grund für fehlende Zufriedenheit nach Implantation einer K-TEP liegen.

Diese Befunde sollten in der Diagnostik des vorderen Knieschmerzes gerade im Hinblick auf die Indikation für aufwendigere Revisionsoperationen berücksichtigt werden.

Schmerzentstehung im
patellofemoralen Gelenk

Im Femoropatellargelenk artikuliert die Patella eingebettet in den Streckapparat mit dem femoralen Gleitlager der Prothese, in das sie ab ca. 20–30° Beugung tritt. Daher kann die Vertiefung des Gleitlagers der femoralen Komponente die Patella erst ab diesem Beugegrad stabilisieren.

Zwischen voller Streckung und 20–30° Beugung wird die Patella durch die medialen und lateralen Bandstrukturen stabilisiert. Da die Patella als Sesambein den Hebelarm des Streckapparats vergrößert, wird ihr Gleitverhalten auch durch die muskulären Anteile des M. quadrizeps beeinflusst.

Der genaue Mechanismus wie Schmerzen im Patellofemoralgelenk entstehen, ist unklar. Verschiedene Ursachen kommen in Betracht [11].

Da der vordere Knieschmerz bei Patienten mit und ohne Patellarückflächenersatz auftreten kann, entstehen die Schmerzen bei vielen Patienten wahrscheinlich in den Ansatzbereichen des Streckapparats [12]. So konnten Sanchis Alfonso et al. [12] bei Patienten mit vorderem Knieschmerz eine erhöhte Nozizeptorendichte im lateralen Retinakulum nachweisen. Es ist zu vermuten, dass Störungen der patellofemoralen Mechanik zu einer lokalen Überlastung dieser Strukturen führen [12]. Zu diesen mechanischen Störungen gehört die patellofemorale Instabilität, das laterale Maltracking oder die Druckerhöhung durch den Streckapparat in der Sagittalebene. Diesen 3 Störungen können verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Zu diesen zählen Fehlpositionen der Komponenten der Prothese, Valgusmalalignement der unteren Extremität und Instabilitäten. Dem Valgusmalalignement können fehlpositionierte Komponenten zugrunde liegen. Häufiger sind sicher muskuläre Insuffizienzen und Dysbalancen, die funktionell zu einem dynamischen Valgusmalalignement führen können [11].

Auch eine lokale peripatellare Synovialitis, entzündliche Veränderungen am Hoffaschen Fettkörper oder ossäre Ödeme kommen als Ursachen für patellofemorale Schmerzen bei liegender K-TEP in Frage. Van Jonbergen et al. [13] haben mit einem systematischen Review zeigen können, dass sich eine peripatelläre Synovialektomie und Resektion des Hoffaschen Fettkörpers positiv auf die Schmerzen nach K-TEP auswirken.

Funktionelle Ursachen für den vorderen Knieschmerz

Bei leichten oder mittelgradigen femoropatellaren Beschwerden liegen oft funktionelle Probleme vor, die keiner Reoperation oder Revision bedürfen [5].

Eine Quadrizepsschwäche persistiert oft bei Patienten nach Implantation einer Knievollprothese. Diese hat einen wesentlichen Einfluss auf die Bewegungsmuster des Knies während des Gangs [14]. Es ist außerdem bekannt, dass Quadrizepsdysbalancen mit Schwäche des M. vastus medialis und vermehrter Aktivierung des M. vastus lateralis ein laterales Maltracking der Patella bewirken können [15]. Die durch die Arthrose bedingte präoperative Quadrizepsschwäche kann sich durch die Implantation einer Knieendoprothese verschlechtern (z.B. Zugangsmorbidität) und es kann weit über 2 Jahre dauern bis die Kraft der der kontralateralen Extremität entspricht [16]. Das bedeutet aber auch, dass sich viele funktionelle Probleme mit rehabilitativen Maßnahmen beheben lassen.

Oft liegen bei Arthrosepatienten auch zusätzlich Störungen der hüftstabilisierenden Muskulatur vor. Durch die Schwäche der Außenrotatoren kann es zu einer valgischen Stellung des Kniegelenkes kommen. Das bezeichnet man als funktionelles Malalignement (Abb. 3) [11]. Eine Glutealschwäche ist klinisch an einem positiven Trendelenburg-Zeichen erkennbar. Hier ist nicht nur das Absinken des Beckens, sondern auch eine Balancestörung als Funktionsstörung zu werten. Ist die funktionelle Schwäche der Außenrotatoren durch eine Coxarthrose bedingt, steht die Therapie der Coxarthrose im Vordergrund um die femoropatellaren Schmerzen zu beeinflussen. Sled et al. [17] haben jedoch zeigen können, dass bei Gonarthrosepatienten ohne K-TEP Schmerz und Funktion durch ein Training der Hüftabduktoren gesteigert werden kann.

Das funktionelle Malalignement hat Auswirkungen auf das Femoropatellargelenk [11]. Durch die valgische Stellung des Kniegelenkes kommt es zu einer Lateralisation der Patella. Das funktionelle „Malalignement“ kann klinisch mit einbeinigen Kniebeugen nachgewiesen werden.

Oft liegen auch Probleme im Bereich der LWS und rumpfstabilisierenden Muskulatur vor. So haben Patienten nach K-TEP aufgrund der Quadrizepsschwäche oft ein „Quadrizeps-Vermeidungsgang“-Bild [18]. Dabei kommt es kompensatorisch zu einer vermehrten Vorneigung des Rumpfs [18]. Es können aber auch Komorbiditäten im Bereich der LWS vorliegen. Durch eine verminderte LWS-Lordose kommt es dabei zur vermehrten Beckenkippung und kompensatorisch zur vermehrten Beugehaltung im Kniegelenk mit einer vermehrten Beanspruchung des Femoropatellargelenks. Degenerative Komorbiditäten im Bereich der LWS und der Hüfte sind bei Arthrosepatienten nicht selten. Abb. 4 fasst die funktionellen Ursachen für den vorderen Knieschmerz zusammen.

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