Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016

Welche Sonderleistungen bieten wir an
Analyse am Beispiel Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie RheinlandAnalysis based on Kompetenznetz Orthopaedic Traumatology Rheinland

Stephan Grüner1, Heiko Schott2

Zusammenfassung: Medizinische Netzwerke sollen der Optimierung der Patientenversorgung und der Verbesserung der Kommunikation nach innen und nach außen dienen. Das Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie Rheinland als eines der mitgliederstärksten Netze seiner Art praktiziert dies unter anderem durch die Erfassung eines detaillierten Leistungsprofils jedes einzelnen Mitglieds und der datenbankgestützten Darstellung auf der Homepage www.rheinortho.de. In einem ersten Schritt wurden nun Teile der
Daten ausgewertet, hier zunächst die Wahlleistungen.
Neben einer Liste der 10 häufigsten von insgesamt 44 Wahlleistungen wurden Sonderkategorien mit den jeweils 5 häufigsten Diagnoseverfahren, gerätegestützten Leistungen und sonstigen Leistungen erfasst. Neuere juristische Anforderungen zwingen geradezu zur Angabe von Leistungen innerhalb und außerhalb der GKV unter Nennung der Handlungsalternativen und möglicher Kosten.

Schlüsselwörter: Medizinische Netzwerke, Versorgungsforschung, Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie, Wahlleistungen, Patientenrechtegesetz

Zitierweise
Grüner S, Schott H: Welche Sonderleistungen bieten wir an. Analyse am Beispiel Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie Rheinland. OUP 2016; 9: 461–466 DOI 10.3238/oup.2016.0461–0466

Summary: Medical networks should optimise patient care and improve internal and external communication. The Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie Rheinland as one of the networks of its kind with most members practice this among others by recording detailed performance profiles of each member and its databased presentation on the homepage www.rheinortho.de. In a first step part of the data were evaluated, first the optional services. Next to a list of the 10 most widespread services (out of 44) we recorded the top 5 “diagnostic procedures”, “system supported services” and “other services”. New legal requirements forces to tell patients about different services and costs inside or outside of the general health insurance.

Keywords: medical networks, supply research, Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie, optional services, patient rights law

Citation
Grüner S, Schott H: What special services we offer. Analysis based on Kompetenznetz Orthopaedic Traumatology Rheinland.
OUP 2016; 9: 461–466 DOI 10.3238/oup.2016.0461–0466

Einleitung

Die BVOU-Kompetenznetze in unserem Fachgebiet existieren mittlerweile schon seit bis zu 10 Jahren, basierend auf dem Konzept des Kollegen Dr. Hauschild (Lübeck). Das Ziel der Netzwerkbildung liegt einerseits in der Optimierung der Patientenversorgung und andererseits in der Stärkung der Kommunikation nach innen und außen, angestrebt auch durch die bessere Kooperation von Klinik und Niedergelassenen. Das Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie Rheinland ist eines der mitgliederstärksten Kompetenznetze und verfügt über einen in Deutschland einzigartigen Datenbestand über die Qualifikationen und Leistungsangebote ihrer Mitglieder. Ein Teil dieses Datenbestands – die angebotenen Sonderleistungen – werden in dieser Arbeit analysiert.

Die Internetadresse der übergeordneten Homepage der Kompetenznetze lautet www.kompetenz-ou.de, bundesweit werden flächendeckend alle Regionen mit über 30 regionalen Netzen unterschiedlicher Größe abgedeckt. Daneben existieren – meist bestehenden Netzen untergeordnet – häufig weitere Qualitätsnetze für die Bereiche Osteoporose und Rheumatologie sowie bundesweit für Endoprothetik.

Das Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie Rheinland wurde als eines der ersten Netze 2007/2008 als eingetragener Verein zunächst für den Bezirk Köln gegründet und später in Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie Rheinland umbenannt. Es ist mit aktuell rund 125 Teilnehmern eines der mitgliederstärksten Netze dieser Art. Den oben genannten Grundsätzen der Kommunikation nach innen und außen folgend, etablierten sich regelmäßig stattfindende und gut besuchte gemeinschaftliche Veranstaltungen des Kompetenznetzes und des Berufsverbands mit wissenschaftlichem Anteil, mit themenorientierten Fortbildungen und berufspolitischem Anteil. Die Kommunikation nach innen erfolgt – neben den Veranstaltungen – auch über einen viel beachteten und gut genutztem E-Mail-Verteiler, in welchem neben Hinweisen auf Veranstaltungen und weiteren Informationen meist berufspolitischer Art auch Mitteilungen und Fragen in Form von Rundmails rasch und unkompliziert verbreitet werden können.

