Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2015

Vorzeitiger posttraumatischer Wachstumsfugenverschluss am distalen Unterschenkel
Ursachen und TherapiekonzepteCauses and treatment

Bei Verdacht auf einen vorzeitigen Fugenverschluss sollte dieser durch eine CT oder MRT bestätigt und bezüglich Lage und Größe definiert werden. Die Computertomografie wird hier von vielen Autoren angegeben. Sie hat den Vorteil, dass die Untersuchung schnell ist und mit modernen Geräten eine 3-dimensionale Rekonstruktion der Knochenbrücke zulässt [2, 21–24]. Der Nachteil ist die Anwendung von Röntgenstrahlen im Wachstumsalter [21].

Die Kernspintomografie kann Knochenbrücken früher darstellen (ab dem 2. Monat nach Fraktur) [21]. Insbesondere die fettsupprimierte T2 3D Gradientenecho-Sequenz in Voxelgröße unter 1 mm ermöglicht eine gute Darstellung der gesunden Fuge (signalintensiv) gegen die Knochenbrücke und erlaubt eine exakte Bestimmung von Größe und Lage. Harris-Linien lassen sich am besten in der T1 Wichtung darstellen [20, 21, 25]. Nach Resektion der Wachstumsfugenbrücke kann eine inkomplette Resektion im CT oder MRT nachgewiesen werden. Später auch Rezidive.

Therapie

Das therapeutische Vorgehen hängt von der Größe der Fugenverknöcherung, dem Ausmaß der Achsabweichung oder Verkürzung und dem zu erwartenden Restwachstum ab [1, 2, 9, 26, 27]. Operationsverfahren sind die Resektion der Knochenbrücke mit Interposition von Fett, Silastik, Cranioplast oder Knochenwachs, Epiphyseodese der betroffenen Fuge oder der des kontralateralen Beins bei Beinlängendifferenz, Korrekturosteotomie oder Verlängerung und Achskorrektur durch einen Ringfixateur sowie Kombinationen dieser Verfahren [1, 2, 5, 16, 26–29]. Kleine Knochenbrücken können sich spontan lösen [28, 30].

Resektion der Knochenbrücke

Bei einem Restwachstum der Fuge von mehr als 2 Jahren wird von vielen Autoren die Resektion der Knochenbrücke empfohlen, wenn diese weniger als 50 % der Fugenfläche umfasst. [1, 2, 27], wobei exakte Daten fehlen, wie viel Restwachstum erforderlich ist und bis zu welcher Größe der Brücke eine Resektion sinnvoll sein kann. Vor der Resektion muss das genaue Ausmaß und die Lage der Knochenbrücke, am besten im MRT oder CT, bestimmt werden. Die Brücke muss komplett reseziert werden, unter Schonung der gesunden Fuge. Bei peripherer Lage wird das Periost über der Brücke reseziert und dann die Brücke entfernt, bis überall die gesunde Fuge sichtbar ist. Bei zentraler Lage wird über einen metaphysären Kanal die Brücke entfernt. Die Kontrolle der Fuge kann mit einem kleinen Zahnarztspiegel oder der Arthroskopieoptik erfolgen [30]. Eine navigierte Technik ist beschrieben [31].

In die Resektionshöhle wird zur Verhinderung einer neuen Knochenbrücke ein Interponat eingebracht. Autologes Fettgewebe [27, 28], Silastik [32], Cranioplast [1, 2, 33] oder Knochenwachs [1, 22] werden in der Klinik eingesetzt. Ohne Interponat kommt es sehr häufig zum Rezidiv [27].

Vor- und Nachteile der
Interponate

Autologes Fettgewebe ist einfach verfügbar, eine Entfernung ist nicht notwendig. Nachteil ist die geringe mechanische Stabilität, sodass eine Entlastung des Beins postoperativ notwendig sein kann. Im Verlauf kann es zu Nekrose, Umbau und Resorption kommen. (Fallbeispiele 1 und 2)

Cranioplast (Methylmethacrylat) lässt sich gut in die Höhle anmodellieren und härtet dann aus. Eine Verankerung in der Epiphyse, z.B. durch Bohrungen, ist sinnvoll, um ein Auswandern in die Metaphyse zu verhindern. Bei guter mechanischer Stabilität ist keine Entlastung notwendig. Ob eine Entfernung sinnvoll ist, ist nicht geklärt. Auswirkungen auf das Immunsystem wurden beschrieben [33].

Silastik kann ebenfalls gut in die Höhle eingepasst werden. Die Komponenten müssen einzeln sterilisiert werden und es besteht Infektgefahr. Gewebsreaktionen sind beschrieben [32].

Bei Knochenwachs sind nur Einzelfälle beschrieben [22].

Die Potenz zur Verhinderung einer neuen Knochenbrücke scheint bei allen Interponaten ähnlich zu sein. Eine erneute Brückenbildung ist auch 2 Jahre nach erfolgreicher Resektion möglich. Bei einer erneuten Brückenbildung ist unter den oben genannten Voraussetzungen eine erneute Resektion sinnvoll [27].

Ergebnisse: Bei Brücken die weniger als 25 % der Wachstumsfuge betrugen, ist ein normales Wachstum zu erwarten. Achsfehler können sich spontan verbessern [27]. Bei Verknöcherung von > 50 % der Fuge ist die Prognose bezüglich weiterem Wachstum und Korrektur schlecht [27]. Die spontane Verbesserung von Achsfehlern zeigt sich vor allem im 1. Jahr nach der Resektion. Diskutiert wird eine Stimulation der Restfuge, häufig tritt danach ein vorzeitiger Fugenschluss ein [27].

Epiphyseodese

Zusätzlich zur Resektion der Knochenbrücke kann bei einem Achsfehler eine temporäre Epiphyseodese auf der Gegenseite des Knochens durchgeführt werden. Die mögliche Korrekturpotenz kann aus dem Skelettalter berechnet werden. Bei großer Fugenbrücke (> 50 % der Fuge), die nicht reseziert wird, verhindert die Epiphyseodese ein Fortschreiten der Deformität [20, 28] und sollte auch zusätzlich zu einer Korrekturosteotomie durchgeführt werden. Zur Verhinderung einer Überlänge der Fibula kann auch hier eine Epiphyseodese sinnvoll sein [17].

Bei zu erwartendem Beinlängenunterschied von mehr als 2 cm kann eine Wachstumsbremsung der Gegenseite über eine temporäre oder endgültige Epiphyseodese erfolgen [5]. Die Indikation ist abhängig vom zu erwartenden Beinlängenunterschied und der berechneten Endgröße des Patienten.

Osteotomie

Achsfehler der Tibia führen zur stärkeren Druckbelastung im oberen Sprunggelenk. Einheitliche Empfehlungen zu Korrekturgrenzen bestehen nicht. Eine Korrekturosteotomie gleichzeitig zur Brückenresektion wird von vielen Autoren bei einer Achsabweichung größer 10° empfohlen [18, 27]. Von einigen Autoren wird die Korrektur schon ab 5° Varusfehlstellung empfohlen [34].

Osteotomien können additiv, subtraktiv oder z.B. als Domosteotomie durchgeführt werden [17]. Eine vorhandene Beinverkürzung muss berücksichtigt werden. Vor der Osteotomie muss das CORA (center of rotation and angulation) bestimmt werden, um eine notwendige Translation mit einzuplanen oder die Korrektur über einen Fixateur durchzuführen. (Fallbeispiel 1)

Fixateur Externe

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