Übersichtsarbeiten - OUP 12/2015

Ventrale thorakoskopische Spondylodese zur Behandlung von Frakturen im thorakolumbalen Übergang

Die rein thorakoskopische Technik ist dabei zwar sehr anspruchsvoll, liefert allerdings auch unter Ausnutzung des thorakalen Käfigs eine ausgezeichnete Übersicht über das Operationsfeld. Die Ansicht in 2D und das Manipulieren über lange Instrumente ist gewöhnungsbedürftig, erfordert einen erfahrenen Operateur und zeigt eine gewisse Lernkurve. Diese wird belohnt durch eine exzellente Exposition des Operationssitus und eine sehr geringe Zugangsmorbidität [1, 3, 6, 8]. Die Indikation zur Rekonstruktion der ventralen Säule nach Verletzungen im thorakalen und lumbalen Bereich liegt vor bei erheblicher kyphotischer Fehlstellung und Destruktion der benachbarten Bandscheiben. Dies ist in aller Regel bei Berstungsbrüchen oder Kneifzangenbrüchen vom Typ A3 und A4 gegeben [6, 8, 10, 12, 13, 21].

Bei der Indikationsstellung sind viele Aspekte zu berücksichtigen, die von der Frakturklassifikation über den Destruktionsgrad von Wirbelkörper und Bandscheibe bis hin zum Allgemeinzustand des Patienten sowie dessen Knochenqualität reichen. Insofern ist es immer eine Einzelindikation, die auch mit dem Patienten zu besprechen und ihm zu erläutern ist. Eine differenzierte Vorgehensweise mit mono- oder bisegmentaler ventraler Spondylodese sowie dem alleinigen ventralen Vorgehen oder der Kombination mit einer dorsalen Stabilisierung resultiert aus den genannten Überlegungen und ist in der eigenen Klinik in einem klaren Algorithmus niedergelegt.

Die Argumentation pro monosegmentaler ventraler Spondylodese ist sicherlich durch die Erhaltung eines Bewegungssegments gegeben, rein zahlenmäßig nimmt sie auch – wie aus den statistischen Untersuchungen unserer Klinik der letzten Jahre klar hervorgeht – an Bedeutung stetig zu. Dennoch muss gerade hier die Indikation gut und sicher gestellt werden. Der junge Patient mit gutem Knochenstock und inkomplettem Berstungsbruch ohne jegliche Verletzung der Grundplatte und der darunter liegenden Bandscheibe kann von dieser Vorgehensweise sicherlich profitieren. Im Einzelfall kann auch bei einem Berstungsspaltbruch bei jungen Patienten und Nachweis einer intakten Bandscheibe ein solches Vorgehen gerechtfertigt sein.

Beim älteren Patienten mit zunehmend reduzierter Knochenqualität ist eher die bisegmentale Spondylodese mit expandierbarem Wirbelkörperersatz anzustreben [9, 10, 13].

Das isoliert ventrale Vorgehen wird besonders kritisch betrachtet. In diesem Fall muss unbedingt das Vorliegen einer Verletzung im dorsalen Bandapparat z.B. mittels MRT ausgeschlossen werden. Es ist eine gute Knochenqualität zu fordern, der Wirbelkörperersatz – ob mono- oder bisegmental – ist dann zwingend mit einer winkelstabilen Platte zu kombinieren.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Oliver Gonschorek

Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie

Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Murnau

Prof.-Küntscher-Straße 8

82418 Murnau

oliver.gonschorek@bgu-murnau.de

Literatur

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