Der Kommunikation nach Außen dient die Homepage des Vereins mit mehreren gesicherten Domainnamen, aktuell führend www.rheinortho.de. Auf dieser Homepage sind neben allgemeinen orthopädischen Informationen mit Verlinkungen zu Artikeln aus der BVOU-Patienten-Homepage www.orthinform.de und Informationen zum Netz selber – wie z.B. Ansprechpartner, Satzung, Beitrittsformulare sowie Hinweise auf vergangene und kommende Veranstaltungen – auch spezifische Informationen für interessierte Patientinnen und Patienten sowie Kolleginnen und Kollegen hinterlegt. Herzstück ist eine Datenbank mit aktuell 105 Einträgen pro Mitglied, welche gezielt aufgerufen werden können.

Jedes Mitglied erhält bei Beitritt einen Fragebogen, in welchem detailliert die persönlichen Qualifikationen sowie die Leistungsangebote abgefragt werden. Dieser Katalog wird – beginnend mit einem anfänglich erstellten Grundkatalog – bei Bedarf erweitert, die Kolleginnen und Kollegen können von sich aus Änderungen mitteilen und werden regelmäßig um Überprüfungen gebeten. Ferner erfolgen Überprüfungen z.B. über die Angaben in den Internetangeboten der Mitglieder. So kann ein personalisiertes Profil des einzelnen Mitglieds in den Qualifikationen und Leistungsangeboten dargestellt werden. Erweiterungen erfolgen, wenn Mitglieder neue Qualifikationen oder Leistungen benennen, bzw. wenn neue Qualifikationen oder Leistungen eingeführt und von Mitgliedern absolviert werden. Beispiele hierfür sind die Kurse in Rheumatologie und in Botulinumtoxin für O & U oder auch Änderungen in den Ausbildungsordnungen. In Einzelfällen werden auch Datenbankeinträge gestrichen, so z.B. durch den Wegfall des H-Arzt-Verfahrens oder der Einstellung von IV-Verträgen.

Daneben erhalten die operativ tätigen Mitglieder einen ausführlichen Operationskatalog, in dem sie standardisiert in 60 Einzelpositionen angeben können, welche Arten von operativen Eingriffen durchgeführt werden. Daneben beinhaltet dieser Katalog auch Fragen nach den Organisationsformen der Durchführung, zum Beispiel als Honorararzt oder Belegarzt. Es wird Wert darauf gelegt, dass nur die eigenen Leistungen dokumentiert werden (und nicht z.B. das Leistungsspektrum der gesamten Klinikabteilung), als einzige Ausnahme erlaubt sind die Angaben von gemeinschaftlich genutzten Geräten durch Praxen an mehreren Standorten oder Gerätegemeinschaften, sofern die Leistungserbringung auch persönlich erfolgt.

Auf der Homepage kann spezifiziert nach folgenden Parametern gesucht werden:

Mitgliedersuche nach Postleitzahl (Sortierung dann alphabetisch nach Nachname)

Mitgliedersuche alphabetisch nach Nachname

Mitgliedersuche nach Teilnahme an Verträgen der integrierten Versorgung

Mitgliedersuche nach von der Ärztekammer ausgesprochenen Qualifikationen

Mitgliedersuche nach sonstigen Qualifikationen

Mitgliedersuche nach Sonderleistungen.

In einem gewissen Rahmen sind auch Kombinationssuchen möglich wie z.B. Chirotherapeuten in bestimmten Orten oder mit bestimmten Postleitzahlen. Aktuell im Mai 2016 sind 16 verschiedene IV-Verträge, 17 von der Ärztekammer ausgesprochene Qualifikation, 27 sonstige Qualifikationen und 45 Wahlleistungen erfasst. Anfangs wurden die Qualifikationen und Leistungen bei einer überschaubaren Mitgliederstärke von 30–40 Personen noch händisch auf der Homepage eingetragen, mit zunehmender Anzahl an Mitgliedern und Merkmalen ergab sich dann die Notwendigkeit einer Datenbanklösung mit Eingabemaske für den Administrator.

