Arzt und Recht - OUP 11/2012

Verstoß gegen das Berufsrecht?

Das Gericht setzte eine Geldbuße von 400,00 € fest.

Bezirksberufsgericht für Ärzte in Freiburg, Urteil vom 09.11.2010, Az. BG 15/10

Zum Sachverhalt

Die Ärztin fand keinen freien Parkplatz und stellte deshalb ihren Pkw auf dem privaten Parkplatz eines Steuerberaters ab. Auf die Armaturenablage legte sie das Schild „Arzt Notfall“, ausgestellt von der Bezirksärztekammer Südbaden. Die Ärztin war jedoch nicht während der gesamten Parkdauer von eineinhalb Stunden wegen eines ärztlichen Notfalls tätig.

Die Ärztin gab zunächst an, dass sie an dem fraglichen Tag aus ihrer Praxis zu einem Notfall gerufen worden sei. Angesichts massiver Parkplatzprobleme habe sie es „gewagt“, auf einem der freien Parkplätze des Steuerberaters zu parken. Zuvor habe sie sich bei einem der dort tätigen Arbeiter erkundigt, ob ein Parken möglich sei, was dieser bejaht habe. Später hat die Ärztin von ihrem Anwalt vortragen lassen, dass sie von ihrem Ehemann gerufen worden sei, der an einer unaufschiebbaren beruflichen Sitzung teilgenommen habe und plötzlich und überraschend an einer mit heftigen Kreislaufreaktionen verbunden akuten Gastroenteritis erkrankt sei. Bereits in dem Telefonat habe sie Medikamente genannt, die ihr Ehemann aus der Notfallapotheke aus seinem Pkw bzw. in einer Apotheke habe beschaffen sollen. Bei ihrem Eintreffen habe sie den Ehemann in einem bereits wieder relativ stabilen Zustand vorgefunden. Gleichwohl sei sie bei ihrem Ehemann geblieben.

Die Teilnehmer an der angegebenen Sitzung, die die plötzliche Erkrankung des Ehemannes bestätigen könnten, wurden nicht genannt.

 

Aus den Gründen

Das Berufsgericht ging zugunsten der Beschuldigten davon aus, dass sie die Örtlichkeiten in der Annahme aufsuchte, ihr Ehemann sei plötzlich erkrankt. Nach ihrer eigenen Schilderung wäre es ihr aber möglich gewesen, nach Beendigung ihres notfallärztlichen Einsatzes ihr Fahrzeug von dem privaten Stellplatz zu entfernen.

Es stellte einen Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg fest. Das Hinweisschild „Arzt Notfall“ sei nur bei Gelegenheiten einzusetzen, für die es vorgesehen ist und die dem Sinn und Zweck des Schildes entsprechen. Bei dessen Ausgabe werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht etwa um eine Parksondergenehmigung handelt, sondern der Zweck darin besteht, die Bediensteten des Ordnungsdienstes davon in Kenntnis zu setzen, dass ein Notfall vorliegt und deshalb die Voraussetzung eines sogenannten rechtfertigenden Notstands im Sinne von § 34 StGB gegeben sind. Die zweckwidrige Verwendung beeinträchtige das Ansehen der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit erheblich.

Das Berufsgericht berücksichtigte zugunsten der Ärztin, dass bei Beginn des Parkvorgangs unwiderlegt ein Notfall vorlag. In dem die Ärztin ihren Pkw nach Beendigung des gebotenen ärztlichen Einsatzes nicht von dem privaten Stellplatz entfernte, verletzte sie zwar Bestimmungen der Berufsordnung, ihr Fehlverhalten erscheine aber in einem milderen Licht als bei einer von vornherein unerlaubten Inanspruchnahme fremder Parkflächen.

Das Berufsgericht setzte eine Geldbuße in Höhe von 400,00 € fest.

Bezirksberufsgericht für Ärzte Stuttgart, Urteil vom 14.03.2012, Az. BGÄS 2/12

Dieses aktuelle Urteil betrifft einen Orthopäden und ist besonders bemerkenswert, da das sanktionierte Verhalten des Orthopäden von einer Patientin provoziert wurde:

 

Zum Sachverhalt

Die Patientin begab sich wegen Beschwerden im Schulterbereich in die Behandlung des beschuldigten Orthopäden. Er behandelte sie zunächst mit Spritzen, erklärte aber, dass er sie mit einer Stoßwellentherapie behandeln könne, sofern die Spritzen nicht helfen würden.

Daraufhin füllte die Patientin ein Formular aus, in dem unter anderem folgender Hinweis enthalten war:

„Wir führen Behandlungen durch, welche als sog.“ IGeL“-Leistungen bezeichnet werden und von den gesetzlichen Versicherungen nicht übernommen werden (z.B. … Stoßwellentherapie). Über die Kosten informiert Sie Ihr behandelnder Arzt. Ich habe den Inhalt des Bogens verstanden …“

Der beschuldigte Orthopäde behandelte die Patientin mit einer extrakorporalen Stoßwellentherapie. Eine Aufklärung, dass bei jeder der 7 vorgesehenen Behandlungen Kosten von 100,00 € anfallen würden, erfolgte nicht. Zudem wurde die Behandlung nicht vor ihrem Beginn schriftlich vereinbart und die Patientin auch nicht schriftlich über die auf sie zukommenden Kosten unterrichtet. Hätte die Patientin das Ausmaß der Kosten gekannt, wäre sie nicht einverstanden gewesen.

Der Rechnung widersprach die Patientin unter Verweis auf das Fehlen der Aufklärung über die Kostenpflichtigkeit. Der beschuldigte Orthopäde antwortete schriftlich, dass die Patientin in dem von ihr unterzeichneten Formular auf die Kostenpflichtigkeit auch der Stoßwellentherapie hingewiesen worden sei. Darauf antwortete die Patientin, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass jemand solche Berechnungssätze freiwillig zahle. Das Ganze sei für sie eine Abzocke am Patienten.

Der beschuldigte Orthopäde wies daraufhin den Vorwurf der Abzocke entschieden von sich, da es sich bei dem Betrag in erster Linie um die Kosten der sehr teuren Behandlungspistolen handele. Er könne versichern, dass beim Arzt bedauerlicherweise nur sehr wenig hängen bliebe. Das Meiste seien Kosten, die er an die entsprechenden Firmen bezahlen müsse. Das Schreiben der Patientin stoße bei ihm auf völliges Unverständnis und er müsse jetzt den Verdacht äußern, dass sie lediglich im Nachhinein nicht bereit sei, ihm entstandene Kosten zu erstatten. Das falle für ihn in eine ähnliche Kategorie wie Zechprellerei und beinhalte eigentlich einen Straftatbestand.

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