Übersichtsarbeiten - OUP 05/2014

Vaskularisierte ossäre und osteokartilaginäre Transplantate am Handgelenk: Ein Update

Die Zentrierung eines Knochenblocks unter einem geeigneten axialen periostealen Gefäßverlauf zur Rekonstruktion an den Knochen der Hand fällt aufgrund des reichen Vaskularisationsnetzes relativ einfach. Nach Isolation des Pedikels unter Lupenbrillenvergrößerung erfolgt die monopolare elektrische Inzision des Periostes in der benötigten Größe und danach die Osteotomie des benötigten Blocks (Abb. 3). Es empfiehlt sich, die Kortikalis vorsichtig mit der oszillierenden Säge oder dem Piezo-Osteotom zu sägen, da es bei Herausarbeitung des Spans ausschließlich mit Meißeln zur vibrationsbedingten Abscherung des spongiösen Anteils vom kortikoperiostealen Transplantatanteil kommen kann. Der gehobene Span wird auf dem Beistelltisch entsprechend dem Defekt maßgefertigt. Falls dabei oszillierende oder reziprozierende Sägen zum Einsatz kommen, sollte unbedingt gekühlt werden. Die Hebestelle wird unter Verwendung eines unter Sicht eingelegten Schmerzkatheters mehrschichtig verschlossen.

Der Spaneinbau am Kahnbein erfolgt äquivalent zu einem avaskulären Span, jedoch muss auf eine unkompromittierte Ausleitung des Gefäßpedikels aus der Gelenkregion geachtet werden. Bei beugeseitigem Zugang kann der Anschluss an die A. radialis oder an den R. palmaris der A. radialis erfolgen. Bei streckseitigem Zugang empfiehlt sich der mikrochirurgische Anschluss in der Tabatière. Die Osteosynthese des Transplantats erfolgt situativ bevorzugt mit Herbert-Schrauben, in Einzelfällen mit Kirschner-Drähten.

Bei Einsatz an den Metacarpalia oder den Phalangen sind gelegentlich auch Einzelschrauben zur Osteosynthese sinnvoll. Da ein kutaner Lappen der Oberschenkelinnenseite, welcher mit dem Knochentransplantat gehoben werden kann, für die Finger meist zu dick ist, kann in selektierten Fällen das sehr gut durchblutete Transplantat auch direkt mit einem Vollhauttransplantat gedeckt werden [25].

In größeren Serien zur karpalen Rekonstruktion hat sich der höhere Aufwand der freien medialen Femurkondylentransplantation als außerordentlich effektiv erwiesen [33, 34, 35]. Jones et al. beschrieben in einer Serie von 22 Kahnbeinpseudarthrosen sogar eine signifikant höhere und schnellere Durchbauung als mit vaskulär gestielten Knochentransplantaten vom Radius (s. oben) [26].

Die Patienten dürfen nach der Entnahme eines Spans in der Größe wie für eine Kahnbeinrekonstruktion notwendig sofort beschwerdeorientiert mobilisiert werden. Die meisten Autoren halten eine Entlastung in diesen Fällen, wie auch in allen Fällen der rein kortikoperiostealen Entnahme, für nicht erforderlich [22, 23, 36, 24, 25, 37, 21]. Die Hebestellenmorbidität wird in der Literatur als sehr gering beschrieben, was sich mit den eigenen Erfahrungen deckt: Am häufigsten wird eine perigenikuläre Pelzigkeit beschrieben, ansonsten leichte passagere Schmerzen beim Gehen und die Entwicklung eines Hämatoms [22, 21].

In die S3-Leitlinie der Behandlung von Skaphoidfrakturen hat dieses sehr potente Transplantat noch keinen Einzug gefunden, zumal es vor allem für die Behandlung der Pseudarthrosen angewendet wird. Es wird jedoch Situationen geben, bei denen das mediale Femurkondylen-Transplantat bereits primär eine optimale Lösung für den Patienten darstellen kann, wenn Lokalisation und Fragmentanzahl der Fraktur eine konventionelle Versorgung unzuverlässig erscheinen lassen.