Teilnahmeberechtigt am Kompetenznetz sind Ärzte für Orthopädie, Ärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie theoretisch auch Ärzte für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie, letztgenannte sind bis jetzt nicht vertreten. Die Mitgliedschaft ist – abweichend von Regelungen in manchen anderen Kompetenznetzen – an die Mitgliedschaft im BVOU gekoppelt. Mitgliedsbeiträge und Sonderumlagen können erhoben werden, seit vielen Jahren konnte darauf verzichtet werden. Die Mitgliedschaft ist gekoppelt an eine Berufstätigkeit in der kassen- und/oder privatärztlichen Praxis in Freiberuflichkeit oder als angestellter Arzt bzw. die Tätigkeit in der Klinik oder anderen Institutionen in leitender Position. Im Laufe der Zeit ergab sich die Notwendigkeit von Erweiterungen, z.B. durch den Übertritt in den Ruhestand oder Verlagerung der beruflichen Tätigkeit in andere Regionen, dem wurde durch eine Satzungsänderung Rechnung getragen. So konzentriert sich die Mitgliederstruktur vorwiegend auf niedergelassene Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein und hier speziell auf das südliche Rheinland, daneben aber auch eine Anzahl von Ruheständlern, Chef- und Oberärzten sowie vereinzelt auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Regionen. Die Mitgliedschaft in verschiedenen Kompetenznetzen ist möglich, Anfang 2014 wurde das Qualitätsnetz Osteoporose Rheinland als Untergruppe gegründet.

Zielsetzung

Angesichts der zunehmenden Verknappungen der bestehenden ärztlichen und finanziellen Ressourcen einerseits und steigenden Anforderungen fachlicher, juristischer, allgemein bürokratischer, patientenseitiger und sonstiger Natur andererseits rückt der Bereich der Versorgungsforschung immer mehr in das Interesse. Daher lag es nahe, den bestehenden Datenbestand statistisch auszuwerten, der nach Kenntnis der Autoren und weiterer Experten in seiner Art einzigartig ist. In einer ersten Teilstudie soll der Frage nachgegangen werden, welche Sonderleistungen von den kassen- und/oder privatärztlichen niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen im Kompetenznetz erbracht werden.

Sonder- oder Wahlleistungen

Sonder- oder Wahlleistungen sind Leistungen, welche nicht zulasten der GKV erbracht und abgerechnet werden. Hierbei kann es sich u.a. um folgende Leistungen handeln:

Leistungen, die nicht im Leistungskatalog der GKV enthalten sind (z.B. Hyaluronsäureinjektion mit Präparaten mit Zulassung nach dem MPG).

Leistung genügt nicht den spezifischen inhaltlichen Anforderungen der GKV (z.B. Akupunkturen außerhalb der Indikationen Gonarthrose und chronische Lumbago).

Leistung genügt nicht den spezifischen persönlichen Anforderungen der GKV (z.B. Akupunkturen bei nicht vollständig erfüllten Anforderungskriterien oder fehlender Beantragung).

Leistungen aus fachfremden Gebieten (z.B. EMG/ENG aus dem Kapitel 16 Neurologie EBM).

Leistungen, welche prinzipiell zulasten der GKV erbringbar wären, aber im spezifischen Fall den Anforderungen des § 12 Abs. 1 SGB V nicht genügen: die Leistungen entsprechen nicht dem Wirtschaftlichen, Ausreichenden, Notwendigen und Zweckmäßigen (WANZ) und dürfen daher weder vom Empfänger gefordert noch vom Anbieter angeboten werden.

Diese Leistungen, welche früher regelmäßig auch mit dem Begriff „IGEL“ für „Individuelle Gesundheitsleistungen“ bezeichnet wurden, zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine typische GKV-Leistung darstellen, aber im individuellen Einzelfall vertretbar durchführbar sind, wahlweise oder auch als führende Option indiziert sind. Vor Durchführung solcher Leistungen sind nach dem neuen Recht über den Behandlungsvertrag (sog. Patientenrechtegesetz), §§ 630a–h BGB, entsprechende Aufklärungspflichten einzuhalten, die u.a. auch die ausführliche Aufklärung über Diagnosen, Therapieoptionen und deren Prognosen gemäß § 630e BGB beinhaltet sowie evtl. dem Patienten/Patientin entstehenden Kosten nach § 630c Abs. 3 BGB.

