Arzt und Recht - OUP 03/2012

Versorgungsstrukturgesetz:
Behandlung von Kassenpatienten ab dem 01.01.2012

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Karlsruhe

Einleitung

Nach langem Ringen ist es soweit – nachdem der Bundesrat am 16.12.2011 das Versorgungsstrukturgesetz mit dem vom Bundestag beschlossenen Inhalt ohne Änderungen gebilligt hat, gelten ab Inkrafttreten des Gesetzes neue Regelungen für die vertragsärztliche Versorgung von Kassenpatienten. Dementsprechend betreffen die Änderungen weit überwiegend das Gesetzbuch über die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).

Die Änderungen bieten erweiterten und vereinfachten Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung. Zudem wird auch bei der Honorarbudgetierung neuer Freiraum eingeräumt, um eine homogenere Versorgung der Kassenpatienten zu erreichen. In diesem Beitrag wird auf besonders praxisrelevante Punkte hingewiesen.

Schwerpunkt niedergelassene Vertragsärzte

Zugang zur vertragsärztlichen
Versorgung

Ein neu etablierter „zusätzlicher lokaler oder qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf“ soll eine kleinräumige, von städtischen Ballungszentren unabhängige Bedarfsprüfung beim Zugang (Zulassung, Ermächtigung) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermöglichen. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird in seiner Bedarfsplanungs-Richtlinie die konkreten Vorgaben festlegen, unter denen ausnahmsweise zusätzliche Vertragsarztsitze besetzt bzw. Ermächtigungen erteilt werden.

 

Es soll auf Antrag des Praxisinhabers eine für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung genehmigte Anstellung in eine Zulassung umgewandelt werden können. Voraussetzung ist, dass der angestellte Arzt mindestens im Umfang eines halben Versorgungsauftrags tätig war. Diese Regelung eröffnet neue Möglichkeiten in der Gestaltung von Berufsausübungsgemeinschaften. Insbesondere hat es der Praxisinhaber in der Hand, ob er die Nachbesetzung mit einem anderen Arzt beantragt oder den bisher angestellten Arzt automatisch zum Zulassungsinhaber und somit Partner in einer Berufsausübungsgemeinschaft werden lässt.

Quasi „umgekehrt“ kann eine Praxis nach Beendigung der Zulassung durch Tod, Verzicht oder Entziehung weitergeführt werden, indem der Vertragsarztsitz von einem bereits zugelassenen Vertragsarzt oder MVZ übernommen wird, der bzw. das einen bei ihm angestellten Arzt die vertragsärztliche Tätigkeit auf diesem übernommenen Vertragsarztsitz weiterführen lässt.

 

Das Gesetz sieht vor, dass ab dem 01.01.2013 in zulassungsbeschränkten Planungsbereichen der Zulassungsausschuss auf Antrag entscheidet, ob ein Nachbesetzungsverfahren nach Beendigung einer vertragsärztlichen Zulassung (Tod, Verzicht oder Entziehung) durchgeführt wird. Lehnt er den entsprechenden Antrag ab, weil eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist, hat die Kassenärztliche Vereinigung eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen. Der Zulassungsausschuss darf die Nachbesetzung jedoch nicht aus Versorgungsgründen ablehnen, wenn der Sitz an den Ehegatten, den Lebenspartner, ein Kind, einen bisher angestellten Arzt oder Praxispartner als Nachfolger zu vergeben ist.

 

In gut- bzw. überversorgten Planungsbereichen (noch) ohne Zulassungsbeschränkungen kann der Zulassungsausschuss Zulassungen auch befristet erteilen. Die konkreten Voraussetzungen für eine befristete Zulassung werden in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) geregelt. Auf diese Art und Weise soll eine (dauerhafte) Überversorgung vermieden werden.

 

Die Gründung von Zweigpraxen wird dahingehend erleichtert, dass geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Hauptsitz der Praxis nicht entgegenstehen, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis aufgewogen werden. Zudem müssen die in der Zweigpraxis angebotenen Leistungen nicht auch in ähnlicher Weise am Hauptsitz angeboten werden. Des Weiteren muss das Fachgebiet eines in der Zweigpraxis tätigen Arztes nicht auch am Hauptsitz der Praxis vertreten sein.

 

Die Residenzpflicht für Vertragsärzte wird abgeschafft. Es sind demnach bei der Wohnungswahl hinsichtlich der Entfernung zum Vertragsarztsitz (Praxis) keine zulassungsrechtlichen Einschränkungen zu beachten.

 

Der Anspruch auf Genehmigung einer Praxisverlegung besteht selbst dann nicht mehr, wenn keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen.

Honorar, Verordnungen

Vertragsärzte werden effektiver davor geschützt, unverschuldet wegen Budgetüberschreitungen in die Regressfalle zu geraten. Ein Arzt, der sein Richtgrößenvolumen bei der Verordnung von Arznei- und Heilmitteln erstmals um mehr als 25% überschreitet, ist zunächst durch die Prüfungseinrichtungen durch Beratung dabei zu unterstützen, sein Budget optimal auszunutzen, ohne Regressforderungen ausgesetzt zu sein. Im Rahmen der Beratung kann auf Antrag die Anerkennung von Praxisbesonderheiten durch die Prüfungseinrichtungen festgestellt werden.

 

Verordnungen von Heilmitteln, die Versicherten mit langfristigem Behandlungsbedarf von der Krankenkasse genehmigt wurden, sollen von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen sein. Im Übrigen ist für die Verordnung von Heilmitteln ausdrücklich die Festlegung von Praxisbesonderheiten vorgesehen, die bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen anzuerkennen sind. Auf diese Weise wird im Bereich der Heilmittelverordnung durch den Gesetzgeber sichergestellt, dass besondere Strukturen von Vertragsarztpraxen (Patienten, Qualifikationen), die zu Richtgrößenüberschreitungen führen, nicht zu Regresszahlungen führen. Diese Praxisbesonderheiten sind bis zum 30.09.2012 in Verträgen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu vereinbaren.

 

Von den Kassenärztlichen Vereinigungen der einzelnen Bundesländer anerkannte vertragsärztliche Praxisnetze können ein eigenes Honorarvolumen erhalten. Voraussetzung ist, dass diese Förderung einer Verbesserung der ambulanten Versorgung dient. Die Kriterien für die Anerkennung der besonders förderungswürdigen Praxisnetze werden in Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen festgelegt.

 

Ist in einem bestimmten Planungsbereich Unterversorgung festgestellt worden, können die Ärzte der betroffenen Arztgruppe Patienten dieses Planungsbereichs behandeln, ohne dass diese Behandlung eine Begrenzung des Honorars zur Folge hat (z.B. keine Abstaffelung bei Überschreitungen des Regelleistungsvolumens).

Leistungserbringung

Die Delegation ärztlicher Leistungen auf nichtärztliche Personen soll konkretisiert werden: Innerhalb der ersten 6 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes haben die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung für die ambulante Versorgung beispielhaft festzulegen, bei welchen Tätigkeiten ärztliche Leistungen an nichtärztliche Personen delegiert werden können und welche Anforderungen die Erbringung dieser Leistungen zu erfüllen hat.

Schwerpunkt Krankenhausbezug

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