Arzt und Recht - OUP 11/2012

Verstoß gegen das Berufsrecht?

Der beschuldigte Orthopäde ließ im berufsgerichtlichen Verfahren über seinen Rechtsbeistand vortragen, er sei der Meinung, er habe die Patientin 2-mal ausreichend über die Kosten aufgeklärt. Mit dem Hinweis auf die Vergleichbarkeit mit einer Zechprellerei habe er überreagiert. Der ganze Vorgang tue ihm leid.

Die Patientin erklärte unter anderem, dass in dem von ihr ausgefüllten Formular etwas von IGeL-Leistungen gestanden habe, sie jedoch nicht gewusst habe, dass Stoßwellentherapie darunter falle. Ein Bedauern für ihren Vorwurf der „Abzocke“ brachte sie nicht zum Ausdruck.

 

Aus den Gründen

Auch in diesem Fall sah das Berufsgericht einen Verstoß des Orthopäden gegen § 2 Abs. 2 der Berufsordnung. Zudem habe er gegen die Pflicht aus § 2 Abs. 2 i.V.m. Kapitel D Nr. 1 der Berufsordnung verstoßen, bei einer Meinungsverschiedenheit mit einer Patientin sachlich und korrekt zu bleiben. Gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte reiche der allgemeine Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit von IGeL-Leistungen nicht. In der Auseinandersetzung über die Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Forderung sei der Beschuldigte über das erlaubte Maß hinausgegangen. Sein Vorwurf, die Patientin habe möglicherweise von Anfang an nicht bezahlen wollen, dies erinnere ihn an den Vorgang der Zechprellerei, entbehre jeder Grundlage und sei ehrabschneidend.

Bei der Bemessung der festzusetzenden Geldbuße sei jedoch zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, dass er standesrechtlich bislang nicht aufgefallen sei. Zudem sei ihm zugute zu halten, dass die Zeugin durch den Vorwurf der „Abzocke“ von sich aus eine gewisse Schärfe in die Auseinandersetzung gebracht habe. Der Orthopäde habe jedoch mit seinem Vorwurf, die Patientin habe sich möglicherweise einer Straftat schuldig gemacht, einen schwerwiegenden Angriff auf die Ehre der Zeugin unternommen. Hierbei falle ihm zur Last, dass er die Vergütung für seine IGeL-Leistung gar nicht hätte fordern dürfen.

Das Berufsgericht setzte eine Geldbuße in Höhe von 1.200,00 € fest.

Vertragsarztrechtliche Konsequenzen

BSG, Beschluss vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 18/11 B

Wenn eine Approbation wegen berufsrechtlicher Verstöße mit Auflagen versehen wird, kann dies zum Verlust der vertragsärztlichen Zulassung führen:

Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hielt das Verwaltungsgericht die Approbation des Arztes trotz berufsgerichtlicher Vorwürfe mit der Maßgabe aufrecht, dass er die ärztliche Tätigkeit nur in einer gemeinsam mit einem approbierten Arzt geführten Praxis und während dessen Anwesenheit in der Praxis ausüben durfte.

Der Zulassungsausschuss entzog dem Arzt gleichwohl die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen der erhobenen Vorwürfe.

Die Klage des Arztes gegen den Entzug der Zulassung wurde vom Sozialgericht abgewiesen. Das Landessozialgericht wies die Berufung des Arztes zurück und ließ die Revision nicht zu. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers vor dem Bundessozialgericht.

Das Bundessozialgericht erachtet es als entscheidend, dass der Arzt zum Zeitpunkt der Zulassungsentziehung nicht über eine ärztliche Approbation verfügte, die für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ausreichte. Eine uneingeschränkte Approbation sei nach § 95 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 95a Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB V Voraussetzung für eine Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Ihr Wegfall rechtfertige nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V die Entziehung der Zulassung.

Ein Arzt, der berufsrechtlich nur unter einschränkenden Vorgaben tätig werden darf, sei rechtlich gehindert, die vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben. Eine Zulassung nur für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Anwesenheit eines anderen Vertragsarztes, der in bestimmten Fällen hinzugezogen werden muss, könne nach § 95 SGB V nicht erteilt werden. Die eigenständige Versorgung von Patienten – auch in Notfällen – sei zentraler Bestandteil der vertragsärztlichen Tätigkeit. Die Tätigkeit in „freier Praxis“ beinhalte auch eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht.

Das Bundessozialgericht ließ deshalb die Revision des Arztes nicht zu.

 

Ergebnis

Dieser Blick auf die Rechtsprechung zeigt, dass von Ärzten auch außerhalb des Kernbereichs ihres Heilbehandlungsauftrages ein korrektes, berufswürdiges Verhalten gefordert wird. Wenn es tatsächlich zu einer Anzeige bei der Ärztekammer und daraufhin zu einem berufsgerichtlichen Verfahren kommt, kann der Arzt nicht von einer Schonung durch die ärztlichen Kollegen auf der Richterbank ausgehen. Die besondere Bedeutung des Vertrauens in die Ärzteschaft führt vielmehr zu einer klaren Ahndung von Verstößen gegen die Berufsordnung und deren gesteigerten Verhaltensanforderungen. Eine Bedrohung der beruflichen Existenz kann sich zudem aus wiederholtem und schwerwiegendem (auch strafrechtlich relevantem) Fehlverhalten ergeben.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2

76227 Karlsruhe

kanzlei@arztrecht.org

www.arztrecht.org

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