Man kann mittlerweile fast von einem gesetzlichen Zwang zur Aufklärung über Wahlleistungen sprechen. Bereits Ende 2012 (!) wies Herr Laum als Präsident OLG a.D. und Vorsitzender der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler ÄKNO in einer Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt darauf hin, dass eine dahingehende Verpflichtung des Kassenarztes bestünde, gesetzlich versicherte Patienten auch über nicht vom EBM abgedeckte Behandlungen zu unterrichten, sofern der Gesundheitszustand dies erforderlich und/oder zumindest geboten erscheinen lassen würde. Dieser Ansicht schlossen sich auch der damalige Präsident des Versicherungsamts und der frühere Vorsitzende des Senats, Herr Steffen, für Arzthaftungssachen des Bundesgerichtshofs an [1]. Es ist zu erwarten, dass auch die Rechtsprechung zu dem Thema der generellen Aufklärung und konkret zu der notwendigen Aufklärung über Alternativen im Sinne des § 630e Abs. 1, Satz 3 BGB, diese Tendenz weiter verfolgen wird. Mittelfristig ist demzufolge bei GKV-Versicherten von einer klaren Aufklärungspflicht ohne Beschränkung auf EBM-Maßnahmen auszugehen.

Historisch gesehen sind solche Wahlleistungen von anfänglich einzelnen Leistungen zu einem mittlerweile breiten Portfolio an verschiedenen Leistungen in fast allen Praxen angewachsen. Frühere Argumentationen auch im Kreise der Kolleginnen und Kollegen in dem Sinne, dass man „Arzt“ und kein „Verkäufer“ sei, häufig kombiniert mit Anfeindungen gegenüber denjenigen, welche solche Leistungen anboten, sind heute sehr viel seltener geworden und nur noch gehäuft von den Gesetzlichen Krankenkassen und anderen Institutionen zu hören. Dennoch muss die einzelne Diagnostik und therapeutische Maßnahme im Einzelfall vertretbar sein, eine alleinige Durchführung aus finanziellen Erwägungen sowie bei nicht vertretbaren Risiken sollte schon aus medizinethischen Gründen nicht erfolgen.

Die Grenzen sind individuell, wobei auch auf institutionelle Unterschiede hingewiesen werden muss: So waren und sind Teile der ästhetischen Medizin und der Zahnmedizin immer schon Wahlleistungen gewesen. Ferner muss auch darauf hingewiesen werden, dass Leistungen, die nicht über die GKV bzw. in Einzelfällen über die BG erbracht und abgerechnet werden, über die GOÄ abgerechnet werden müssen. Dies beinhaltet oft auch die Erstattungsfähigkeit über eine privatärztliche Versicherung, z.B. bei Eigenbeteiligungen, Höchstgrenzen der Erstattung, vertraglichen Ausschlüssen oder anderen Gründen – auch hierüber ist nach Patientenrechtegesetz aufzuklären. Schließlich ist auch auf den Umstand hinzuweisen, dass ein Vertragsarzt, welcher „medizinisch nicht indizierte Verordnungen zulasten der GKV erteilt, (… ) sich wegen Untreue nach § 266 StGB strafbar machen“ kann [2]. Selbstverständlich besteht spiegelbildlich hierzu das Verbot, GKV/EBM Leistungen zu „IGeLn“. Im Rahmen der dies festlegenden Normen ist vor allen anderen § 128 Abs. 5a SGB V zu nennen. Hier heißt es konkret:

„Vertragsärzte, die unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen oder Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihnen zustehenden Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, verstoßen gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten.“

Die drohenden Strafen reichen von einer Verwarnung, einem Verweis, einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro bis zur Anordnung des Ruhens der Zulassung. Bei wiederholten Pflichtverstößen ist der Zulassungsentzug möglich.

An dieser Stelle soll noch einmal klar herausgestellt sein, dass auch im Falle des patientenseitig gewünschten Überschreitens beispielsweise des medizinisch Erforderlichen nach § 12 SGB V (WANZ) das Abrechnen als individuelle Gesundheitsleistung nach GOÄ lege artis und nicht zu beanstanden ist. Wegen der zuvor beschriebenen KV-seitigen Sanktionsmöglichkeiten bei Verstoß, sollte bezüglich der konkreten Abrechnungsmodalität jedoch auf Seiten des Behandlers absolute Gewissheit herrschen.

