Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024

Verletzungen ischiofemoral
Immer konservativ?

Die Therapie von Verletzungen des M. quadratus femoris ist in der Regel konservativ im Sinne von Injektion mit Kortikosteroiden, transkutaner Neurostimulation, Iontophorese, analgetisch-antiphlogistischer Therapie, Physiotherapie und schmerzadaptierter Teilbelastung [5, 17, 36, 42, 63, 66, 70]. Scheitert die konservative Therapie, kann bei Beschwerdepersistenz die Revision mit offener Revision des Nervus ischiadicus durchgeführt werden [5].

Ruptur bzw. Verletzung
der Iliopsoassehne

Avulsionsverletzungen der Iliopsoassehne sind sehr selten und nur kausistisch bzw. in kleinen Fallserien beschrieben [3, 10, 13, 14, 19, 26, 29, 41, 43, 48, 52]. Sehnenverletzungen und Verletzungen im Bereich des Muskel-Sehnen-Übergangs des M. iliopsoas sind bei 0,66 % der MRT-Analysen im Hüft- und im Beckenbereich zu erwarten [3]. Die Prävalenz kompletter Risse beträgt 0,16 % [10]. Bei Patientinnen und Patienten unter 65 Jahren handelt es sich vorwiegend um Sportverletzungen im muskulären Bereich sowie um Zerrungen und Partialrupturen der Iliopsoassehne, die insb. bei Fußballerinnen/Fußballern oder bei Ruderinnen/Ruderern auftreten [3, 18]. Bei über 65-Jährigen hingegen wurden vorwiegend komplette Sehnenrisse ohne Zusammenhang mit sportlicher Belastung und überwiegend bei Frauen diagnostiziert. In 43,9 % der Patientinnen und Patienten liegt eine traumatische Genese vor, Frauen sind mit 68,4 % etwas häufiger betroffen als Männer [10, 29].

Als prädisponierender Faktor muss bei der erwachsenen Patientin/beim erwachsenen Patienten an eine Schwächung der Sehneninsertion am Trochanter minor durch ein tumoröses Geschehen, insbesondere an lokale Metastasen gedacht werden [3, 10]. Mit zunehmendem Alter scheinen die Häufigkeit und der Schweregrad der Verletzung zuzunehmen [10, 29]. Weitere Ursachen werden im Zusammenhang mit der Gabe von Kortikosteroiden und antibiotischer Therapie (Fluorchinolone), mit (multiplen) chronischen Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, Kollagenosen, chronisches Nierenversagen, Diabetes und Gicht) sowie nach endoprothetischen Ersatzoperationen an der Hüfe beschrieben [21, 29, 31, 56]. Bei älteren Patientinnen und Patienten werden in etwa 50 % der Fälle traumatische Ereignisse als Auslöser der Symptomatik angegeben [10]. Etwa 25 % der Fälle zeigen keinen eindeutigen Zusammenhang mit einem Sturzereignis, während weitere 25 % spontan auftreten, d.h. die Patientinnen und Patienten können sich nicht an ein Verletzungsereignis erinnern [10]. Iliopsoasavulsionen bei jüngeren erwachsenen Patientinnen und Patienten sind in der Regel sportinduziert [29].

Die Diagnostik von Verletzungen im Leistenbereich ist schwierig, weil zahlreiche anatomische Strukturen in anatomisch enger Nachbarschaft lokalisiert sind. In etwa 30 % der Fälle ist die Diagnose nicht eindeutig [29].

Bei der klinischen Untersuchung nach Iliopsoasavulsion findet sich meist ein schmerzbedingt schonhinkendes Gangbild. Eine wesentliche Schwellung oder Hämatomverfärbung im Oberschenkelbereich wird meist nicht gefunden. Die passive Beweglichkeit des betroffenen Hüftgelenks ist unauffällig, die aktive Bewegungsprüfung der Hüfte provoziert aber einen Schmerz. Das aktive Anheben des gestreckten Beines ist typischerweise nicht möglich und wird als stark schmerzhaft empfunden, ebenso die isometrische Beugung des Oberschenkels in der Hüfte bei leicht außenrotiertem Oberschenkel mit Widerstand am Oberschenkel [29]. Die eindeutige Diagnose der Iliopsoasavulsion ist klinisch meist nicht möglich, deshalb müssen weiterführende bildgebende Untersuchungen i.S.e. MRT-Untersuchung angeschlossen werden [3, 10, 29, 43, 56]. Die Behandlung der Iliopsoasavulsion erfolgt grundsätzlich konservativ [3, 14, 19, 21, 26, 29, 41, 56].

Nach Avulsionsverletzungen der Iliopsoassehne kann zunächst wegen der starken Schmerzhaftigkeit eine orale analgetisch-antiphlogistische Medikation erforderlich sein [29], die Behandlung erfolgt funktionell und schmerzadaptiert mit Teilbelastung an einem Paar Unterarmgehstützen oder mit Rollator für ca. 3 Wochen und daraufhin folgender Vollbelastung. Eine physiotherapeutische Begleitbehandlung sollte sofort begonnen und durchgängig durchgeführt werden. Muskelkräftigungen können bei Schmerzfreiheit ebenfalls nach 3 Wochen wieder durchgeführt werden [29].

Fazit für die Praxis

  • 1. Ischiofemorale Verletzungen sind sehr selten und werden in ihrer Bedeutung unterschätzt.
  • 2. Zu den ischiofemoralen Verletzungen gehören der Apophysenabriss bzw. Fraktur des Trochanter minors und des Tuber ischiadicums. Ruptur bzw. Verletzung des Musculus quadratus femoris und Ruptur bzw. Verletzung der Iliopsoassehne.
  • 3. In der Regel erfolgt die konservative Therapie, wobei in Einzelfällen die operative Versorgung erwogen werden muss.
  • 4. Als Folge einer ischiofemoralen Verletzung kann ein ischiofemorales Impingement auftreten.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Markus-Johannes Rueth

Leiter Abteilung für Sportorthopädie

Muskuloskelettales Zentrum

Marktredwitz

Klinikum Fichtelgebirge

Haus Marktredwitz

Schillerhain 1–8

95615 Marktredwitz

unfallchirurgie@klinikum-
fichtelgebirge.de

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