Freie mikrovaskuläre
osteochondrale Transplantate

Einige handchirurgische Probleme in der Gelenkrekonstruktion des Radiokarpal- und Midkarpalgelenks können allerdings auch freie vaskularisierte Knochentransplantate nicht lösen: Liegen beispielsweise große intraartikuläre Zysten im Lunatum oder im Kahnbein vor, welche nach entsprechender Ausräumung nur eine papierdünne Knorpel-Knochenkontur oder gar größere Knorpeldefekte hinterlassen, wäre ein autologer Knorpelflächenersatz oft wünschenswert. Die vaskuläre Versorgung der medialen Facette der Femurkondyle erlaubt hier die Entnahme eines ganz proximalen Segments der medialen dorsalen Femurrolle, welche nicht in der Belastungszone liegt. Versorgt vom transversalen osteokartilaginären Ast aus der A. genicularis descendens kann ein vaskularisiertes Composite-Transplantat einer Größe von ca. 1 x 1 x 2 cm mit einem Stiel bis zu 12 cm Länge gewonnen werden [30, 32]. Die Krümmung der Knorpeloberfläche eignet sich dann je nach Orientierung zur Rekonstruktion des gesamten proximalen Kahnbeinpols oder des Lunatums inklusive eines Teils der radiokarpalen Gelenkfläche (Abb. 4).

In beiden Fällen wird der Zugang zum Handgelenk von dorsal hergestellt. Hierzu wird nach Eröffnung des 4. Strecksehnenfachs mit einer begleitenden Denervation des Nervus interosseus posterior eine limitierte Kapseleröffnung durchgeführt.

Proximale Kahnbein-
polrekonstruktion

Nach dem Zugang wird eventuell vorhandenes altes Osteosynthesematerial entfernt und der zertrümmerte oder nekrotische proximale Kahnbeinpol reseziert. Das verbleibende Kahnbein wird mit oszillierender Säge oder Feinmeißeln vorbereitet, um das Transplantat stufenfrei anzusetzen. Zu berücksichtigen ist dabei die Tatsache, dass die Knorpelschicht der Femurkondyle um ein 2–4-faches dicker ist, als am Skaphoid. Dies ist auch bei der postoperativen Verlaufskontrolle in der Bildgebung zu beachten, um Knochenstufen im CT bzw. die Kontur im MRT richtig zu werten. Für die Rekonstruktion eines zerstörten Kahnbeinpols ist als Hebestelle das kontralaterale Knie zu verwenden, um die richtige Orientierung von Gefäßeinstrahlung und Knorpelkrümmung zu erhalten.

Der osteokartilaginäre Span wird nun – ggf. unter Verwendung eines Knochenwachsmodells – mit der oszillierenden Säge so zugerichtet, dass er exakt an den verbleibenden Kahnbeinkorpus angesetzt werden kann und die radiokarpale Gelenkfläche bündig erscheint (Abb. 5). Je nach anatomischer Konfiguration erfolgt die Stabilisierung mittels Mini-Herbert-Schraube oder K-Drähten (Abb. 6). Eine Reinsertion des skapholunären Bands – sofern es noch vorhanden ist – muss nicht durchgeführt werden, wenn das Kahnbein diskret länger rekonstruiert wird („scaphoid overstuffing“ [34]). Die Handgelenkkapsel wird mit wenigen 4-0-Polydioxanonnähten verschlossen, ohne den Stiel einzuengen und um ihn ohne abzuknicken nach dorsal zu leiten. Beim anschließenden Durchbewegen des Handgelenks darf keine Krepitation zu spüren sein. Das Transplantat wird im Anschluss End-zu-Seit an die A. radialis in der Tabatiere und End-zu-End an eine Begleit- oder subkutane Vene angeschlossen. Der lange Gefäßstiel muss dafür subkutan über den Strecksehnen locker zu liegen kommen. Wir führen nach einer erfolgten Skaphoidgipsruhigstellung von 6–8 Wochen in der 12. Woche eine CT- und eine Kontrastmittel-MRT Untersuchung durch.

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