Material und Methoden

Im Oktober 2015 wurden von den 124 Mitgliedern im Kompetenznetz die Wahlleistungen numerisch erfasst. Hierbei handelte es sich um 110 Mitglieder in kassenärztlicher Niederlassung, 5 Mitglieder mit privatärztlicher Niederlassung sowie 9 Mitglieder in leitender Position in Kliniken mit (eingeschränkt) ambulanter ärztlicher Tätigkeit. Zum damaligen Zeitpunkt waren 2 weitere Mitglieder im Ruhestand und wurden für diese Untersuchung nicht berücksichtigt. Nicht berücksichtigt werden konnte, wie oft eine Wahlleistung durchgeführt wird, da hierüber keine Daten vorliegen. Ferner wurde in dieser Untersuchung auf eine inhaltliche Bewertung der einzelnen Leistungen verzichtet, da dies außerhalb der Zielsetzung der Untersuchung liegt.

Für die Auswertungen wurde eine Liste der 10 häufigsten Wahlleistungen erfasst, dazu Listen der 5 häufigsten Wahlleistungen im Bereich der gerätegestützten Diagnoseverfahren, der gerätegestützten Therapieverfahren und der sonstigen Leistungen. Die Wahlleistungen sind in alphabetischer Reihenfolge in Tabelle 1 aufgeführt. Hierbei ist zu beachten, dass es sich teilweise um Leistungen zulasten der GKV handeln kann – unter Beachtung der Vorgaben des § 12 Abs. 1 SGB V und bei Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen und Qualifikationen sowie ggf. unter Verwendung ausschließlich von hierfür zugelassenen Medikamenten. Im Falle der nicht vollständig erfüllten Bedingungen sind diese Leistungen nach GOÄ zu erbringen, wie z.B. peridurale Infiltrationen unter Zusatz von Kortikosteroiden (off-label) oder Akupunkturen in der Schmerztherapie mit Ausnahme von Gonarthrose oder chronische Lumbago (Leistungslegende Ziffer 269/269a GOÄ, keine GKV-Leistung).

Ergebnisse

Insgesamt wurden 1233 Wahlleistungen numerisch aufgeführt, also durchschnittlich ca. 10 Leistungen pro Person, wobei manche auf über 20 Leistungen kommen. Die Top-10-Wahlleistungen sind mit den Häufigkeiten in Tabelle 2 aufgeführt. Die Top-5-Wahlleistungen „Diagnose“, „Geräte“ und „Sonstige Therapien“ sind in den Abbildungen 1–3 dargestellt. Auf den Plätzen 11–26 folgten:

  • 11. Lasertherapie (33,1 %)
  • 12. unblutiges Schröpfen, durchleuchtungsgestützte Infiltrationen und periradikuläre Therapie mit je 29,0 %
  • 15. Moxibustion und Rehaberatung mit je 23,4 %
  • 17. 3D/4D-Wirbelsäulenvermessung (21, 8 %)
  • 18. Hydrojet und Varianten sowie Osteopathie mit je (20,2 %)
  • 20. Vitamininfusionen (16,1 %)
  • 21. Pedografie (15,3 %)
  • 22. Vibrationstherapie (14,5 %)
  • 23. Blutegeltherapie und Orthomolekulartherapie mit je (13,7 %)
  • 25. Ganganalyse (12,1 %)
  • 26. ACP (11,3 %) und Oberflächen-EMG (10,5 %).

Die anderen 18 erfassten Wahlleistungen wurden von weniger als 10 % der Population durchgeführt, hiervon 8 zwischen 5–10 % sowie 10 von weniger als 5 %.

Diskussion

Das Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie Rheinland ist eines der mitgliederstärksten Netze dieser Art in Deutschland und zeichnet sich u.a. durch den Umstand aus, dass von jedem Mitglied ein umfangreicher Datenbestand mit 105 Einzelpositionen existiert. In einer ersten Feldstudie wurden Teile dieses Datenbestands ausgewertet, hier speziell die Angebote an Wahlleistungen. Insgesamt wurden über 1200 Wahlleistungsangebote in 44 Kategorien bei den 124 Mitgliedern erfasst, deren Daten ausgewertet wurden. Bei der Auswertung wurde eine „Top 10“ gebildet, 7 dieser Kategorien werden von mindestens der Hälfte der Kolleginnen und Kollegen erbracht, hiervon die 3 Spitzenreiter Injektion Hyaluronsäure, Atteste und Gutachten sowie Akupunktur von ca. zwei Drittel und mehr. Untergrenze für diese Spitzenreiterliste war eine Erbringung bei ca. einem Drittel der Teilnehmer.

In Sonderauswertungen wurden die „Top 5“-Angebote im Bereich Diagnostik, gerätegestützte Verfahren und sonstige Therapien erfasst. Im Bereich Diagnostik ergaben sich insgesamt 7 verschiedene Angebote, wobei ein Verfahren, die Knochendichtemessung mit einem Ergebnis von ca. 63 % klar hervorstach. Das zweitplatzierte Verfahren, die 3D/4D-Wirbelsäulenvermessung erreichte mit ca. 22 % nur einen Wert von ca. einem Drittel des Erstplatzierten, die anderen Verfahren lagen noch darunter.

Im Bereich der gerätegestützten Verfahren waren die numerischen Schwankungen innerhalb der Spitzenreiter deutlich geringer, nach der Knochendichtemessung mit ca. 63 % folgte knapp dahinter die Stoßwellentherapie mit ca. 61 % und die Magnetfeldtherapie mit ca. 52 %, selbst die fünftplatzierte Lasertherapie mit ca. 33 % lag über dem Wert des zweitplatzierten Verfahrens im Bereich Diagnostik. Im Bereich der sonstigen Verfahren führte das am häufigsten durchgeführte Verfahren, die Injektion von Hyaluronsäure, mit ca. 84 %, gefolgt von der Akupunktur mit ca. 65 % und der Injektion von Homöopathika mit ca. 58 %.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass eine sehr große Anzahl von verschiedenen Wahlleistungen angeboten wird, hiervon durchschnittlich ca. 10 pro Kollege/Kollegin. Ferner ergibt sich, dass von den 45 Wahlleistungen nur 7 verbreitet sind, also mindestens von jedem Zweiten angeboten werden. Den Wert „jeder Dritte“ erreichten 10 der 45, den Wert „jeder Vierte“ 14 der 45 Wahlleistungen und den Wert „jeder Fünfte“ 19 der 45 Wahlleistungen. Darüber hinaus gibt es eine große Vielzahl von weiteren Leistungen, die aber nur eine geringe bis sehr geringe Verbreitung aufweisen, hierunter auch manche „Exoten“ wie die Ozontherapie und die Messung freier Radikale.

In dieser Arbeit soll explizit nicht auf den wissenschaftlichen Hintergrund und die Ergebnisse der einzelnen Wahlleistung eingegangen werden, vielmehr handelt es sich um Versorgungsforschung. Unser Fach Orthopädie und Unfallchirurgie ist sicher mehr als das Leistungsspektrum innerhalb des Versorgungsgebiets der gesetzlichen Krankenversicherungen, womit ca. 90 % der Bevölkerung teilweise von der Breite des Fachs abgeschnitten sind und dies nur unter finanzieller Eigenleistung in Anspruch nehmen können – sofern nicht ganz spezielle Umstände wie z.B. im Bereich Knochendichtemessung oder im Bereich Akupunktur zur Wirkung kommen. „Die“ Wahlleistung in unserem Fach ist die Injektion von Hyaluronsäure, daneben sind die Erstellung von Attesten und Gutachten, die Akupunktur, die Knochendichtemessung und die Stoßwellentherapie zu nennen. Die anderen Verfahren spielen eine eher untergeordnete Rolle, manche Verfahren sind wirkliche Raritäten.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Stephan Grüner

Kalker Hauptstraße 217

51103 Köln

dsg@dr-gruener.de

Literatur

1. Laum HD: Arzthaftungsrecht und Leistungsgrenzen. Dt. Ärzteblatt 2012; 109: A2176

2. Schulenburg D: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der GKV. Rheinisches Ärzteblatt 2004; 6: 15

Fussnoten

1 FA Orthopädie Sportmedizin Chirotherapie Spezielle Schmerztherapie, Köln

2 Rechtsanwaltskanzlei Schmelter & Schott, Gelsenkirchen

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